Es hätte sie ihre Karriere kosten können. Trotzdem - wenn Pamela Ronald über den größten Fehler ihrer Laufbahn spricht, klingt die Professorin für Pflanzengenetik der UC Davis in Kalifornien als würde sie einen guten Witz erzählen:
"Also, ich kann da eine sehr gute Geschichte erzählen: Wir hatten eine wirklich aufregende Studie im Magazin Science veröffentlicht. Kurz darauf fingen neue Mitarbeiter in meinem Labor an und ihnen gelang es nicht, einige der Experimente zu reproduzieren. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Wir fanden heraus, dass wir falsche Informationen veröffentlicht hatten!"
In dem 2009 erschienen Artikel hatten die Wissenschaftler ein Protein identifiziert, an dem Reispflanzen schädliche Bakterien erkennen und abwehren können sollten. Das ax21 genannte Bakterienprotein hätte damit eine Schlüsselrolle für die Entwicklung von krankheitsresistentem Reis gespielt. Als sie ihre eigenen Ergebnisse nicht reproduzieren können, begeben sich die Wissenschaftler auf Fehlersuche:
"Natürlich habe ich mich auch mit der alten Gruppe zusammengesetzt, die den Fehler gemacht hatte. Wir sind alle Daten und Arbeitsschritte noch einmal durchgegangen. Sie konnten erst gar nicht glauben, dass ein Fehler passiert wäre! Das war auch emotional nicht leicht. Aber alle waren sich einig was getan werden musste und das war sehr hilfreich."
Es stellte sich heraus, dass die Bakterienstämme nicht richtig beschriftet waren. 2013 zieht die Gruppe ihre Publikation mit den falschen Ergebnissen aus eigenem Antrieb zurück. Um die Karriere ihrer neuen Mitarbeiter nicht zu gefährden, stellt es Pamela Ronald ihnen frei, ob sie bei der Aufarbeitung helfen, oder lieber an anderen Projekten arbeiten wollen.
"Mit der Zeit ergab es sich, dass die neuen Postdocs sich doch in die Sache knieten. Denn sobald klar war, dass wir einen Fehler gemacht hatten, wussten wir auch, dass die richtige Lösung noch zu finden war."
Damit nicht noch einmal ein Fehler unterläuft, ändern die Wissenschaftler die Arbeitsabläufe im Labor. Jedes Experiment wird zwei Mal, von jeweils unterschiedlichen Personen durchgeführt. Zusätzlich arbeiten die Forscher oft "blind". Also ohne zu wissen, welchen Bakterienstamm sie im laufenden Experiment verwenden. So verhindern sie, dass Ergebnisse durch Erwartungen falsch interpretiert werden.
Neue Ergebnisse vom Kritiker überprüfen lassen
Besonders akribisch wird aber auf eine ganz einfache Regel geachtet, erklärt Benjamin Schwessinger. Der gebürtige Deutsche ist einer der Postdocs, die maßgeblich zur Aufdeckung des Fehlers beigetragen haben:
"Und die andere Sache, die wir dann auch noch gemacht haben war, wenn Bakterienlinien zwischen Leuten im Labor ausgetauscht wurden, dass - obwohl es dein Banknachbar ist - jeder den Genotyp sofort festgestellt hat, damit man dann eben nicht mit etwas Falschem arbeitet."
Mühe, die sich lohnt: Nach vielen Monaten Laborarbeit sind er und seine Kollegen sich sicher - nicht ax21, sondern ein Protein namens RaxX ist der wirkliche Signalgeber für die Immunabwehr der Reispflanzen.
Um die letzten Zweifel aus dem Weg zu räumen, greift Pamela Ronald zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: Sie lässt die neuen Ergebnisse noch einmal im Labor eines Kritikers überprüfen. Georg Felix, Professor am Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen in Tübingen, gehörte zu den ersten, die den ursprünglichen Befunden der amerikanischen Gruppe infrage stellten. Seinen Mitarbeitern war es nicht gelungen, Ergebnisse zu reproduzieren noch bevor die Ronald-Gruppe selber Verdacht geschöpft hatte.
"Es ist also eine klare Aufräumarbeit, wo man ehrlich bemüht ist, einen Fehler zu korrigieren. Und den gleichzeitig in einem unabhängigen Labor quasi nachvollziehen lässt. Das erscheint mir schon ein Vorbild und könnte auch in anderen Fällen wirklich hilfreich sein."
Unter Wissenschaftlern gilt die radikale Aufarbeitung der Ronald-Gruppe als das Paradebeispiel für den Umgang mit Fehlern. Sogar die kritischen Beobachter des Blogs "Retraction Watch" die sich nicht scheuen Fehltritte von Forschern namentlich anzuprangern, loben die wissenschaftliche Integrität. Hart verdiente Lorbeeren. Aber auch ohne das Lob anderer kann Benjamin Schwessinger der Erfahrung Gutes abgewinnen:
"Ich glaub wir sind auch alle bessere Wissenschaftler geworden. Ich glaub wir schauen auch alle zweimal hin, selbstkritisch, ob diese Ergebnisse die wir haben denn auch wirklich das widerspiegeln, was sie sein sollen. Und auch so wie man Wissenschaft betreiben möchte, da sind wir alle gestärkt heraus gegangen."