Michael Böddeker: Befristete Verträge, viel Unsicherheit, schlechte Bezahlung. Wenn man als junger Wissenschaftler an der Hochschule arbeitet, muss man sich mit diesen Problemen auseinandersetzen. Abhilfe schaffen soll eine Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, über die heute abschließend in Berlin beraten wird, bevor der Entwurf dann in den Bundestag geht.
Gestern haben wir hier bei "Campus und Karriere" schon über die Probleme der studentischen Beschäftigten an den Hochschulen gesprochen, aber viele bleiben ja nach ihrem Abschluss noch an der Hochschule, um dort noch eine akademische Laufbahn einzuschlagen, und werden dann zu wissenschaftlichen Mitarbeitern. Und für die ergeben sich dann weitere Probleme. Darüber spreche ich jetzt mit Bernhard Kempen, er ist Präsident des Deutschen Hochschulverbandes DHV. Guten Tag, Herr Kempen!
Bernhard Kempen: Guten Tag!
"Ein dauerhafter Zustand der Stagnation"
Böddeker: Wenn man eine akademische Laufbahn einschlägt, dann kann ja das Ziel irgendwann später eine Professur sein. Der DHV hat sich jetzt angesehen, wie es bei diesen Stellen aussieht. Was kam dabei heraus, gibt es genug Stellen für die Nachwuchswissenschaftler?
Kempen: Nein, leider nicht, ich habe da keine guten Nachrichten. Wir haben uns angeschaut, wie die Stellenentwicklung der letzten Jahre war, und wir haben festgestellt, nein, wir befinden uns in einem dauerhaften Zustand der Stagnation. Das heißt, die Professorenstellen werden nicht wirklich mehr, insbesondere nicht in Relation zu den Studierendenzahlen, das muss man immer hinzufügen, und das ist keine gute Nachricht für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Wir haben so viele Personen als wissenschaftlichen Nachwuchs wie noch nie und leider haben wir nicht einen entsprechenden Auswuchs bei den Professorenstellen.
Böddeker: Das heißt, es ist auch so, dass immer mehr Nachwuchswissenschaftler später auch eine Professur anstreben?
Kempen: Es streben natürlich nicht alle, die sich als wissenschaftliche Mitarbeiter an den Hochschulen befinden, eine Professur an, aber eben doch ein großer Teil. Und wir wissen, dass heute von sechsen, die auf eine Professur wollen, nur einer es schafft. Das war vor wenigen Jahren noch anders, da war die Relation etwa eins zu vier. Also, das hat sich wirklich verschlechtert, ich kann es nicht anders sagen. Ich würde gerne eine erfreulichere Nachricht hier loswerden, aber es ist leider nicht so. Und ich denke, wir sind alle aufgerufen, jetzt intensiv daran zu arbeiten, wie diese Situation sich verbessern kann.
Böddeker: Genau, denn vielleicht haben Sie ja auch Ideen, wie man dieses Problem lösen könnte? Gibt es da Ideen vonseiten des DHV?
Kempen: Ja, wir haben ganz viele Vorschläge gemacht. Erstens mal wollen wir strukturell etwas ändern, wir sind auch nicht so ganz zufrieden damit, wie und auf welche Art und Weise der wissenschaftliche Nachwuchs heute auf eine Professur kommt, das ist das eine Thema. Das andere Thema ist aber, wir können wir dafür sorgen, dass von den über 140.000, die sich heute sogenannter Mittelbau nennen, also in einem befristeten oder teilweise auch unbefristeten Beschäftigungsverhältnis unterhalb der Professorenebene an der Universität beschäftigt sind, wie können wir dafür sorgen, dass von denen doch eine deutlich größere Zahl eine Chance hat, auf eine Professur zu kommen.
Und da müssen mehrere Maßnahmen ergriffen werden. Zunächst mal sind hier die Länder in einer Bringschuld, die müssten deutlich mehr Mittel in die Universitäten geben und mehr Professorenstellen schaffen, das liegt in der Verantwortung der Landesgesetzgeber und insbesondere der Haushaltsgesetzgeber in den Ländern; aber auch der Bund kann ein Stück gesamtstaatliche Verantwortung wahrnehmen und hier tätig werden. Er will das ja auch tun, aber ich glaube, da müssen wir noch über viele Details reden.
DHV will Assistanzprofessor einführen
Böddeker: Ja, lassen Sie uns ruhig etwas konkreter werden! Sie haben vom DHV aus zum Beispiel auch schon eine neue Personalkategorie vorgeschlagen, die Assistenzprofessur. Wie könnte das aussehen?
Kempen: Wir sind der Auffassung, dass junge Menschen, die eine wissenschaftliche Karriere an der Universität anfangen und Professor werden wollen, dass man die in Ruhe lassen muss. Das heißt, dass die aus einem Beschäftigungsverhältnis herauskommen und sich ganz auf ihre Qualifikation konzentrieren sollen.
Wir denken, dass in einem sechsjährigen Zeitfenster diese Leistung gebracht werden kann, das Ganze muss allerdings intensiv begleitet werden von entsprechenden Personalentwicklungsmaßnahmen. Dann haben wir erstens mal sichergestellt, dass die hohe Qualität der wissenschaftlichen Höchstqualifikation in den Universitäten auf Dauer erhalten bleibt, wir haben aber auch dafür gesorgt, dass dieser Karriereweg attraktiv bleibt für die Besten der Besten. Und ich denke, dass das eine gute Idee ist.
Wir nennen das Ganze Assistent Professor, das gefällt uns besser als die etwas, wie soll man sagen, seltsame Bezeichnung Juniorprofessor, aber es ist auch ein inhaltlicher Unterschied. Der Juniorprofessor ist sozusagen auf sich gestellt, er soll sich sechs Jahre lang bewähren, der Assistent Professor ist doch schon eingebunden in ein System, in ein begleitendes System der Personalentwicklung, und das halten wir für ganz essenziell.
"Ganz ohne Befristung wird es nicht gehen"
Böddeker: Mal abgesehen von den Professuren, die – Sie sagten es ja eben schon – ohnehin nur für relativ wenige Nachwuchswissenschaftler infrage kommen, wie steht es grundsätzlich um die jungen Wissenschaftler, die an den Hochschulen beschäftigt sind?
Kempen: Ich will mal ein paar Zahlen sagen: Wir haben momentan etwa 25.000 bis 26.000 Promotionen pro Jahr. Die 26.000 wollen nicht alle auf eine Professur, das wäre auch schlimm, wenn das so wäre. Sondern die wollen mit dieser Leistung den Nachweis bringen, dass sie zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit in der Lage sind. Aber sie wollen das dann einbringen in anderen Berufen, die die Gesellschaft bereithält, also etwa als Anwalt, als Notar, als Arzt oder auch als Biologe oder Chemiker in den Naturwissenschaften.
Also, wir haben da viele Bereiche, in denen gottlob die Promovierten nicht in der Uni bleiben wollen. Das ist auch gut und vernünftig so. Aber diejenigen, die bleiben wollen, die also sehr hoch qualifiziert sind mit einer Promotion und die weitermachen wollen in der Universität, um dort eine Professur zu erreichen, für die müssen wir was tun.
Böddeker: Jetzt gerade wird ja über die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes diskutiert, ein paar Eckpunkte sind auch schon bekannt, zum Beispiel sollen extrem kurze Befristungen seltener werden, andererseits soll es aber wohl keine Mindestlaufzeiten geben. Wie beurteilen Sie vom DHV diese geplante Novelle?
Kempen: Also, es ist so, ganz ohne Befristung wird es nicht gehen, wir werden Befristung brauchen, sonst verstopfen wir auch die Universität. Und das heißt, dann sind wir sozusagen vollgelaufen mit Lebenszeitstellen und haben überhaupt keine Fluktuation, keine Mobilität mehr.
"Keine Befristung nach Gutsherrenart"
Andererseits wollen wir aber auch nicht haben, dass Befristungen sozusagen nach Gutsherrenart verteilt werden, du kriegst jetzt mal einen Vertrag für drei Monate und dann noch mal einen für vier Monate, nur damit der Arbeitgeber eine sehr große Freiheit hat, sich jederzeit von einem vielleicht dann doch nicht so bequemen Mitarbeiter zu trennen. Also, da sind wir schon der Meinung, dass diese Novelle, der wir jetzt gegenüberstehen, dass die sinnvoll und richtig ist.
Böddeker: Sagt Bernhard Kempen vom Deutschen Hochschulverband. Mit ihm habe ich über die Lage für den wissenschaftlichen Nachwuchs an den Hochschulen gesprochen. Vielen Dank für das Gespräch!
Kempen: Sehr gerne, danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.