Christine Heuer: Die Hauptschullehrer spielen ihren Schülern jeden Tag vor, sie hätten später auf dem Arbeitsmarkt eine Chance. Und die Politik spielt dem gesamten Land täglich vor, es gebe eines Tages wieder Vollbeschäftigung. Auch dies ist zu hören nach dem Hilferuf der Lehrer von der Rütli-Hauptschule in Berlin und zwar vom Soziologen Ulrich Beck gestern früh hier im Deutschlandfunk. Wenn Becks Analyse richtig ist, dann müssen die Deutschen sich etwas Neues ausdenken für ihren künftigen Arbeitsmarkt.
Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs, tut dies, Nachdenken über neue Arbeitsmodelle, schon länger. Guten Morgen, Professor Straubhaar!
Thomas Straubhaar: Guten Morgen, Frau Heuer!
Heuer: Es wird so viel gesprochen über den deutschen Arbeitsmarkt und wie man ihn wieder flott kriegt. Hat das, was da gesagt wird, noch irgendetwas mit der Realität in Deutschland zu tun?
Straubhaar: Es hat mit der Realität zu tun, aber viel zu wenig mit der Zukunft, weil, was wir heute doch wissen, ist, dass die Zukunft völlig neue Arbeitsmodelle braucht, weil die Zukunft wird nicht mehr eine Industriegesellschaft der Vergangenheit sein, sondern es wird eine Dienstleistungs-, eine Wissensgesellschaft sein, die viel mehr Flexibilität und Mobilität erforderlich machen wird.
Heuer: Gibt es da wieder Vollbeschäftigung? Ist das überhaupt möglich?
Straubhaar: Ich denke, historisch gesehen war die Zeit der Vollbeschäftigung vergleichsweise eine kurze Zeit. Es war die Zeit vielleicht des letzten Jahrhunderts und dort der letzten 50 Jahre, wo wir im Prinzip mit den Händen unser Einkommen erwirtschaftet haben. Da war die Arbeitszeit eine ganz wichtige Grundlage. Die Zeit pro Stunde wurde multipliziert mit irgendeinem Faktor, und das gab dann das Monatseinkommen. Man hat im Prinzip über das Arbeitseinkommen seinen ganzen Lebensplan definiert.
Ich denke, in Zukunft wird es viel mehr Brüche geben, unterschiedliche Modelle des Lebens, der Lebensbiografien, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich und politisch, und darauf müssen wir uns vorbereiten, dass diese Stetigkeit, diese Langfristigkeit, diese Planbarkeit der Arbeit über ein ganzes Leben lang, nicht mehr denselben Stellenwert haben wird.
Heuer: Und daran, Herr Straubhaar, wird sich auch nichts ändern, wenn passiert, was alle erwarten, dass es nämlich immer weniger Deutsche gibt? Für die wird die Arbeit dann auch nicht ausreichen?
Straubhaar: Das wird leider nicht das Problem lösen, weil es ist zwar kein so dramatisches Problem, wie das jetzt viele machen, dass die Geburtenzahlen in Deutschland nicht dem entsprechen, was notwendig wäre, um die Bevölkerung auf dem heutigen Niveau zu behalten. Ich sehe diesen Rückgang überhaupt nicht so dramatisch. Dann haben wir endlich mehr Platz. Dann haben wir endlich mehr für diejenigen, die noch in Deutschland leben werden, an Ressourcen zur Verfügung. Es wird aber das Problem der Arbeitswelt von morgen deshalb nicht lösen, weil diese Arbeitswelt von morgen mehr Dynamik und Flexibilität erforderlich macht, weniger dieses Denken, dass alles, auch der ganze Sozialstaat heute ja über Löhne letztlich, Arbeitseinkommen und Lohnnebenkosten finanziert wird. Das ist ja alles ausgerichtet auf Biografien, die im Prinzip ein Leben lang wirklich arbeiten. Und wer nicht ein Leben lang arbeitet, hat dann beispielsweise Verluste bei der Rente mitzutragen. Ich denke das ist das, was wir sehen müssen, dass wir unsere ganze Vorstellung nicht mehr nur auf diese Vollbeschäftigungsmodelle konzentrieren dürfen.
Heuer: Worauf sollen wir denn unsere Vorstellungen dann konzentrieren? Was wäre denn ein neues Modell für den künftigen Arbeitsmarkt?
Straubhaar: Ich schlage ja vor, dass wir den Arbeitsmarkt völlig entkoppeln und ihn zum Markt mit auch geringen Löhnen machen, also viel Lohnspreizung in Kauf nehmen, Löhne, die an Ort und Stelle verhandelt werden. Alles Soziale, all das, was wir umverteilen wollen zu Gunsten der Schwächeren in der Gesellschaft, müssen wir dann ganz gezielt durch Transfers erbringen, also direkte Leistungen, die aber über Steuern finanziert werden, weil diese Aufgabe der Umverteilung ist eine Aufgabe, die uns alle gleichermaßen angeht, die nichts mit dem zu tun hat ob ich arbeite oder nicht. Dann kommt es zu einem Grundeinkommen. Das würde ich allen Deutschen gleichermaßen von der Wiege bis zur Bahre als absolutes Existenzminimum auszahlen, und das würde ich über Steuern finanzieren.
Heuer: Wie hoch sollte denn dieses Grundeinkommen sein, Herr Straubhaar?
Straubhaar: Da können dann die politischen Parteien wunderbar miteinander streiten und sagen, wenn wir das sehr tief ansetzen, vielleicht 6000 Euro im Jahr, dann brauchen wir keine hohen direkten Steuern und auch nicht so hohe indirekte Steuern, also Mehrwertsteuer, zu erheben Eine andere Partei, die mehr auf Umverteilung setzen wird, wird vielleicht sagen, wir möchte gerne 8.000 Euro pro Jahr und Person. Dann müssen wir entsprechend die direkten Steuern anheben; wir müssen entsprechend die indirekte Mehrwertsteuer anheben. Dann können die politischen Parteien sich bewerben um die Wählerinnen und Wähler und sagen: Was wollt ihr, mehr Grundsicherung oder weniger Grundsicherung?
Heuer:! Herr Straubhaar, ich verstehe das noch nicht richtig. Selbst bei 8000 Euro pro Jahr, das ist ja eine Summe, von der kein Deutscher oder überhaupt kein Mensch hierzulande wirklich leben kann. Wovon sollen denn die Menschen dann existieren und was hat das mit den Steuern zu tun?
Straubhaar: Das ist erstens ein Grundeinkommen, das an alle gleichermaßen bezahlt wird. Wenn Sie eine vierköpfige Familie haben, haben Sie schon mal 32.000 Euro. Das ist eine Summe, von der heute viele nicht mal erwarten und ausgehen können, dass sie sie wirklich netto verfügbar haben.
Das Zweite: Das soll ja nur das sein, was unabhängig von allen anderen Faktoren fließt. Ich denke, dass die meisten Deutschen sich etwas dazuverdienen wollen und auch werden. Das wird dann nicht mehr mit einem faktischen Mindestlohn wie heute geschehen, sondern mit tiefen Löhnen. Aber das wird dazu führen, dass die Menschen durchaus Anreize haben, viel dazu zu verdienen. Dann kommen dort Summen zusammen, die genügen werden, um in Deutschland zu leben, weil der entscheidende Fehler ist ja, dass wir heute immer vergleichen 7.000 Euro mit einem Preisniveau von heute. Nach meinem Modell werden die Preise und Löhne ja gewaltig sinken und das wird das Leben billiger machen, so dass auch schon ein Euro größere Kaufkraft haben wird.
Heuer: Und wer zahlt dann die Steuern?
Straubhaar: Die Steuern zahlen erstens all jene, die arbeiten, und zwar von der ersten Stunde. Unabhängig davon, wo und wie ich arbeite, kommen, sage ich, mal 25 Prozent direkte Einkommenssteuer, an der Quelle erhoben, damit auch die Umgehung geringer und schwieriger wird. Zweitens die indirekten Steuern, vielleicht auch eine Mehrwertsteuer dann von 25 Prozent. Im Tandem dieser beiden direkten und indirekten Steuern werden genug Steuermittel fließen, weil noch einmal: Wenn es sich lohnt zu arbeiten, werden die Leute arbeiten. Wenn Sie an der Quelle 25 Prozent besteuern, kommt im Volumen eine beträchtliche Summe zusammen.
Heuer: Woran der Arbeitsmarkt, das Wachstum in Deutschland, eigentlich alles, was mit Ökonomie hierzulande zu tun hat, leidet, das sind ja die Sozialsysteme, die überlastet sind. Was würde denn aus diesen Systemen mit Ihrem Modell eines Grundeinkommens?
Straubhaar: Heute ist es ja so, dass wir Arbeit mit einem Strafsteuerfaktor von über 40 Prozent oder am Ende des Jahres vielleicht knapp 40 Prozent belasten, was Arbeit gegenüber Kapitalmaschinen teurer macht, was Arbeit gegenüber dem Ausland teurer macht, was Arbeit gegenüber der Schwarzarbeit teurer macht. In meinem Modell würde ich völlig abschaffen alles, was heute mit dem Etikett soziale Sicherungssysteme bezeichnet wird. Die brauchen wir ja dann nicht mehr, weil wir dieses Grundeinkommen haben, was jedem Deutschen, unabhängig, ob er arbeitet oder nicht arbeitet, ob er jung oder alt ist, pro Monat fix eine Kaufkraft gibt, mit der er mindestens sein Brot und etwas zu essen, Obdach und Kleidung in einem minimalen Ausmaße sich finanzieren kann.
Heuer: Schwarzarbeit und solche Sachen – Sie haben es gerade selber angesprochen – kommen dann nicht mehr vor?
Straubhaar: Doch, ich glaube das werden sie nie ganz ausschließen können. Man darf nicht die Realität mit dem Paradies vergleichen. Man muss zwei realistische Zukunftsvariationen einander gegenüberstellen. Natürlich können sie auch bei einem Steuersatz von 25 Prozent, der an der Quelle erhoben wird, ist der Anreiz da, gleich völlig auf diese Steuer zu verzichten. Sie können die Mehrwertsteuer immer noch umgehen, wenn Sie das wollen. Das will ich nicht ausschließen. Das wird es weiterhin geben, aber in geringerem Umfang.
Heuer: Herr Straubhaar, was immer sich Wirtschaftswissenschaftler, Experten wie Sie zum Beispiel ausdenken, das müsste ja irgendwann dann auch einmal tatsächlich umgesetzt werden. Trauen Sie das den Politikern zu, die wir im Moment in diesem Land haben, dass sie den Mut haben, tatsächlich etwas ganz Neues auszuprobieren?
Straubhaar: Die Umstellung ist für jede Generation schwierig, weil die Zukunft ist von derart großen Herausforderungen, dass sich jede Politikergeneration natürlich drückt, diese Probleme wirklich wasserdicht und nachhaltig anzugehen. Das ist aber nicht nur in Deutschland so, das ist in jedem Land, in jeder Demokratie der Welt genauso. Der entscheidende Punkt ist – und es wäre auch für die Politik viel einfacher -, wenn wir einfach mal beginnen, Wahloptionen schaffen, sagen, du kannst entweder nach dem alten oder nach dem neuen System dich grundversichern oder dem neuen System angehören. Wahlmöglichkeiten und Optionen schaffen, das ist wichtig, und dann schrittweise alle neuen, alle Neugeborenen automatisch ins neue System nehmen und dann während langen Übergangsfristen halt beide Systeme nebeneinander führen.
Heuer: Thomas Straubhaar, der Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Straubhaar.
Straubhaar: Gerne geschehen.
Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs, tut dies, Nachdenken über neue Arbeitsmodelle, schon länger. Guten Morgen, Professor Straubhaar!
Thomas Straubhaar: Guten Morgen, Frau Heuer!
Heuer: Es wird so viel gesprochen über den deutschen Arbeitsmarkt und wie man ihn wieder flott kriegt. Hat das, was da gesagt wird, noch irgendetwas mit der Realität in Deutschland zu tun?
Straubhaar: Es hat mit der Realität zu tun, aber viel zu wenig mit der Zukunft, weil, was wir heute doch wissen, ist, dass die Zukunft völlig neue Arbeitsmodelle braucht, weil die Zukunft wird nicht mehr eine Industriegesellschaft der Vergangenheit sein, sondern es wird eine Dienstleistungs-, eine Wissensgesellschaft sein, die viel mehr Flexibilität und Mobilität erforderlich machen wird.
Heuer: Gibt es da wieder Vollbeschäftigung? Ist das überhaupt möglich?
Straubhaar: Ich denke, historisch gesehen war die Zeit der Vollbeschäftigung vergleichsweise eine kurze Zeit. Es war die Zeit vielleicht des letzten Jahrhunderts und dort der letzten 50 Jahre, wo wir im Prinzip mit den Händen unser Einkommen erwirtschaftet haben. Da war die Arbeitszeit eine ganz wichtige Grundlage. Die Zeit pro Stunde wurde multipliziert mit irgendeinem Faktor, und das gab dann das Monatseinkommen. Man hat im Prinzip über das Arbeitseinkommen seinen ganzen Lebensplan definiert.
Ich denke, in Zukunft wird es viel mehr Brüche geben, unterschiedliche Modelle des Lebens, der Lebensbiografien, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich und politisch, und darauf müssen wir uns vorbereiten, dass diese Stetigkeit, diese Langfristigkeit, diese Planbarkeit der Arbeit über ein ganzes Leben lang, nicht mehr denselben Stellenwert haben wird.
Heuer: Und daran, Herr Straubhaar, wird sich auch nichts ändern, wenn passiert, was alle erwarten, dass es nämlich immer weniger Deutsche gibt? Für die wird die Arbeit dann auch nicht ausreichen?
Straubhaar: Das wird leider nicht das Problem lösen, weil es ist zwar kein so dramatisches Problem, wie das jetzt viele machen, dass die Geburtenzahlen in Deutschland nicht dem entsprechen, was notwendig wäre, um die Bevölkerung auf dem heutigen Niveau zu behalten. Ich sehe diesen Rückgang überhaupt nicht so dramatisch. Dann haben wir endlich mehr Platz. Dann haben wir endlich mehr für diejenigen, die noch in Deutschland leben werden, an Ressourcen zur Verfügung. Es wird aber das Problem der Arbeitswelt von morgen deshalb nicht lösen, weil diese Arbeitswelt von morgen mehr Dynamik und Flexibilität erforderlich macht, weniger dieses Denken, dass alles, auch der ganze Sozialstaat heute ja über Löhne letztlich, Arbeitseinkommen und Lohnnebenkosten finanziert wird. Das ist ja alles ausgerichtet auf Biografien, die im Prinzip ein Leben lang wirklich arbeiten. Und wer nicht ein Leben lang arbeitet, hat dann beispielsweise Verluste bei der Rente mitzutragen. Ich denke das ist das, was wir sehen müssen, dass wir unsere ganze Vorstellung nicht mehr nur auf diese Vollbeschäftigungsmodelle konzentrieren dürfen.
Heuer: Worauf sollen wir denn unsere Vorstellungen dann konzentrieren? Was wäre denn ein neues Modell für den künftigen Arbeitsmarkt?
Straubhaar: Ich schlage ja vor, dass wir den Arbeitsmarkt völlig entkoppeln und ihn zum Markt mit auch geringen Löhnen machen, also viel Lohnspreizung in Kauf nehmen, Löhne, die an Ort und Stelle verhandelt werden. Alles Soziale, all das, was wir umverteilen wollen zu Gunsten der Schwächeren in der Gesellschaft, müssen wir dann ganz gezielt durch Transfers erbringen, also direkte Leistungen, die aber über Steuern finanziert werden, weil diese Aufgabe der Umverteilung ist eine Aufgabe, die uns alle gleichermaßen angeht, die nichts mit dem zu tun hat ob ich arbeite oder nicht. Dann kommt es zu einem Grundeinkommen. Das würde ich allen Deutschen gleichermaßen von der Wiege bis zur Bahre als absolutes Existenzminimum auszahlen, und das würde ich über Steuern finanzieren.
Heuer: Wie hoch sollte denn dieses Grundeinkommen sein, Herr Straubhaar?
Straubhaar: Da können dann die politischen Parteien wunderbar miteinander streiten und sagen, wenn wir das sehr tief ansetzen, vielleicht 6000 Euro im Jahr, dann brauchen wir keine hohen direkten Steuern und auch nicht so hohe indirekte Steuern, also Mehrwertsteuer, zu erheben Eine andere Partei, die mehr auf Umverteilung setzen wird, wird vielleicht sagen, wir möchte gerne 8.000 Euro pro Jahr und Person. Dann müssen wir entsprechend die direkten Steuern anheben; wir müssen entsprechend die indirekte Mehrwertsteuer anheben. Dann können die politischen Parteien sich bewerben um die Wählerinnen und Wähler und sagen: Was wollt ihr, mehr Grundsicherung oder weniger Grundsicherung?
Heuer:! Herr Straubhaar, ich verstehe das noch nicht richtig. Selbst bei 8000 Euro pro Jahr, das ist ja eine Summe, von der kein Deutscher oder überhaupt kein Mensch hierzulande wirklich leben kann. Wovon sollen denn die Menschen dann existieren und was hat das mit den Steuern zu tun?
Straubhaar: Das ist erstens ein Grundeinkommen, das an alle gleichermaßen bezahlt wird. Wenn Sie eine vierköpfige Familie haben, haben Sie schon mal 32.000 Euro. Das ist eine Summe, von der heute viele nicht mal erwarten und ausgehen können, dass sie sie wirklich netto verfügbar haben.
Das Zweite: Das soll ja nur das sein, was unabhängig von allen anderen Faktoren fließt. Ich denke, dass die meisten Deutschen sich etwas dazuverdienen wollen und auch werden. Das wird dann nicht mehr mit einem faktischen Mindestlohn wie heute geschehen, sondern mit tiefen Löhnen. Aber das wird dazu führen, dass die Menschen durchaus Anreize haben, viel dazu zu verdienen. Dann kommen dort Summen zusammen, die genügen werden, um in Deutschland zu leben, weil der entscheidende Fehler ist ja, dass wir heute immer vergleichen 7.000 Euro mit einem Preisniveau von heute. Nach meinem Modell werden die Preise und Löhne ja gewaltig sinken und das wird das Leben billiger machen, so dass auch schon ein Euro größere Kaufkraft haben wird.
Heuer: Und wer zahlt dann die Steuern?
Straubhaar: Die Steuern zahlen erstens all jene, die arbeiten, und zwar von der ersten Stunde. Unabhängig davon, wo und wie ich arbeite, kommen, sage ich, mal 25 Prozent direkte Einkommenssteuer, an der Quelle erhoben, damit auch die Umgehung geringer und schwieriger wird. Zweitens die indirekten Steuern, vielleicht auch eine Mehrwertsteuer dann von 25 Prozent. Im Tandem dieser beiden direkten und indirekten Steuern werden genug Steuermittel fließen, weil noch einmal: Wenn es sich lohnt zu arbeiten, werden die Leute arbeiten. Wenn Sie an der Quelle 25 Prozent besteuern, kommt im Volumen eine beträchtliche Summe zusammen.
Heuer: Woran der Arbeitsmarkt, das Wachstum in Deutschland, eigentlich alles, was mit Ökonomie hierzulande zu tun hat, leidet, das sind ja die Sozialsysteme, die überlastet sind. Was würde denn aus diesen Systemen mit Ihrem Modell eines Grundeinkommens?
Straubhaar: Heute ist es ja so, dass wir Arbeit mit einem Strafsteuerfaktor von über 40 Prozent oder am Ende des Jahres vielleicht knapp 40 Prozent belasten, was Arbeit gegenüber Kapitalmaschinen teurer macht, was Arbeit gegenüber dem Ausland teurer macht, was Arbeit gegenüber der Schwarzarbeit teurer macht. In meinem Modell würde ich völlig abschaffen alles, was heute mit dem Etikett soziale Sicherungssysteme bezeichnet wird. Die brauchen wir ja dann nicht mehr, weil wir dieses Grundeinkommen haben, was jedem Deutschen, unabhängig, ob er arbeitet oder nicht arbeitet, ob er jung oder alt ist, pro Monat fix eine Kaufkraft gibt, mit der er mindestens sein Brot und etwas zu essen, Obdach und Kleidung in einem minimalen Ausmaße sich finanzieren kann.
Heuer: Schwarzarbeit und solche Sachen – Sie haben es gerade selber angesprochen – kommen dann nicht mehr vor?
Straubhaar: Doch, ich glaube das werden sie nie ganz ausschließen können. Man darf nicht die Realität mit dem Paradies vergleichen. Man muss zwei realistische Zukunftsvariationen einander gegenüberstellen. Natürlich können sie auch bei einem Steuersatz von 25 Prozent, der an der Quelle erhoben wird, ist der Anreiz da, gleich völlig auf diese Steuer zu verzichten. Sie können die Mehrwertsteuer immer noch umgehen, wenn Sie das wollen. Das will ich nicht ausschließen. Das wird es weiterhin geben, aber in geringerem Umfang.
Heuer: Herr Straubhaar, was immer sich Wirtschaftswissenschaftler, Experten wie Sie zum Beispiel ausdenken, das müsste ja irgendwann dann auch einmal tatsächlich umgesetzt werden. Trauen Sie das den Politikern zu, die wir im Moment in diesem Land haben, dass sie den Mut haben, tatsächlich etwas ganz Neues auszuprobieren?
Straubhaar: Die Umstellung ist für jede Generation schwierig, weil die Zukunft ist von derart großen Herausforderungen, dass sich jede Politikergeneration natürlich drückt, diese Probleme wirklich wasserdicht und nachhaltig anzugehen. Das ist aber nicht nur in Deutschland so, das ist in jedem Land, in jeder Demokratie der Welt genauso. Der entscheidende Punkt ist – und es wäre auch für die Politik viel einfacher -, wenn wir einfach mal beginnen, Wahloptionen schaffen, sagen, du kannst entweder nach dem alten oder nach dem neuen System dich grundversichern oder dem neuen System angehören. Wahlmöglichkeiten und Optionen schaffen, das ist wichtig, und dann schrittweise alle neuen, alle Neugeborenen automatisch ins neue System nehmen und dann während langen Übergangsfristen halt beide Systeme nebeneinander führen.
Heuer: Thomas Straubhaar, der Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Straubhaar.
Straubhaar: Gerne geschehen.