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Wirtschaftswissenschaften
Jungökonomen fordern mehr Ethik im Studium

In ganz Europa haben Studierende der Wirtschaftswissenschaften ein Manifest zur Reform der Ökonomenausbildung unterzeichnet. Ihre Kritik: Bisher seien die ökonomischen Studiengänge überwiegend von der neoliberalen Modelltheorie geprägt.

Von Thomas Wagner |
    Studenten in einem Hörsaal - fotografiert aus der Vogelperspektive
    Die Grundlagen der Wirtschaftsethik müssten bereits im wirtschaftsiwssenschaftlichen Studium gelegt werden, fordern zahlreiche Studierende. (dpa / picture alliance / Thomas Frey)
    Obwohl er während seines Studiums keinen Augenblick lang über seinen späteren Job nachgedacht und zudem die Schule auch noch ohne Abschluss verlassen hat, legte der amerikanische Ökonom Joseph Stiglitz eine Bildderbuchkarriere hin. 2001 wurde er mit dem sogenannten "Wirtschafts-Nobelpreis" ausgezeichnet - doch in den vergangenen Jahren eckte Stiglitz mit seinen Thesen bei seinen Kollegen weltweit an: Er kritisiert in seinem Buch "Die Schatten der Globalisierung" die Politik der Weltbank, die zu mehr Ungerechtigkeiten rund um den Globus führe - und mahnt darin die Ökonomen in aller Welt an, in Forschung und Lehre viel stärker als bisher auf die sozialen und ethischen Fragen zu achten. Das ist so recht nach dem Geschmack vieler wirtschaftswissenschaftlicher Nachwuchsforscher, die zum Nobelpreisträgertreffen nach Lindau gekommen sind.
    "In meiner Ausbildung hat das bereits eine große Rolle gespielt, die Wirtschaftsethik. Ich stelle aber fest, dass das an vielen Universitäten noch nicht so eine große Rolle spielt. Ich fände es wichtig, dass da eine Änderung auf jeden Fall stattfindet."
    Milena Neubert, Mitte 20, hat ihr Studium abgeschlossen, arbeitet am Lehrstuhl für Corporate Finance der Universität Mainz. Jenes Manifest, in dem Studentengruppen aus 19 Ländern eine Änderung der Ökonomenausbildung fordern, hält sie für richtig: Mehr Sozialkompetenz, mehr Wirtschaftsethik - dies sei unabdingbares Handwerkszeug für die Lösung der wirtschaftlichen Probleme der Zukunft.
    "Was die Wirtschaftsethik angeht, gerade jetzt bei der Finanzkrise und so weiter, ist es auch wichtig, dass wir lernen, wie man eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung trägt als Ökonom und die auch wahrnehmen kann."
    Zu viele neoliberale ökonomische Modelle
    Die Grundlagen dafür müssten bereits im wirtschaftswissenschaftlichen Studium gelegt werden. Das aber werde derzeit viel zu stark von den sogenannten "Modelltheorien" geprägt: Dabei werden häufig neoliberale ökonomische Modelle gelehrt , soziale und ökologische Auswirkungen aber vernachlässigt. Gerade Jung-Ökonomen müsse bereits im Studium die beschränkte Aussagekraft solcher Modelle vermittelt werden, glaubt Christian Basteck, der Volkswirtschaft an der Technischen Universität Berlin studiert:
    "Was mir auch immer ein bisschen fehlt, ist die Zeit, um Modellannahmen kritisch einzuordnen. Es ist leider sehr gedrängt, die Ausbildung. Das hat möglicherweise auch mit dem Bachelor-Studiengängen zu tun, die eingeführt wurden. Es bleibt wenig Zeit, mal einen Moment innezuhalten und die Modelle zu interpretieren, bevor man sie denn jetzt durchrechnet."
    In ganz Europa haben Studierendengruppen das Manifest zur Reform der Ökonomenausbildung unterzeichnet, gerade auch in Ländern wie England, in denen der Bankensektor eine ganz besonders wichtige Rolle spielt. Sarah Zang wurde in Peking geboren, hat in Karlsruhe studiert und arbeitet nun als Nachwuchs-Ökonomin an der Manchester Business-School.
    "Ich bin ja derzeit in England. Und da gibt es derzeit konkret Studenteninitiativen, die das konkret fordern von den Universitäten, dass die ihr Curriculum anfassen und im Hinblick auf die letzte Finanzkrise da dann auch noch die alten Modelle infrage stellen und sozusagen auch neue Modelle diskutieren innerhalb des Curriculums. Von daher wird zurzeit schon daran gearbeitet."
    Nach Ansich des Bremer Wirtschaftswissenschaftlers Professor Rudolf Hickel ist die Bildungspolitik in Deutschland dagegen längst noch nicht so weit. Hier seien die ökonomischen Studiengänge überwiegend von der neoliberalen Modelltheorie geprägt:
    "Ich bin da ganz pessimistisch. Wir haben eine richtige Spaltung in der Debatte. Wir haben einerseits die Studierenden, die die kritischen Fragen diskutieren wollen. Aber wir haben andererseits die Situation: Die Lehrstühle in Deutschland sind nicht mehr pluralistisch ausgerichtet. Wir haben Lehrstühle, die diese Diskussion, die notwendige Weiterentwicklung von Ökonomie, einfach nicht zulassen. Und ich werfe auch den Universitäten vor, dass bei der Berufung viel zu wenig Pluralismus berücksichtigt wird."
    Reform dringend geboten
    Hier müsse sich etwas ändern, fordert nicht nur der Bremer Ökonom Rudolf Hickel. Auch viele Studierende, die durchaus für eine Öffnung hin zu sozialen und ökologischen Fragen bereit wären, halten eine Reform der wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge auch in Deutschland für dringend geboten, alleine schon aus Imagegründen. Nachwuchs-Ökonomin Milena Neubert von der Uni Mainz:
    "Also ich denke, das Image des Bankers, der vielleicht vor allem zockt und der wenig gesellschaftliche Verantwortung hat, in dem, was er tut, ist in der breiten Bevölkerung so, grade bei Bankern. Ach deswegen ist es wichtig, dass sich die Ausbildung auch anpasst, dass da eben auch wirtschaftsethische Fragen eine Rolle spielen, damit eben das Image verbessert wird in der breiten Bevölkerung und dass da auch Änderungen in der Praxis stattfinden."