Auszuschließen sei eine Bestechung im Vergabeverfahren nicht, sagte Christian Duve der beauftragten Anwaltskanzlei Freshfields in Frankfurt am Main bei der Präsentation des Berichts. Belegt seien Diskussionen im DFB-Führungszirkel, dass im Februar 2000, also sechs Monate vor der Wahl, nur drei der vier erhofften Stimmen der FIFA-Wahlmänner aus Asien als sicher galten.
Nach der Wahl wurde in DFB-Schriftstücken festgehalten, dass alle acht Wahlmänner aus Europa und vier aus Asien dem DFB die nötige Mehrheit von 12:11-Stimmen beschert hätten. Keine Beweise gibt es laut Freshfields für Zahlungen an den Neuseeländer Charles Dempsey, der sich im letzten Wahlgang überraschend enthalten und damit für Aufsehen gesorgt hatte.
Beckenbauer an dubiosen Zahlungen beteiligt
Der damalige Organisationschef Beckenbauer war in die dubiosen Millionenzahlungen laut des Berichts deutlich stärker involviert als bisher angenommen. Noch vor dem Darlehen des ehemaligen Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus wurde ein Betrag in Höhe von sechs Millionen Schweizer Franken über den Umweg eines Verteilerkontos zur FIFA-Skandalfigur Mohamed bin Hammam überwiesen. Demnach ging die Summe in vier Tranchen zwischen dem 29. Mai und 8. Juli 2002 von einem Konto, dessen Inhaber Beckenbauer und dessen Berater Robert Schwan waren, auf ein Konto einer Anwaltskanzlei (Advokaturbüro/Notariat Gabriel und Müller) in der Schweiz. Alle mit dem Verwendungszweck "Erwerb von TV und Marketing Rechten Asien Spiele 2006".
Beckenbauer selbst will davon laut Freshfields nichts gewusst haben. "Ich habe immer alles einfach unterschrieben, ich habe sogar blanko unterschrieben", sagte er einst über seine Rolle in diesem Skandal. Im Freshfields-Report steht wörtlich: "Es ist für uns kaum vorstellbar, dass man derartige Geldbewegungen auf eigenen Konten nicht mitbekommt." Nach Auskunft seines Anwalts war Beckenbauer überrascht "über die gewonnenen Erkenntnisse, die aber seine bisherige Erinnerung durchaus zutreffend ergänzen".
Initiiert habe die Überweisung Robert Schwan. Erst nachdem die sechs Millionen Schweizer Franken auf ein Konto der Kemco Scaffolding Co. bei einer Bank in Katar überwiesen waren, gab Louis-Dreyfus die Zahlung in Höhe von zehn Millionen Schweizer Franken in Auftrag, die dann auf das Verteilerkonto gingen und mit denen Beckenbauer seine sechs Millionen Franken zurück bekam. Schwan verstarb am 13. Juli 2002. Die restlichen vier Millionen Franken von Dreyfus gingen ebenfalls nach Katar. Die Kemco wird bin Hammam zugerechnet, der laut Freshfields bestreitet, das Geld bekommen zu haben. Wofür das Geld verwendet wurde, bleibt offen.
Die 6,7 Millionen - Zwanziger belastet
Dieses Geld - zehn Millionen Franken oder 6,7 Millionen Euro - verlangte Dreyfus vom DFB zurück. Die Rückzahlung durch den DFB sei durch die deutschen WM-Organisatoren bewusst verschleiert worden. Laut der Kanzlei zahlte der Verband am 27. April 2005 die 6,7 Millionen Euro mit dem falschen Verwendungszweck "Kostenbeteiligung OK an FIFA Football Gala" an die FIFA. Die Überweisung wurde laut der Anwälte vom damaligen DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt und vom damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger freigezeichnet. Es habe weder im Organisationskomitee noch im DFB eine formale Beschlussgrundlage gegeben, sagte Interimspräsident Rainer Koch.
Von dem FIFA-Konto, das namentlich auf den heutigen Interimsgeneralsekretär des Weltverbandes Markus Kattner lief, floss die Summe dann an ein Konto von Louis-Dreyfus weiter. Als die WM-Gala im Januar 2006 abgesagt wurde, habe es vom DFB keine Rückzahlungsforderung an die FIFA gegeben. Louis-Dreyfus hatte dem DFB drei Jahre zuvor den Betrag von 10 Millionen Franken geliehen - mit dem die oben beschrieben Zahlungen geleistet worden sein sollen.
Vertrag mit Warner "teilweise erfüllt"
Rätselhaft bleibt laut Anwalt Duve der von Beckenbauer unterschriebene Vertrag mit dem gesperrten früheren FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner aus Trinidad und Tobago wenige Tage vor der WM-Vergabe. Dieser beinhalte "auch ungewöhnliche Leistungen", sagte Duve. Darunter 1.000 Eintrittskarten der höchsten Kategorie sowie kostenlose Reisen erster Klasse.
Nicht ersichtlich sei, ob das DFB-Präsidium dem Vertrag zugestimmt habe. Teilweise seien Leistungen aus dem Vertrag erfüllt worden. So wurden Fahnen und Tickets für den Verband aus der Karibik gedruckt. Auch sei Warner auf DFB-Kosten nach Deutschland gereist.
Kanzlei beklagt Behinderung ihrer Arbeit
Die Kanzlei beklagte, dass viele Akten nicht zugänglich gewesen oder verschwunden seien. Die Untersuchung des Skandals um die WM-Vergabe 2006 kostet den DFB mehr als eine Million Euro. "Die genauen Kosten lassen sich noch nicht beziffern, aber wir rechnen mit einem kleineren siebenstelligen Betrag."
Der künftige DFB-Chef Reinhard Grindel hat sich als Konsequenz aus der Affäre für die Einrichtung einer Ethikkommission ausgesprochen. Unter seiner Leitung steht bald die nächste Bewerbung an: für die Europameisterschaft 2024.
(nch/ach)