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Debatte über verlängerte Zulassung
Wissenschaft und Politik bei Glyphosat-Plänen der EU uneins

Ein EU-Ausschuss berät heute über die Zukunft des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, das umstrittene Herbizid für weitere zehn Jahre zuzulassen. Sie beruft sich dabei auf eine Einstufung der Lebensmittelbehörde, die den Einsatz von Glyphosat als unkritisch bewertet hatte.

    Ein Traktor spritzt auf einem Maisfeld.
    Von Weizen über Mais bis Raps: Bis zu 40 Prozent der deutschen Äcker werden mit Glyphosat gespritzt. (picture alliance / ZB / Patrick Pleul)
    Forschende bewerten das unterschiedlich. Der Wiener Ökologe Johann Zaller sprach etwa von einer "Verhöhnung der ökologischen Wissenschaften". Der Vorschlag der EU-Kommission offenbare ein systematisches Leugnen des dramatischen Rückgangs der Biodiversität. Auswirkungen auf Bodenorganismen und Bodengesundheit würden im Vorschlag nicht einmal erwähnt, obwohl die Kontaminierung der Böden in ganz Europa mit Glyphosat evident sei.
    Die Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen, Rita Triebskorn, bezeichnete eine mögliche weitere Zulassung als "inakzeptabel".
    Christoph Schäfers vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie hält den Vorschlag der EU-Kommission dagegen für angemessen. Durch die Beschränkung auf zehn statt der üblichen 15 Jahre werde deutlich gemacht, dass es sich um eine besonders zu beobachtende Substanz handele. Das wesentliche Problem von Glyphosat sei sein Einsatz in extrem großem Umfang, so Schäfers. Wenn dieser im Zuge der neuen Regulation eingeschränkt werde, sei bereits viel erreicht - auch wenn eine Produktion gänzlich ohne Herbizide letztlich besser sei.

    Ampel-Koalition gespalten

    Die Regierungskoalition ist beim Einsatz von Glyphosat uneins. Landwirtschaftsminister Özdemir von den Grünen lehnt das Mittel ab. Er argumentiert, solange nicht ausgeschlossen werden könne, dass Glyphosat der Biodiversität schade, sollte die Genehmigung in der EU auslaufen.
    FDP-Fraktionsvize Carina Konrad dagegen warb für die Zulassung. Die Agraringenieurin sagte im ZDF, Glyphosat sei ungefährlich, wenn es fachgerecht eingesetzt werde. Außerdem gebe es keine wirksame Alternative, die nicht ähnliche Auswirkungen auf die Artenvielfalt habe.

    Einsatz auf vielen Feldern in Deutschland

    Glyphosat ist ein Totalherbizid, das heißt es wirkt auf alle grünen Pflanzen. Die aktuelle Zulassung in der EU läuft noch bis zum 15. Dezember. Die EU-Mitgliedsländer debattieren das Thema im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel, im EU-Jargon ScoPAFF. Der Wirkstoff wurde 1974 vom US-Konzern Monsanto entwickelt. Seit im Jahr 2000 das Patent auslief, sind auch preisgünstigere Varianten zahlreicher anderer Hersteller erhältlich.
    Die Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO hatte Glyphsat 2015 als "wahrscheinlich krebserzeugend" eingestuft, andere WHO-Einrichtungen kamen zu einer anderen Einschätzung. Glyphosat ist eines der meistverkauften Pestizide der Welt. In Deutschland wird es laut Umweltbundesamt auf circa 40 Prozent der Felder eingesetzt.
    Diese Nachricht wurde am 24.09.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.