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Wissenschaftsvermittlung
Forscher-Roulette im Riesenrad

Die Organisatoren des Wissenschaftsfestivals in Göteborg haben 40 Forscher auf die Gondeln eines Riesenrads verteilt und Besucher nach dem Zufallsprinzip dazu gesetzt. So kam es, dass eine 80-Jährige einen Vortrag über Quantenphysik hörte und ein ehemaliger Seefahrtkapitän von einem Marsforscher ausgefragt wurde.

Von Christine Westerhaus |
    Ansicht des Riesenrads im Freizeitpark Liseberg im schwedischen Göteborg, aufgenommen 15.6.2013
    Wissenschaft in 60 Metern Höhe - eine Art Werbung für die Forschung. (picture-alliance / dpa / Rober B. Fishman / ecomedia)
    Patric Wallin steht in seiner knallroten Regenjacke vor der Absperrung des Riesenrads "Liseberghjulet". Er stammt ursprünglich aus Deutschland, arbeitet aber schon seit einigen Jahren an der Göteborger Chalmers Universität. Woran Wallin dort genau forscht, können Besucher heute von ihm in luftiger Höhe erfahren. Als Anschauungsmaterial hält der Physiker eine kleine Versuchsapparatur in der Hand.
    "Das sieht genauso aus wie bei uns im Labor und dann haben wir da normalerweise Stammzellen drin, wo wir dann gucken: Bewegen die sich in eine Richtung oder verändern die sich in irgendeiner Art und Weise in Abhängigkeit von einem Gradienten?"
    Auch Forscher haben Höhenangst
    Vorsichtig steigt Wallin in eine der Riesenradgondeln. Aus der Menge der wartenden Besucher werden ihm per Zufall vier Mädchen zugeteilt. Sie sind um die 18. Die Gondel setzt sich in Bewegung. Wallin hat nun 15 Minuten Zeit, sein Forschungsgebiet vorzustellen: Stammzellen und wie man sie dazu bringt, in eine bestimmte Richtung zu wachsen. Das Ganze auf Schwedisch. Und in 60 Metern Höhe. Nicht alle Forscher, die heute am Wissenschaftsroulette teilnehmen, lässt das kalt.
    "Ich habe ein bisschen Höhenangst und versuche, nicht so viel rauszugucken!"
    Andreas Dahlin, Physiker an der Chalmers Universität, erklärt heute seinen Zuhörern, wie man "sehr kleine Türen" baut. Es geht um Nanotechnologie.
    "Für mich ist es spannend zu sehen, was die Leute verstehen und was sie nicht verstehen und was sie über unsere Forschung denken. Es ist sehr nützlich, sich in "normale" Menschen rein zu versetzen - wenn man sie so nennen kann. Außerdem ist es unsere Aufgabe an der Uni, an die Öffentlichkeit zu gehen. Das steht sogar im Hochschulgesetz – die sogenannte dritte Aufgabe."
    Auch Gunnar Nyman, Professor für physikalische Chemie an der Göteborg Universität, nutzt gerne die Gelegenheit, über das "große Ganze" sprechen zu können, wie er sagt. Er wird heute mit zwei Studenten in dieselbe Gondel gesetzt. Zu Beginn der Riesenrad-Tour erkundigt sich der Forscher nach dem Vorwissen seiner Zuhörer. Einer von ihnen ist IT Student, der andere Staatswissenschaftler. Nyman möchte den beiden erklären, wie Sterne entstehen.
    "Das ganze große Bild"
    Als Anschauungsmaterial nutzt er sein Schlüsselbund. Der Forscher lässt es in der Gondel auf den Boden fallen, um die Erdanziehungskraft zu demonstrieren. Drei Runden im Riesenrad hat er Zeit, das Universum zu erklären. Oder besser gesagt seine Anfänge, also die Entstehung der Himmelskörper.
    "Was wir an unserem Institut hauptsächlich machen, ist: Wir sitzen am Computer und berechnen winzige Details einer kleinen Frage. Dabei denkt man viel zu selten an das ganze große Bild, um das es eigentlich geht. Hier habe ich Gelegenheit, mal darüber nachzudenken."
    Die Veranstalter des Wissenschaftsroulettes hoffen, durch die zufälligen Begegnungen Besucher auch für andere Themen zu begeistern, als sie sowieso schon interessieren. Manchmal läuft es aber auch andersherum, erzählt Andreas Johnsson von der Göteborg Universität, der kalte Gebiete in der Arktis untersucht, um daraus Rückschlüsse über das Leben auf dem Mars ziehen zu können. Heute hat er gar nicht so viel erklärt, sondern lieber selber seinem Gast zugehört.
    "Ich hatte Gelegenheit, auf einen Kapitän zu treffen. Wir haben dann fast die ganze Zeit nur über Seefahrt gesprochen, weil ich das so interessant fand."
    Ganz offensichtlich haben nur die wenigsten der heute teilnehmenden Wissenschaftler das Gefühl, bei dieser Art von Werbung für die Forschung ihre Zeit zu verschwenden. Obwohl es am Ende der Veranstaltung wie aus Eimern schüttet, blickt man in zufriedene Gesichter. Jeder Forscher bekommt am Ausgang des Riesenrads eine Dankesurkunde in die Hand gedrückt. Aber nicht nur wegen dieser netten Geste hat sich für Patric Wallin die Veranstaltung gelohnt.
    "Es ist auch immer interessant, was die anderen Leute denken: Was die für Ideen über meine Forschung haben, ob die finden: Nee, das sollten wir überhaupt nicht machen, das ist was, wo wir vielleicht mehr Geld investieren sollten – das ist schon sehr interessant. War gut! Ich hatte heute zwei gute Gruppen – hat Spaß gemacht!"