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Wissenschaftsminister einigen sich
"Ein Nullsemester wäre keine gute Option"

Das Sommersemester solle stattfinden, darauf habe man sich im Kreis der Länder geeinigt, sagte die grüne Wissenschaftsministerin in Baden-Württemberg, Theresia Bauer. Die Hochschulen sollten alles dafür tun, um digitale Formate in der Lehre jetzt verstärkt umzusetzen.

Theresia Bauer im Gespräch mit Kate Maleike |
Leerer Hörsaal, Stuhlreihen
Das Sommersemester 2020 soll stattfinden, so wollen es die Wissenschaftsminister der Länder (unplash.com / Nathan Dumlao)
Das Sommersemester an den Hochschulen soll in diesem Jahr trotz Coronakrise in ganz Deutschland stattfinden und am 20. April beginnen. Darauf haben sich nach Angaben der Hamburger Bildungsverwaltung die Wissenschaftsministerien der Bundesländer verständigt.
Ziel sei es, dass die Lehrangebote zunächst möglichst umfangreich digital angeboten würden, so die Hamburger Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). Zudem würden Bewerbungs- und Zulassungsfristen für das Wintersemester angepasst, um den veränderten Abiturprüfungszeiten Rechnung zu tragen. Konkrete Daten würden in den nächsten Wochen abgestimmt.
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Über die Beschlüsse zum Sommersemester haben wir mit Theresia Bauer (GRÜNE), Wissenschaftsministerin von Baden-Württemberg, gesprochen.
"Sommersemester findet erkennbar unter anderen Bedingungen statt"
Kate Maleike: Was haben Sie denn entschieden, worauf haben Sie sich verständigt?
Theresia Bauer: Die Entscheidung ist noch nicht fertig, sie ist vorbereitet aber. Es war uns daran gelegen, dass wir bundesweit so viel Klarheit und Planungssicherheit und Einheitlichkeit herstellen wie irgend nötig, damit die Studierenden und Hochschulen wissen, wo sie dran sind und auch Dinge wie Hochschulwechsel in Zukunft möglich sind. Wir haben uns darauf verständigt im Grundsatz, dass wir das Sommersemester nicht verloren geben wollen. Das Sommersemester findet erkennbar unter anderen Bedingungen statt und wird Kreativität und Improvisation nötig machen, aber es soll nicht verlorengehen. Wir werden Anpassungen vornehmen müssen bei der Frage des Hochschulzugangs für die Erstsemester, werden dabei also ein bisschen zeitliche Flexibilität benötigen, weil die Abiturprüfungen zum Teil verschoben werden, aber wir glauben, dass wir mit leichten zeitlichen Anpassungen dann das Wintersemester normal durchführen können. Lediglich der Vorlesungsbetrieb wird sich womöglich leicht verzögern.
Theresia Bauer (Bündnis 90/Die Grünen), Wissenschaftsministerin von Baden-Württemberg, nimmt an einer Pressekonferenz teil.
Die Hochschulen bräuchten auch einen sicheren rechtlichen Rahmen und mehr Gelder, um die Lehre digital zu gestalten, sagte Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) (Marijan Murat/dpa/picture alliance )
"Beschleunigte Umstellung auf neue digitale Formate"
Maleike: Also der Präsenzbetrieb, der wird natürlich so lange ausgesetzt wie es Kontaktsperren gibt, und da wissen wir ja alle heute noch nicht, wie lange das dauern wird. Heißt also, Sie sind sich auf der Bundesebene einig, alle Bundesländer ziehen da mit, oder gibt es wieder so ein, ich sage mal, Gerangel wie beim Abitur, wo ja einige auch verschoben haben und die anderen haben stattfinden lassen, wo es erst mal so eine Findungsphase gab?
Bauer: Alle Länder sind sich einig, dass ein Nullsemester keine gute Option wäre, weil es auch die Hochschulen völlig alleine lassen würde, aber auch die Studierenden mit der Frage, was kann ich tun, was wird mir angerechnet. Uns ist wichtig, dass dieses Semester genutzt wird für eine beschleunigte Umstellung auf neue digitale Formate und dass wir gleichzeitig aber im Blick behalten, so etwas wie einen Nachteilsausgleich für Studierende, weil wir nicht wissen, wie kompliziert es ist. Wir wissen nicht, wie gut diese Angebote funktionieren werden. Das wird sich auch unterschiedlich gestalten, je nachdem, ob man ein Praxissemester vorhat oder mal Veranstaltungen im Labor machen muss. Es ist ja unterschiedlich. Deswegen wollen wir, dass für die Studierenden bestmöglich ein Nachteilsausgleich gewährleistet ist. Die Hochschule aber soll alles dafür tun, Studienbetrieb unter diesen neuen Bedingungen zu ermöglichen.
"Individuelle Exit-Optionen für Studierende ermöglichen"
Maleike: Das ist ja aber nicht so einfach, den Präsenzunterricht quasi sofort und von heute auf morgen dann online zu gestalten, auch Erstsemesterveranstaltungen dann komplett online zu machen. Was meinen Sie mit Ausgleich, Nachteilsausgleich für die Studierenden?
Bauer: Na ja, wir werden Möglichkeiten brauchen in Sachen BAföG zum Beispiel sowieso, Möglichkeiten eröffnen müssen, dass man, auch wenn man länger studiert, das BAföG nicht verlorengeht. Ich meine auch, dass man sowas wie individuelle Exit-Optionen ermöglichen muss, sodass man, sofern man nicht studieren kann, womöglich sogar nicht online studieren kann, dann dieses Semester ohne individuelle Nachteile bei der Regelstudienzeit zu haben, im Wintersemester dann fortführen kann.
Finanzielle Unterstützung für die Digitalisierung der Lehre
Maleike: Sie haben jetzt gesagt, ich meine. Das bedeutet aber dann auch, Sie haben ja vorhin gesagt, Sie haben sich verständigt, dass das dann bundesweit gilt?
Bauer: Wir sind ja noch im Gespräch. Die Entscheidungen werden ja gerade vorbereitet, und manche Konsequenzen im Einzelnen werden auch noch mal auszubuchstabieren sein Stück für Stück. Wir haben jetzt die Rahmendaten festgelegt, das Semester soll nicht verlorengehen, wir werden zeitlich das Nötige anpassen, aber möglichst wenig an Veränderung, und wir bitten unsere Hochschulen und arbeiten mit ihnen auch daran, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu bekommen und am besten auch die finanzielle Unterstützung, das digitale Format jetzt verstärkt umzusetzen.
"Besonders heikle Situation" für ausländische Studierende
Maleike: Wir haben jetzt viele über den deutschen Betrieb sozusagen gesprochen. Es gibt ja auch viele Studierende, die dann aus dem Ausland kommen. Haben Sie die auch im Blick? Also Einreisende sind ja zum Teil nicht erlaubt.
Bauer: Ja, in der Tat. Also die internationalen Studierenden, auch die schon hier sind, haben eine besondere Belastung. Sie haben zum Teil, auch was ausländeraufenthaltsrechtliche Angelegenheiten angeht, eine besonders heikle Situation, die werden wir anschauen müssen, und wir werden da sicher auch bundesweite Regelungen brauchen und Klärungsprozesse jetzt anstoßen. Für das Einreisen von Studierenden international ist im Moment in der Tat die Situation ungewiss, Corona-bedingt, das können wir auch nicht planen. Wir können da im Moment nur die Situation im Blick behalten. Ich vermute aber, dass es zu relevanten Reduktionen im Sommersemester kommen wird, und da wird es eher darum gehen, die Härten für diejenigen, die da sind, möglichst zu reduzieren und auszugleichen und dafür zu sorgen, dass wir bald wieder in Sachen Internationalisierung in den Normalbetrieb zurückkehren können.
Maleike: Sie sagten, die Länderbeschlussfassung ist sozusagen auf dem Weg, wird jetzt wahrscheinlich in allen Ländern gerade besprochen. Wann ist damit zu rechnen, dass sie verabschiedet wird?
Bauer: Wir versuchen es nächste Woche zu klären.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.