Günter Klein begleitete die deutsche Mannschaft während der WM in Russland als Journalist und schilderte im Dlf mit sechs Monaten Abstand noch einmal seine Eindrücke. "Man hat die deutsche Mannschaft noch nie so schockiert, wie in der ersten Halbzeit gegen Mexiko gesehen", sagte er.
Die deutsche Mannschaft war überfordert, die Spieler waren verunsichert. Plötzlich sei ein als beherrschbar scheinender Gegner zu einem Riesen gewachsen. Spätestens nach dem Gegentor der Mexikaner, sei dann klar gewesen, dass das DFB-Team vor einer ganz schweren Weltmeisterschaft stehen werde, berichtete Klein.
"Nichtnominierung von Sané war richtig"
Als Gründe für das frühzeitige WM-Aus, nannte er den ungelösten Umgang mit der Erdogan-Affäre, der die Mannschaft belastet habe. Außerdem seien gewisse spieltaktische Entwicklungen vom DFB und vom Trainerteam übersehen worden. Es habe einfach seit dem Triumph von Rio 2014 keine spielerische Weiterentwicklung gegeben.
Klein verteidigte auch die umstrittene Nichtnominierung von Leroy Sané zur WM durch Bundestrainer Joachim Löw. Sané habe schwache Länderspiele abgeliefert und damit die Chance verpasst auf sich aufmerksam zu machen. Außerdem sei ihm seine Absage zum Confed Cup 2017 vom Trainerstab negativ ausgelegt worden.
"Watutinki war ein großer Flop"
Im Großen und Ganzen sei die WM aus arbeitstechnischer Sicht für die Journalisten positiv gewesen, nur die Organisation und Sitzanordnung bei den FIFA-Pressekonferenzen sei fragwürdig gewesen. Hier wurden oft nur die genehmen Fragen bekannter Journalisten zugelassen.
Der Sport-Chefreporter des Münchner Merkur erneuerte auch noch einmal die Kritik an der Auswahl des deutschen WM-Quartiers in Watutinki. "Watutinki war ein großer Flop", sagte Klein. Die Fahrt von Moskau hinaus an Plattenbauten, Wolkenkratzern und Industrielandschaften zum Hotel im Birkenwald am Autobahnkreuz gelegen, sei extrem gewöhnungsbedürftig gewesen. Er habe das Leid der Spieler nachempfinden können.
"Sehe keine Akzeptanzprobleme für WM in Katar"
Trotz aller Kritik an der FIFA, der WM und dem DFB-Team, ist sich Klein sicher, dass die WM weiterhin nichts von ihrer Anziehungskraft verloren habe. "Die WM ist immer noch das ganz große Ding", sagte er. Im Vergleich zum Confederations Cup 2017 in Russland sei die Begeisterung und das Interesse der Bevölkerung viel größer gewesen.
"Die WM ist immer noch ein Selbstläufer", analysierte er. Deswegen sei er auch sicher, dass die Fußball-Konsumenten das Turnier 2022 im Katar, das während der Adventszeit ausgetragen werde, akzeptieren werden.
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