Die Fotos zeigen einen Mann, der eine lebensgroße Frauenpuppe liebkost. Er umarmt sie, lackiert ihr die Nägel. Der dazugehörige Artikel erzählt die Geschichte dahinter: Es geht um einen Anwalt, der eine Puppe liebt. Aber auch Wissenschaftler kommen in dem Text zu Wort: Können wir Gefühle für leblose Objekte entwickeln? Das Thema ist typisch für das Wissenschaftsmagazin "Science Notes". Bernd Eberhart ist einer von zwei Redakteuren.
"Wir möchten Leuten Lust machen auf Wissenschaft und auch auf Wissenschaftsjournalismus, die jetzt eigentlich nicht zu dieser klassischen Zielgruppe gehören, sondern die vielleicht normalerweise eher in so einem Gesellschaftsmagazinbereich zu Hause sind, aber eigentlich schon auch davon überzeugen lassen, dass Wissenschaft spannend ist."
Mehr als Meldungen zu Studienergebnissen
Das aktuelle Heft dreht sich um "Simulation und Wirklichkeit". Darin kommen nicht nur Roboterforscherinnen zu Wort, sondern beispielsweise auch ein Archäologe, der Computerspielwelten erforscht. Meldungen zu aktuellen Studienergebnissen sucht man hingegen vergebens.
"Das ist eben das, was wir nicht machen wollen. Wir möchten das Ganze als runde Geschichte erzählen, die einzelnen Themen und eben Wissenschaft an sich auch, und dazu gehören eben nicht nur einzelne Ergebnisse, sondern das ist ja immer ein wahnsinnig langer Prozess, der aufbaut auf anderen Ergebnissen, wo sich gestritten wird untereinander."
Neben den Inhalten gehört die Aufmachung zum Konzept: "Science Notes" ist ein Designheft, das nicht nur zum Schmökern auf dem Sofa einlädt, sondern sich auch auf dem Couchtisch gut macht. Das dicke Papier zieren stilvolle Grafiken und außergewöhnliche Schriftarten. So will die Redaktion eine Brücke aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm mitten in die Gesellschaft schlagen. Chefredakteur Thomas Susanka:
"Ich glaube einfach, dass die Forschung und die Wissenschaft unheimlich viel zu sagen hat der Gesellschaft, und wir leben in einer Zeit, in der man diese Forschung hören muss. Es gibt so viele Herausforderungen und Wissenschaft bietet Antworten."
"Kommunikation der Wissenschaft über sich selbst wird lauter"
Mit dem Anliegen, Forschung populär zu vermitteln, ist die "Science Notes"-Redaktion nicht allein: Ideen dafür kommen nicht nur aus dem Journalismus. Hochschulen und Forschungseinrichtungen twittern, podcasten und bloggen schon längst auf ihren eigenen Kanälen. Franco Zotta, Geschäftsführer der Wissenschaftspressekonferenz, sieht das kritisch:
"Das, was wir jetzt erleben, ist ja, dass die Krise des Journalismus nicht etwa dazu führt, dass weniger im öffentlichen Raum sichtbar wird an Inhalten, sondern dass die Freiräume, die der Journalismus schafft, dadurch, dass er eben weniger berichten kann durch nachlassende Ressourcen, die werden ja gefüllt von anderen. Und dadurch verschwimmen eigentlich weniger die Grenzen zwischen Journalismus und PR, als vielmehr dass der Journalismus in seiner Lautstärke runtergedimmt wird und gleichzeitig die selbstvermittelte Kommunikation der Wissenschaft über sich selbst lauter wird."
Dabei müsse Forschung auch von außen, also von Journalisten, beobachtet werden, fordert Zotta. Umso besser findet er, dass sich die "Science Notes"-Macher der unabhängigen, kritischen Berichterstattung verpflichtet fühlen - auch wenn die Redaktion in Räumen der Uni Tübingen sitzt. Für die Texte setzt das Magazin auf professionelle Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten. Eine von ihnen ist Eva Wolfangel, 2018 zur Europäischen Wissenschaftsjournalistin des Jahres gekürt. Sie hat für das aktuelle Heft eine Reportage über Virtuelle Realität beigesteuert.
"Science Notes" nur durch Stiftungsförderung möglich
"Das ist das, was, finde ich auch, meine oder auch unsere Verantwortung ist als Journalisten: den Leuten das so nahezubringen, dass die Schwelle nicht zu hoch ist. Weil jetzt gerade bei den Technikthemen natürlich die Frage ansteht, wie wird sich die Gesellschaft verändern durch Technologie und was müssen wir als Gesellschaft auch jetzt entscheiden, damit es gut wird. Ich finde, man muss gut aufpassen, insgesamt bei solchen Sachen, dass man eben dann nicht zu plakativ wird, aber das macht 'Science Notes' genau richtig. Es geht schon um Wissenschaft, es geht nicht nur darum, Geschichten zu erzählen, und das finde ich auch ganz wichtig daran."
Ebenfalls wichtig: "Science Notes" zahlt marktübliche Honorare. Möglich ist das, weil die Klaus-Tschira-Stiftung das Magazin fördert. Nur so lässt sich ein solch aufwendiges Heft fast werbefrei für sechs Euro pro Stück anbieten.
"Science Notes" ist ein Experiment. Die Startauflage von 5.000 Stück lag vor allem in Bahnhofsbuchhandlungen aus. Zumindest das erste Heft, das vor einem guten Jahr erschien, ist inzwischen fast ausverkauft. Für zwei weitere Ausgaben hat die Tschira-Stiftung Geld zugesagt - danach entscheidet sie, wie es mit "Science Notes" weitergeht.