Klimaschutzgesetz
Wie der Verkehrssektor seine Klimaziele erreichen kann - ohne Fahrverbote

Verkehrsminister Volker Wissing sieht Fahrverbote am Wochenende als einzige Möglichkeit, um die Emissionen im Verkehrssektor schnell zu reduzieren. Dabei gibt es sinnvolle Alternativen – ein Überblick über die Debatte.

    Ein Mann im Anzug, Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, wartet auf den Beginn der wöchtentlichen Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt.
    Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) droht mit Fahrverboten am Wochenende - was steckt dahinter? (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat in einem Schreiben an die Vorsitzenden der Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP vor drastischen Einschränkungen für Autofahrerinnen und Autofahrer gewarnt, falls die Ampel-Koalition sich nicht zügig auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes einigt. Er drohte dabei auch mit Fahrverboten am Wochenende. Nur so könnten die Emissionen des Verkehrssektors gesetzeskonform reduziert werden.
    Um die Klima-Sektorziele für den Verkehr im Jahr 2024 zu erreichen, müssen laut Umweltbundesamt rund 22 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden. Das sei ad hoc nur mit dem Verzicht auf das Auto und den Lkw zu erreichen, argumentiert Wissing.

    Inhalt

    Was steckt hinter Wissings Warnung vor Fahrverboten?

    Mit der Reform des Klimaschutzgesetzes sollen nach dem Willen der FDP die Vorgaben zur Emissionsminderung in den einzelnen Sektoren abgeschafft werden. Damit sollte Verkehrsminister Wissing entlastet werden, weil der Verkehr immer noch zu viel CO2 ausstößt und die Klimaziele verfehlt. Die Grünen blockieren daher die Novelle im parlamentarischen Verfahren.
    Doch wenn das überarbeitete Gesetz nicht vor dem 15. Juli 2024 in Kraft tritt, muss das Bundesverkehrsministerium ein Sofortprogramm vorlegen, um drastisch CO2 einzusparen. Davor warnt Wissing nun in seinem Schreiben an die Ampel-Fraktionen.
    „Wissing übt mit seinem Schreiben nicht nur Druck hinsichtlich des Klimaschutzgesetzes aus, sondern versucht auch, den Grünen die Verantwortung für Fahrverbote zuzuschieben“, sagt Deutschlandfunk-Korrespondentin Ann-Kathrin Büüsker.

    Wie reagieren die anderen Ampel-Parteien auf Wissings Warnung?

    "Es ist nicht verantwortungsvoll für einen Minister, unbegründete Ängste zu schüren", sagt die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Die Grünen halten Fahrverbote demnach nicht für sinnvoll. "Stattdessen sollte Volker Wissing seine Aufgabe wahrnehmen und endlich sinnvolle Vorschläge für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor machen", fordert Dröge. “Wir warten seit zwei Jahren darauf, dass der Verkehrsminister handelt."
    Deutliche Kritik an Wissing kommt auch aus der SPD: "Panikmache durch abwegige Vorschläge hilft dem Klimaschutz im Verkehrsbereich überhaupt nicht, im Gegenteil", sagt SPD-Vize-Fraktionschef Detlef Müller. Solche Manöver brächten die Verhandlungen im Bundestag zum neuen Klimaschutzgesetz nicht voran.

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    Gibt es alternative Maßnahmen, um die Emissionen im Verkehrssektor zu senken?

    Mit den Fahrverboten schlägt Verkehrsminister Wissing eine einzige große Maßnahme vor, um die CO2-Emissionen im Verkehr deutlich zu reduzieren. Doch möglich wäre genauso ein Bündel von Maßnahmen.
    Dazu gehört etwa ein Tempolimit. Mit 120 Kilometer pro Stunde auf Bundesautobahnen könnten die Treibhausgasemissionen jährlich nach Angaben des Umweltbundesamts um 4,2 Prozent oder rund 6,7 Millionen Tonnen ⁠CO2⁠-Äquivalente verringert werden. Wenn zusätzlich Tempo 80 auf Landstraßen gelten würde, wäre demnach eine Minderung bis zu acht Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr möglich. 

    Luftverkehr im Inland beschränken

    Wissing fokussiert sich mit den Fahrverboten vor allem auf den Individualverkehr, auf die Autofahrerinnen und Autofahrer. „Es sind die Bürgerinnen und Bürger mit Verzicht auf Mobilität, die diese Einschränkungen hinnehmen müssen“, sagte er im Deutschlandfunk.
    Dabei gibt es auch andere Verkehrsbereiche, in denen man große Mengen an CO2-Emissionen einsparen könnte. Eine Möglichkeit wäre etwa, das Fahrverbot für Lkws an Sonn- und Feiertagen auszuweiten. Und auch der Luftverkehr trägt zu den Emissionen im Verkehrssektor bei – eine Maßnahme wäre beispielsweise die Beschränkung von Inlandsflügen.

    Ambitionierter Ausbau des ÖPNV

    Auch ein deutlich schnellerer Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Fläche mit Netz- und Taktverdichtung sei für die Mobilitätswende notwendig, sagt Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.
    Hier kann vor allem langfristig CO2 eingespart werden. Unter anderem müssten Schienennetze erweitert und digitalisiert, neue Angebote vom Schnellbus über Straßenbahnen bis zum Regional- und Fernzugverkehr geschaffen und der Deutschlandtakt beschleunigt umgesetzt werden, so Koska gegenüber dem Science Media Center. Im ländlichen Raum und in Stadtrandlagen können On-Demand-Angebote den ÖPNV flexibel ergänzen.

    Welche Maßnahmen hat das Verkehrsministerium bislang ergriffen?

    Verkehrsminister Wissing hat bereits einige Maßnahmen ergriffen, um die Verkehrswende voranzubringen, dazu zählt etwa die Einführung des Deutschlandtickets, der Bahnausbau, der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos und nicht zuletzt die Neufassung der LKW-Maut. Zum 1. Dezember 2023 wurde hier ein Aufschlag in Höhe von 200 Euro pro Tonne CO2 eingeführt. Fossiler Lastverkehr ist damit teurer geworden.
    Doch die bislang getroffenen Maßnahmen reichen nicht aus, um die CO2-Emissionen deutlich zu mindern. Noch immer verfehlt der Verkehrssektor Jahr für Jahr seine Klimaziele. Zwischendurch gab es auch Förderprogramme für E-Mobilität. Zuschüsse beim Kauf von Elektroautos wurden allerdings abgeschafft, da die Bundesregierung im Bundeshaushalt 2024 kurzfristig Einsparungen vornehmen musste.

    Welchen Anteil hat der Verkehr an den CO2-Emmissionen?

    Obwohl Deutschland erhebliche Fortschritte bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen seit 1990 verzeichnet, bleibt der Verkehrssektor weitgehend unverändert.
    Der Anteil des Verkehrs an den Gesamtemissionen ist von etwa 13 Prozent im Jahr 1990 auf fast 20 Prozent im Jahr 2022 gestiegen. Dieser Anstieg lässt sich hauptsächlich auf das kontinuierliche Wachstum des Straßengüterverkehrs, des motorisierten Individualverkehrs und den zunehmenden Verkauf von Dieselkraftstoff zurückführen. 
    Pkws fahren heute im Schnitt zwar klima- und umweltverträglicher. Allerdings fahren auch immer mehr und größere Autos auf Deutschlands Straßen.

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