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Mach dir (k)ein Bild

Das Alte Testament warnt vor Götzen, und wer den Propheten Mohammed zeichnet, lebt noch heute gefährlich. Die Uni Erfurt widmet der spannungsreichen Beziehung zwischen Religion und Bild eine Vorlesungsreihe. Aktuelles Anschauungsmaterial gibt es reichlich.

Von Henry Bernhard | 11.05.2016
    ILLUSTRATION - Eine Frau fotografiert am 17.01.2016 im Museum Kunstpalast in D
    Fotografieren verboten! In der Erfurter Vorlesungsreihe "Mach Dir (k)ein Bild" wird der Frage nachgegangen, wie Religionen Bilder und Bilderverbote einsetzen (Monika Skolimowska / picture alliance / dpa)
    "Du sollst Dir kein Bildnis machen." Dieses göttliche Gebot galt beziehungsweise gilt nicht nur im Judentum, sondern ähnlich auch in anderen Religionen, etwa im Islam. Ein Bild birgt die Gefahr, dass nicht Gott, sondern dessen Darstellung angebetet wird. So sehen es zumindest die monotheistischen Religionen und warnen vor dem Götzendienst. So einfach es klingt, so schwierig ist es aber im Detail. Und so setzt die Erfurter Vorlesungsreihe "Mach Dir (k)ein Bild" auch das K in Klammern; aus "Mach Dir kein Bild" wird wahlweise "Mach Dir ein Bild". Ein Hinweis darauf, dass Religionen Bilder nutzen, und dass auch ein Verbot sich ins Verhältnis zum Bild setzt.
    Die Reihe nimmt Bilderpraxis und Bilderkritik in den Religionen unter die Lupe. Konzipiert hat sie Benedikt Kranemann, Professor für Liturgiewissenschaft an der Universität Erfurt. Benedikt Kranemann:
    "Ja, die Vortragsreihe steht dazwischen; wir werden also beide Pole berücksichtigen: Auf der einen Seite die Distanz zum Bild oder auch die Vorgabe, wie man mit Bildern sachgerecht umgehen sollte - also Verehrung, Anbetung: Ja oder nein? Und auf der anderen Seite die Fülle der Darstellungen, die es in den Religionen gibt.
    Wir werden aber sicherlich auch der Frage nachgehen, wie es im Judentum beispielsweise mit Bildern aussieht - wo wir auf der einen Seite das Bilderverbot haben, aber auf der anderen Seite in einer ganz frühen Synagoge wie in Dura Europos, in Syrien, sehen können, dass es auch Bilddarstellungen in Synagogen gegeben hat. Das Ziel wird sein, die ganz unterschiedlichen Praktiken im Laufe der Geschichte in den Blick zu nehmen.
    Bilderstürmer heute
    Die Auseinandersetzung - auch die heftige - um Bilder in den Religionen ist mitnichten eine rein historische. Der Bildersturm hat weltpolitische Weiterungen: Man denke etwa an die Taliban, die die Buddha-Statue von Bamiyan sprengten, und an die Zerstörungen von assyrischen und parthischen Skulpturen durch den IS im Museum von Mossul. An die Auseinandersetzungen um die Mohammed-Karikaturen in der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten im Jahr 2005, bei denen weltweit Dutzende Menschen ums Leben kamen. Oder, aktueller, der Mord an den Zeichnern und Redakteuren von Charlie Hebdo in Paris im vergangenen Jahr. Den Bilderstürmern ging es darum, Zeugnisse anderer Religionen zu zerstören, den Mördern darum, Menschen zu strafen, die den Propheten Mohammed darstellten. Die Kunsthistorikerin Jutta Vinzent stieg mit ihrer Vorlesung gleich ins aktuelle Geschehen ein und zeigte, dass Charlie Hebdo für seine Mohammed-Darstellungen schon Jahre zuvor im Visier der islamischen Fundamentalisten war. Jutta Vinzent sagt:
    "Die iranische Regierung protestierte dagegen und nannte schon im Vorfeld die Veröffentlichung 'eine religiöse Beleidigung' beziehungsweise nach dem Erscheinen 'einen Teil einer zionistischen Islamophobie-Kampagne'. Anfang März 2013 wurde Charbonnier als einer von zehn Persönlichkeiten 'tot oder lebendig wegen Verbrechen gegen den Islam' - und das ist Zitat - in dem dem Al Qaida-Zweig zugeschriebenem Magazin Inspire zur Fahndung ausgeschrieben, mit dem Slogan - und ich zitiere - 'Eine Kugel am Tag schützt vor Ungläubigen.'"
    Auch in Europa können ungewohnte Darstellungen noch provozieren
    Vinzent führte auch aus, dass die Provokation von Seiten der Karikaturisten durchaus gewollt war und das religiöse Bild damit seine Funktion erfüllt hat - auch wenn es von Nichtgläubigen hergestellt und in einem säkularen Umfeld verwandt wurde. Mit einem religiösen Bild zu provozieren oder auch mit der Zerstörung eines Bildes, sei deutlich einfacher als mit Texten, da Bilder stärker emotional aufgeladen seien. Jutta Vinzent sagt:
    "Und das Interessante ist, dass sich bei Religionen, das hat sich ja auch heute Abend gezeigt bei der Ringvorlesung, die Stimmen erhitzen. Und Bilder werden halt für verschiedene Funktionen benutzt."
    Auch im säkularisierten, aber letztlich doch tief vom Christentum geprägten Europa würden bestimmte Reflexe immer noch funktionieren, meint Benedikt Kranemann:
    "Es gibt offensichtlich eine ganz bestimmte Ikonographie, eine ganz bestimmte Vorstellung, was man im Bild darstellen darf. Es gibt eine ganz bestimmte Vorstellung, wie man sich meinetwegen Jesus von Nazareth, Jesus Christus, vorzustellen hat. Und dann stört es, wenn der Gekreuzigte auf dem Kopf stehend dargestellt wird; dann stört es, wenn man ihn mit einer Gasmaske darstellt. Also, das gewohnte Bild wird in Frage gestellt, die Werte, die man damit verbindet, sieht man gefährdet. Und es gibt sicherlich auch die Vorstellung, dass dadurch, dass das Bild etwas ungewohnt darstellt, etwas möglicherweise karikiert, derjenige beschädigt wird, der im Bild dargestellt ist."
    Die Bedeutung der Bilder, nicht nur der religiösen, habe mit der einfachen Erstellung und der raschen Verbreitbarkeit im Zeitalter des Internets erheblich zugenommen. Da Bildern einerseits glaubwürdig wirkten und andererseits sehr leicht manipulierbar seien, eigneten sie sich perfekt für Propaganda. Benedikt Kranemann sagt:
    "Das ist eine gefährliche Mischung und es führt dazu, dass man bestimmte Ideen von Religion, auch die Vermischung von Religion und Gewalt, sehr schnell verbreiten kann. Und es führt - das würde ich als Theologe sagen - auch dazu, dass natürlich Religionen in ein ganz bestimmtes Bild gerückt werden, möglicherweise sogar durch Aktionen relativ kleiner Gruppen, die aber durch die Verbreitung von Bildern eines sehr große Publizität erreichen."
    "Die Bilder des IS legitimieren ihre Gewaltakte"
    Indem wir die Bilder im Internet, im Fernsehen, in Zeitungen rezipieren, helfen wir der Propaganda, sich zu verbreiten und ihre Wirkung zu tun. Eine gesprengte Buddha-Figur, der mit einem stumpfen Messer geköpfte Christ in der Hand des IS, ja sogar der Einschlag der Flugzeuge im World Trade Center ermögliche den zwar nicht genuin religiösen, aber durch eine religiöse Motivation aufgeladenen Bildern erst den Erfolg, den sie beabsichtigen. Benedikt Kranemann:
    "Das ist eine ganz interessante Beobachtung, dieser sehr ambivalente Umgang mit Bildern im Islam heute: Also, auf der einen Seite ist es so, dass es Prophetendarstellungen gibt, die auch deshalb abgelehnt werden, weil sie eben sehr stark karikieren, die ja auch ganz bewußt provozieren wollen. Auf der anderen Seite kann man fragen, ob nicht Richtungen des Islam, die sehr stark mit Bildern arbeiten, also etwa IS und so weiter, nicht schon auch eine sehr säkularisierte Form von Islam sind, und möglicherweise in dem Umgang mit Bildern doch auch demonstrieren, dass hier Religion wie ein Mantel umgehängt wird, um bestimmte politische Aktionen, militärische Aktionen, Gewaltakte zu legitimieren, aber im Grunde doch Grundgeboten des Islam auf dem Kopf herumgetreten wird."
    Mit Bildern Gemeinsamkeiten zwischen Religionen herzustellen oder zu behaupten, mit ihnen zu integrieren statt zu spalten, sei ungemein schwierig, führte Jutta Vinzent noch aus. Vieles müsse man erklären - und am Ende lauere immer noch das Missverständnis.