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WM 2014
Das entseelte Maracanã

Es war der größte Fußballtempel der Welt – Rio de Janeiros mythisches Stadion Maracanã. Für die bevorstehende WM wurde die Arena umgebaut. Doch viele Fans können sich den Eintritt nun nicht mehr leisten.

Anne Herrberg |
    Ein Plakat mit der Aufschrift "Rio 2014" hängt im Maracana-Fußballstadion
    Ein Plakat mit der Aufschrift "Rio 2014" hängt im Maracana-Fußballstadion (dpa/epa/efe/Marcelo Sayao)
    In rot-schwarzer Kluft steht Francisco Moraes in der Südkurve des Maracanã – wie immer wenn Rios größter Club Flamengo spielt. Wie immer, seit der 74-Jährige das wohl berühmteste Stadion der Welt 1960 zum ersten Mal betreten hat.
    “Das Maracanã war mein Zuhause. Gut, es war ein Zementklotz, eigentlich hässlich, aber eben einzigartig. Um die gegnerische Mannschaft einzuschüchtern, wechselte der ganze Fanblock zur Halbzeit die Seite – es gab keine Barrieren. Doch damit ist es vorbei. Das Maracanã existiert nicht mehr.”
    Moraes fühlt sich verloren – in diesem Stadion, in dem sich einst bis zu 200.000 Zuschauer drängten. Leute wie Moraes, der im schicken Viertel Copacabana wohnt, aber auch Menschen wie Moises aus der Favela Pavão-Pavãozinho, die hinter Rios berühmtem Strand die Hügel hinaufklettert
    "Ich habe mir früher kein Spiel entgehen lassen, wir hatten Trommeln dabei, Fahnen, Tröten und unser eigens Bier. Das Maracanã war mehr als ein Stadion: Brasilien erlebte dort seine größte Tragödie – die Niederlage gegen Uruguay im Endspiel der WM 1950. Aber auch seine größten Triumphe. Es hat uns Brasilianer zusammengeschweißt. Keine fünf Reais haben die Stehplätze damals gekostet, heute gibt es keine Stehplätze mehr.“
    Um es für die WM fit zu machen, wurde das mythische, aber recht verstaubte Oval nach FIFA-Vorgaben umgebaut. Wiedereröffnet wurde im letzten Jahr dann eine moderne Arena mit nur noch rund 78.000 dafür aber bunten Sitzplätzen, VIP-Lounges, einem Dach aus Fiberglas und Teflon. Das billigste Ticket für ein Lokalderby kostet dort im Schnitt nun 80 Reais – etwa 26 Euro.
    Flamengo bestreitet das Halbfinale der Lokalliga Campeonato Carioca an jenem Mittwoch im März ohne Moises – vor nur rund 5000 Zuschauern. Moraes steht wie zum Trotz neben dem Sitzplatz
    "Wir Brasilianer haben das Stehen im Stadion erfunden, heute darf man nicht mal mehr laut atmen. Finanziert mit unseren Steuergeldern haben sie das Maracanã zu einer dieser gesichtslosen Kommerzarenen gemacht und dann an die Maracanã S.A. privatisiert. Jetzt wollen sie uns auch noch unsere Fankultur rauben“.
    Gol! Flamengo schlägt Cabofriense 3:0 – die Fans jubeln, die Touristen klatschen, aber das Maracanã bebt nicht mehr. Ein Sinnbild sagt Moraes
    "Diese Fußballweltmeisterschaft wird ein Fest für wenige Auserwählte, das Volk verliert“.
    330 Reais, über 100 Euro wird das billigste Tickte zum WM-Endspiel kosten – doppelt so viel wie Moises Tagesverdienst als Fischer.
    "Fußball ist ein kaltes Geschäft geworden, dabei geht die Leidenschaft verloren. Das passt zu unseren Nationalspielern, die nur noch für Millionen spielen. Man sollte das Maracanã nach ihnen benennen, nach Neymar zum Beispiel“.
    Die WM werden Moises und Moraes wahrscheinlich doch wieder zusammen feiern – am Strand von Copacabana. Der zumindest ist bisher noch gratis.