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Wissenschaft in Großbritannien
Mut und Pioniergeist statt Angst vor dem Brexit

Wie es mit Forschung und Lehre in Großbritannien nach dem Brexit weitergeht, ist ungewiss. Doch statt mit Bangen auf den 31. Oktober, den Tag des EU-Austritts, zu warten, geht das Imperial College London einen neuen Weg und setzt mit Mut und Pioniergeist auf neue Kooperationspartner in der Wissenschaft.

Von Sven Weingärtner |
Campus des Keble College. Eines von 39 Colleges, die alle unabhängig sind und zusammen die University of Oxford bilden, 21.04.2012
Austausch erwünscht - Großbritannien will in der europäischen Forschungsgemeinschaft bleiben (imago / Jochen Tack)
Nein, sie habe keine Angst vor dem Brexit, sagt Alice Gast vom Imperial College London. Die Professorin mit deutschen Wurzeln ist Präsidentin einer der renommiertesten Universitäten weltweit. Aber: Auch der beste Ruf hilft wenig, wenn ein großer Teil der Gelder aus europäischen Töpfen kommt.
"Ich denke, es geht um noch mehr als Geld. Die Forschung ist besser und die wissenschaftlichen Entdeckungen sind größer, wenn man international zusammenarbeitet."
Die besten Köpfe zusammenbringen
Alice Gast hat mit ihrem Imperial College die Kooperation gesucht. Die Technische Hochschule München sei erste Wahl gewesen. Im vergangenen Jahr wurde eine strategische Partnerschaft besiegelt, jetzt gerade werden die Einzelheiten ausgearbeitet. Thomas Hofmann:
"Ich glaube, wir brauchen mehr Mut und Pioniergeist, um neue Formen der Kooperation auszuprobieren. Da soll man sich nicht abschrecken lassen von den Rahmenbedingungen. Man kann sich immer in seine Behausung zurückziehen, aber dann wird man auch nie Führung in der Wissenschaft von morgen übernehmen können."
Thomas Hofmann ist der künftige Präsident der TU München. Er lässt sich vom Brexit nicht abschrecken mit einer britischen Hochschule zusammenzuarbeiten – anders als andere europäische Institute, denen die Unsicherheit zu hoch ist und die sich bereits jetzt teilweise zurückziehen.
"Ich glaube dran, dass Wissenschaft keine Grenzen kennt, keine nationalen Grenzen kennt und von der Seite wir gut beraten sind, die besten Köpfe zusammenzubringen."
In ihre Partnerschaft investieren beide Hochschulen selbst – unabhängig davon, wie viele Fördermittel aus EU-Programmen künftig zu erwarten sind. Von diesen Geldern profitieren Deutschland und Großbritannien am meisten. Die britische Wissenschaftslandschaft fürchtet, dass bei einem Austritt Großbritanniens ohne ein Abkommen drastische Einschnitte zu befürchten sind.
Die Unsicherheit ist auch bei Studenten und Lehrenden angekommen. Viele überlegen es sich zweimal, nach Großbritannien zu gehen. Und umgekehrt wissen deutsche und andere europäische Ausländer nicht, was es für sie bedeutet, wenn Großbritannien zum 31. Oktober ohne Deal, ohne Abkommen aus der EU austreten sollte.
Internationale Beziehungen werden wichtiger
"Wir setzen uns dafür ein, weiter in der europäischen Forschungsgemeinschaft zu bleiben. Und wir brauchen eine Einwanderungspolitik, die nach dem Brexit den Austausch von Talenten ermöglicht."
Trotz des guten Rufs beobachtet auch Alice Gast am Imperial College in London vereinzelte Auswirkungen. Noch sei das nicht so signifikant wie bei anderen britischen Hochschulen, aber umso wichtiger werden die internationalen Beziehungen.
Die Partnerschaft mit der TU München ist deshalb vielleicht auch ein Signal für andere Universitäten. Aber es lastet auch ein ordentlicher Druck auf ihr. Thomas Hofmann von der Technischen Universität München glaubt an den Erfolg.
"Auf jeden Fall. Wir würden die Partnerschaft mit und ohne Brexit machen, weil wir meinen, dass wir perfekte Partner für Synergien sind, weil unser Wettbewerber am Ende des Tages nicht in Europa sitzt, sondern in China und USA."
Genau das ist eines der Ziele: Hochschulabgänger darauf vorbereiten, ihre Ideen aus dem Labor weltweit wettbewerbsfähig zu machen und auf den Markt zu bringen.
Für die britische Wissenschaftslandschaft wäre es eine große Erleichterung, wenn weitere deutsche oder andere europäische Hochschulen solche Kooperationen wie das Imperial College London und die TU München eingingen. Tatsächlich ist das derzeit aber eine der wenigen Ausnahmen.