Fans und Journalisten hätten während der WM eine Ausnahmesituation in Russland erlebt, sagte Gesine Dornblüth im Deutschlandfunk. "Da war erlaubt, was sonst nicht erlaubt es. Es gab spontane Feiern auf der Straße. Lächelnde Russen, lächelndes Personal, hilfsbereite Polizisten. Entspannte Einheimische, es war eine schöne Stimmung. Die Russen haben sich anstecken lassen von der Feierlaune", berichtete die ehemalige Dlf-Korrespondentin in Moskau.
"Die Erfahrung, dass die Russen gemocht werden von Ausländern, die ist ganz wichtig vor dem Hintergrund der massiven Feindpropaganda in Russland. Man kann sich nur wünschen, dass das anhält", sagte Dornblüth.
Ein Wandel der russischen Politik nicht zu erwarten
Sie glaube nicht, dass das Image Russland durch die WM gänzlich geändert werden könne. "Russlands Image im Westen hängt jetzt davon ab, wie wir jetzt diese Berichte und positiven Bilder aus Russland wahrnehmen und ob wir eben meinen das ist das Russland, was da transportiert wurde die letzten vier Wochen oder ist es eben nur ein Ausschnitt."
Ein Wandel der russischen Politik und Vorgehensweise sei durch die WM auch nicht zu erwarten, sagte Dornblüth. Während des Turniers habe es auch keinerlei kritische Äußerungen von Funktionären oder WM-Gästen zur russischen Politik gegeben. Der DFB habe zwar die Menschenrechtsorganisation Memorial während der WM besucht, was von der russischen Öffentlichkeit aber kaum beachtet worden sei. Auch seien keine politischen Gefangenen freigelassen worden, worauf vor dem Turnier kleine Hoffnungen gesetzt worden waren, berichtete die Russland-Kennerin.
Positiver Nutzen für die Infrastruktur, Hoffen auf Inlandstourismus
Einen positiven Nutzen habe die WM aber für die Infrastruktur im Lande, sagte Dornblüth. "Da ist großer Nachholbedarf im Land." Dadurch, dass die WM aber an so vielen Provinzstädten statt gefunden habe, habe sich da viel getan.
Profitieren davon könnte auch der Inlandstourismus. Der ist in Russland bisher schwach entwickelt. Die Regierung propagiere seit jahren Urlaub im Land. Die habe auch mit der Patriotismuswelle und dem sinkenden Wohlstand der Russen zu tun, die sich Urlaub im westlichen Ausland eben nur noch weniger leisten können. "Da hat die WM einen Grundstein gelegt mit neuen Hotels und Freizeitmöglichkeiten."
Der Besuch von IOC-Präsident Thomas Bach zum WM-Finale sei ein weiterer Schritt, weg von den Skandalen des Staatsdopings und hin zu mehr Normalität. Möglicherweise sei dies auch als eine mögliche Unterstützung Bachs für eine potentielle Bewerbung Russlands für die Olympischen Sommerspiele 2032 zu verstehen.
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