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Wirtschaftswissenschaftler Löhr zum Mieterschutzgesetz
Neue Bodenpolitik effektiver als Mietpreisbremse

Die Mietpreisbremse kuriere nur Symptome, sagt Professor Dirk Löhr von der Hochschule Trier. Hauptproblem sei der Bodenmarkt. Die Kommunen sollten durch ein Vorkaufsrecht günstig Boden erwerben können, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Damit ließen sich die gröbsten Auswüchse verhindern.

Dirk Löhr im Gespräch mit Sina Fröhndrich |
    Ein Kran überragt im Neubaugebiet Widdersdorf-Süd in Köln (Nordrhein-Westfalen) im Bau befindliche Häuser. Auf etwa 1200 Baugrundstücken entstehen hier Ein- und Mehrfamilienhäuser.
    Bodenmarkt verhindert Entstehung von Wohnraum (Henning Kaiser/dpa)
    Sina Fröhndrich: Die Bundesregierung will den Anstieg der Mieten aufhalten - denn Mieten, so sagt es vor allem die SPD, seien die neue soziale Frage. Doch kann das Mieterschutzgesetz eine angemessene Antwort darauf sein? Das habe ich Dirk Löhr gefragt, er ist Professor für Ökologische Ökonomik an der Hochschule Trier. Ist das nun der große Wurf?
    Dirk Löhr: Meines Erachtens ist es besser, als nichts zu tun. Aber es ist am Schluss ein Kurieren an Symptomen. Eigentlich müsste man viel weiter vorne anfangen, nämlich am Bodenmarkt, denn der Bodenmarkt ist ein vorgelagerter Markt und die Problematik, die wir derzeit haben, nämlich die hohen Mieten, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, hängt damit zusammen, dass nicht so viel Wohnungen entstehen können, wie entstehen müssten.
    Fröhndrich: Kann man dann sagen, dass der Boden am Ende so was ist wie der Flaschenhals? Das steht am Anfang, erst muss man das klären und dann hängt alles andere auch davon ab, Mieten und auch Immobilienpreise?
    Löhr: Ganz genau. Der Bodenmarkt ist der Flaschenhals. Das bedeutet nicht, dass man an den anderen Stellen nichts tun soll, aber das ist eigentlich der wichtigste Punkt. Dabei ist die Regierung allerdings nicht untätig gewesen. Es gibt ja eine Kommission, die für Baulandmobilisierung und Bodenpolitik neue Vorschläge erarbeiten soll. Wir müssen mal gucken, was dabei herauskommt.
    "Kommunen sollten Vorkaufsrechte haben"
    Fröhndrich: Was wären das denn für Vorschläge? Wenn wir jetzt über Bodenpolitik sprechen, was müsste denn da am Ende passieren?
    Löhr: Diverse Maßnahmen, um den Boden besser mobilisieren zu können. Da setzt vieles bei den Kommunen ein. Die Kommunen brauchen einfach bessere Möglichkeiten, um überhaupt an Boden zu gelangen. Beispielsweise gibt es ja die Möglichkeit, kommunale Vorkaufsrechte auszuüben. Das ist allerdings gerade mit Blick auf Bodenvorratspolitik und so weiter so restriktiv gestaltet, dass es faktisch ausfällt als Instrument.
    Fröhndrich: Das heißt, Kommunen haben meistens gar nicht den Zugriff auf Boden, selbst wenn sie jetzt sagen würden, sie möchten Zugriff haben? Das Vorkaufsrecht ist faktisch oft gar nicht umsetzbar?
    Löhr: Genauso ist es und es gibt auch noch haushaltsrechtliche Regelungen, mit denen den Kommunen das Leben schwergemacht wird.
    Fröhndrich: Was wäre denn der Vorteil, wenn die Kommunen verstärkt an den Boden herankommen oder Grundstücke in den Städten erwerben können? Hätten wir dann am Ende tatsächlich auch die Gewissheit, dass wir bezahlbaren Wohnraum darauf schaffen könnten?
    Löhr: Die Gewissheit nicht, aber wir können zumindest so steuern, dass die gröbsten Auswüchse nicht mehr stattfinden. Zum Beispiel gibt es ja entsprechende Maßnahmen in München und auch in anderen Städten wie Münster, wo beispielsweise gesagt wird, wenn da ein Investor tätig sein will, dann muss er sich einmal an den kommunalen Kosten für die Baulandbereitstellung beteiligen, aber zum zweiten auch einen bestimmten Prozentsatz bezahlbaren Wohnraum anbieten. Das geht natürlich nur dann, wenn die Kommune in der Position ist, rechtlich und auch tatsächlich mit Boden, der in ihrer Hand ist, dieses einfordern zu können.
    "Mit Immobilien lassen sich beträchtliche Renditen erzielen"
    Fröhndrich: Wie ist es denn im Moment, wenn wir noch mal einen Schritt zurückgehen? Welche Rendite lässt sich denn im Moment mit Boden machen? Wie passiert das?
    Löhr: Mit Boden selber, da wird ja eigentlich nicht gerechnet, sondern es wird auf die gesamte Immobilie gerechnet, und da kann man sagen, wir befinden uns gerade in einer Niedrigzinsphase und da lassen sich schon noch sehr hohe Renditen erwirtschaften. Das hängt letztlich nicht damit zusammen, mit der Bausubstanz oder so, sondern mit den Engpässen, die im Bodenmarkt bestehen. Letztlich sind die Renditen, die derzeit noch erzielt werden bei der Entwicklung und bei der Vermietung von Grundstücken, auch auf diesen Flaschenhals Bodenmarkt zurückzuführen.
    Fröhndrich: Jetzt haben Sie einige Kommunen schon angesprochen, München, auch Münster. Es wird auch immer gern auf Ulm verwiesen. In Ulm geht man ja auch schon ziemlich lange einen anderen Weg in der Bodenpolitik. Vielleicht beschreiben Sie den noch mal kurz.
    Löhr: Ja. Ulm betreibt schon seit, ich glaube, 120 Jahren eine strategische Bodenvorratspolitik. Ich glaube, eine Fläche von zirka einem Drittel des Stadtgebietes ist in der Hand der Stadt und dementsprechend hat auch Ulm ein entsprechendes Steuerungspotenzial. Man muss sich immer fragen, was wäre denn in Städten wie Ulm los, wenn es diese Möglichkeiten nicht gäbe. Es ist da auch nicht alles Gold, was glänzt, aber das ist schon ein Schritt in die richtige Richtung, der da gemacht wurde, und zwar seit langer, langer Zeit.
    "Bodenvorratspolitik muss langfristig angelegt sein"
    Fröhndrich: Und wäre das jetzt noch ein Weg für andere Kommunen, diesen Weg zu übernehmen und diesen Weg zu gehen?
    Löhr: Grundsätzlich ja. Allerdings muss man sehen: Ulm hat eines richtig gemacht, nämlich eine strategische Bodenvorratspolitik, das heißt sehr langfristig angelegt. Wenn jetzt Kommunen feststellen, sie haben keine Steuerungsfähigkeit mehr, was den Bodenmarkt angeht, und jetzt wollen sie anfangen, kurzfristig Bodenvorratspolitik zu machen, dann ist es zu spät. Mit anderen Worten: Sie kommen entweder gar nicht mehr an die Grundstücke, oder zu Mondpreisen kommen sie an die Grundstücke. Das ist eine Politik, die muss man langfristig anlegen. Allerdings kann man auch – und das wird zum Beispiel auch eine Frage sein, die sich diese Kommission zu stellen hat – beispielsweise die Kommunen in die Lage versetzen, hier besser agieren zu können, auch kurzfristig agieren zu können, indem beispielsweise Fonds aufgelegt werden. Da können beispielsweise auch Bürger beteiligt werden, es können revolvierende Fonds sein, die sich aus Verkäufen speisen; da gibt es viele Möglichkeiten, da ist die soziale Fantasie ein bisschen gefragt. Man darf sich nur nicht zu viel erwarten, weil es keine langfristig angelegte Strategie war, wie Ulm das richtigerweise betrieben hat.
    Fröhndrich: Und so ein Fonds, den Sie jetzt beschrieben haben, der sollte dann den Boden aufkaufen?
    Erbbaurecht statt Besitz von Boden
    Löhr: Der sollte den Boden aufkaufen und ich persönlich, ich bin ein großer Fonds davon – das macht Ulm auch anders -, dass nicht weiter verkauft wird, sondern auch der Boden dann in Gestalt von Erbbaurechten vergeben wird. Das heißt, der Boden wird verpachtet und der Pächter kann dann ein Gebäude darauf errichten, das ihm auch selber gehört. Hier hat man auf lange Sicht dann auch eine höhere Steuerungsfähigkeit als bei Volleigentum, denn wenn das Grundstück weg ist, ist es weg, und dann kann man eigentlich sehr wenig noch darauf einwirken.
    Fröhndrich: Der hohe Preis bleibt ja aber trotzdem. Das ist ja trotzdem ein Problem, weil die Bodenpreise sich in den vergangenen Jahren auch enorm nach oben entwickelt haben.
    Löhr: Der hohe Preis bleibt jetzt erst mal. Das ist vollkommen richtig. Aber auch hier gilt es beispielsweise, dass man hier entsprechende Rahmenbedingungen schafft. Wenn beispielsweise eine Kommune die Möglichkeit hätte, entweder selber oder über einen Fonds über ein Vorkaufsrecht ein Grundstück zu erwerben, dann muss natürlich geguckt werden, dass der Preis nicht spekulativ verdorben ist in dem Augenblick, wo die Kommune zugreift. Des Weiteren kann es nicht sein, dass die Kommune irgendwo etwas entwickelt und dann zahlt sie einen Preis, der diese Entwicklungskosten, die sowieso schon bezahlt worden sind, noch mal mit einpreist. Das sind alles Dinge, da muss man den richtigen rechtlichen Rahmen dafür schaffen.
    Fröhndrich: In der Diskussion ist ja auch eine Bodenwertsteuer, dass man die einführt. Wie könnte die aussehen?
    Die Eigenheimsiedlung als "Politik der Vergangenheit"
    Löhr: Eine Bodenwertsteuer würde nicht, wie heute es der Fall ist oder auch in einigen Reformvarianten, die diskutiert werden, es der Fall ist, das aufstehende Gebäude mit besteuern, sondern lediglich den Wert des Grund und Bodens. Das hätte einmal die Folge, dass der Boden stärker mobilisiert würde. Wenn ich meinen Boden nicht brauche oder nicht nutze oder nicht optimal nutzen will, dann werde ich genauso besteuert, als würde ich den Boden optimal nutzen. Mit anderen Worten: Das drängt den Boden in die Nutzung hinein, und das ist genau das, was wir jetzt brauchen. Des Weiteren entlastet es das kompakte Siedeln. Es gibt Anreize dafür, dass kompaktere Wohnformen entstehen.
    Ich sage jetzt etwas ganz Unpopuläres: Die Eigenheimsiedlung, das war eine Politik der Vergangenheit. Das können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten. Wir brauchen andere Bodenformen, kompakteres Siedeln.
    Fröhndrich: Wie könnte das dann aussehen? Wie wohnen wir dann am Ende nach Ihrer Vorstellung?
    Löhr: Das kommt natürlich darauf an, in welche Stadt Sie gehen. In einer Großstadt, da werden Sie höhere Verdichtungen haben, als beispielsweise in einer Kleinstadt. Aber auch in einer Kleinstadt, vor allen Dingen um die großen Metropolen herum, muss mehr Stadt-Umland-Kooperation geschaffen werden, dass die ganz großen Metropolen wie Frankfurt oder München und so weiter oder auch Berlin Entlastung erfahren, denn dort ist das Bauland so knapp, dass allein auf der Fläche dieser Städte die ganze Problematik nicht gelöst werden kann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.