In der 84. Minute im Berner Wankdorfstadion war er da: Der Moment, in dem Helmut Rahn schießen musste – und schoss.
Reportage: "Tor! Tor! Tor! Tor!"
Und zwar das entscheidende. Deutschland, zum ersten Mal Fußball-Weltmeister. 3:2 gegen Ungarn. Gegen die Mannschaft, die vorher vier Jahre lang nicht verloren hatte. Deren Siegesfeier schon geplant war. Für die schon Weltmeister-Briefmarken gedruckt waren.
"Es war tatsächlich ein Wunder",
sagt Jenö Buzansky – der einzige noch lebende Spieler aus dem ungarischen Kader von damals.
"Und wir waren alle mehr als erstaunt, wie das Spiel ausging: Schließlich war es doch wirklich ein Wunder, dass Deutschland gewinnen konnte! Aber so ist das im Sport."
Johann Schlüper findet diese Sicht zu eindimensional. Er relativiert:
"Kein Wunder, aber die Sensation war total perfekt!"
Das 54er Finale, die WM in der Schweiz – Johann Schlüper hat sich das irgendwie zum Lebenswerk gemacht, organisiert Ausstellungen, schreibt Bücher, sammelt Ton- und Bildmaterial. Für ihn hat das Endspiel von Bern etwas Erklärbares – und offenbar nicht nur für ihn.
"Wenn man die Spieler fragt – und ich habe sehr viele Spieler gefragt – die sagen alle: Das war weder ein Wunder, noch sonst was, wir haben in diesem Spiel einfach nur gut gespielt."
"Naja, wir waren zu dieser Zeit ja schon eine ganz gute Mannschaft."
erinnert sich Horst Eckel, damals 22 Jahre alt.
"Das war für uns auch klar, dass wir zwar keine große, aber doch eine Chance haben, bei der Weltmeisterschaft ganz weit nach vorne zu kommen."
Reportage: "Sein Abschlag bleibt bei Eckel aus Kaiserslautern hängen. Der zu seinem Klubkameraden Fritz Walter. Der zu Rahn, Rahn. Tor für Deutschland!"
"Dass natürlich die Deutschen damals schon ein System spielten, was ein bisschen revolutionär war, das steht außer Frage. Also die Deutschen sind mit allen Leuten im Angriff zu sehen, sind dann aber auch wieder teilweise zurück. Also Fritz Walter hat auch oft im eigenen Strafraum klären können, also das war schon sehr modern",
sagt Schlüper. Der Weg ins Finale von Bern führt für Deutschland über fünf Spiele, Finalgegner Ungarn muss vier Mal ran. In ihrem jeweils zweiten Spiel treffen beide direkt aufeinander. Deutschland geht 3:8 unter. Bundestrainer Sepp Herberger hatte nicht die vermeintlich beste Elf aufgestellt – und Auswechseln war verboten. Egal. Eine Niederlage mit Kalkül, sagt Horst Eckel.
"Ob wir da jetzt gewonnen oder verloren hätten, hat ja keine Rolle gespielt. Und darum hat Herberger, wie er es immer war, schon voraus gedacht und gesagt, wir spielen mit der Reservemannschaft, wir kommen dann ja auch noch weiter. Und so ist es ja dann auch gewesen."
"Nach dem Spiel ist vor dem Spiel." (Herberger)
"Sepp Herberger hat tatsächlich ganz viel richtig gemacht",
sagt der damalige ungarische Nationalspieler Jenö Buzansky.
"Herberger hat seine Lehren gezogen aus dem 8:3. Aber letztlich konnte auch er nur Ideen vermitteln und Anweisungen geben. Es war nicht nur Herberger, der dazugelernt hatte: Die deutsche Mannschaft steigerte ihre Leistung bis zum Finale deutlich."
Reportage: "Heute ist es kein 3:8. Heute ist es keine B-Mannschaft."
Spätestens da, sagt der Rechercheur und Kurator Johann Schlüper, hätten die favorisierten Ungarn trotz ihres Sieges im ersten Spiel eigentlich gewarnt sein müssen. Denn Deutschland hatte zwischendurch noch die starken Österreicher und Jugoslawen ausgeschaltet.
"Und man hat das denn aber irgendwie zur Seite geschoben und hat auf ungarischer Seite gesagt, was wollen die denn, die haben wir schon mal besiegt. Da ist viel Arroganz mit dabei gewesen."
Aber nicht nur das. Auch Pech hatten die Ungarn wohl. Das mögliche 3:3 von Puskás kurz nach dem 3:2 durch Rahn – aberkannt.
Reportage "Aber nein: kein Tor, kein Tor, kein Tor! Puskás Abseits!"
"Ich habe mit vielen Spielern gesprochen, die haben gesagt, es war kein Abseits! Zum Beispiel Alfred Pfaff, der Reservespieler, der saß auf dieser Höhe. Die Reservespieler der deutschen Mannschaft saßen auf dieser Höhe. Und er meinte, es war kein Abseits, wir haben damals viel Glück gehabt."
Knappe Schiedsrichter-Entscheidungen, vom Gegner unterschätzt, eigene taktische Raffinesse. Dazu das viel beschworene Fritz-Walter-Regen-Wetter, das den Deutschen eher lag als den Ungarn – am 4. Juli 1954 kam im Berner Wankdorfstadion viel zusammen, wodurch sich der Sieg der deutschen Mannschaft aus sportlicher Sicht erklären lässt, ohne das man gleich von einem Wunder sprechen muss, findet Johann Schlüper. Er fasst es so zusammen:
"Wunder ist relativ. Aber man kann vielleicht sagen, die deutsche Mannschaft hat in diesem Spiel wunderbar gespielt."
Reportage: "Deutschland ist Weltmeister! Schlägt Ungarn mit 3:2 Toren im Finale in Bern!"