Archiv

WM 2022
"Wir wollen uns auf der Weltkarte positionieren"

Seit der Vergabe der WM 2022 an Katar, steht das kleine Emirat im Kreuzfeuer der Kritik. "Wenn Du etwas organisierst, werden die Leute immer reden", sagte Saoud al Thani, Katars Botschafter in Deutschland, im Dlf. Aber mit der WM soll nicht Schluss sein. Die Austragung von Olympia 2032 ist das nächste große Ziel.

Saoud bin Abdulrahman al Thani im Gespräch mit Matthias Friebe |
    Auf einem großen Wandbild wird in Katar die Vergabe der WM 2022 an das Land gefeiert.
    Auf einem großen Wandbild wird in Katar die Vergabe der WM 2022 an das Land gefeiert. (imago stock & people)
    Matthias Friebe: Die WM 2022 soll eine große Bühne sein auch für Marketing, um das Land bekannt zu machen. Wie ist das möglich, die WM für solche Zwecke zu nutzen?
    Saoud bin Abdulrahman al Thani: Ich denke, jedes Land der Welt, besonders die großen, bewirbt sich um Olympia oder die Fußball-Weltmeisterschaft. Denn durch Sport können Sie so viel erreichen. Es gibt ein Sprichwort im Sport: "Mit dem Sport kannst Du Berge versetzen, aber nicht den Termin der Eröffnungsfeier." Wenn Sie ein Datum haben, muss jeder im Land seine Arbeiten bis dahin erledigt haben, bei der Infrastruktur, bei Hotel, bei allem.
    Aber das Wichtigste ist das Erbe nach dem Event. Wir haben es in Barcelona gesehen. Das Barcelona vor den Olympischen Spielen 1992 war ein anderes als das Barcelona danach. Es hat sich danach sehr verändert, es ist ein touristisches Zentrum geworden. Und das ist auch das Ziel von Katar mit der Ausrichtung von Großereignissen wie der WM. Dazu wollen wir uns auf der Weltkarte positionieren, als Wirtschaftsstandort, Logistikdrehscheibe und vieles mehr.
    Friebe: Aber ist es wirklich die WM für diese Dinge zu nutzen, wenn es so viele negative Berichte gibt?
    Al Thani: Das ist bei jedem Land und bei jedem Großereignis so. Immer gibt es das Gerede bis zum Tag der Eröffnung. Das haben wir in Südafrika gesehen, da gab es Warnungen, das Land sei nicht sicher. Südafrika hat eine der besten Weltmeisterschaften aller Zeiten ausgerichtet. Auch in Rio, vor zwei Jahren, haben wir ähnliche Dinge gehört. Das gleiche auch in Deutschland 2006.
    Wenn Du etwas organisierst, werden die Leute immer reden. Aber am Ende ist es ein Sportevent. Wenn du ein Großereignis organisierst, weiß jeder genau über Dein Land Bescheid und wie gastfreundlich Du bist. Ich denke das ist der exzellente Ertrag so eines Events.
    "Katar hat schon 1993 angefangen große Ereignisse zu organisieren"
    Friebe: Glauben Sie, es ist eine deutsche Sache, dass es hier eigentlich nur negative Bericht über die WM in Katar gibt?
    Al Thani: Nein, nein, ganz und gar nicht. In Deutschland gibt es wie in anderen Ländern auch unterschiedliche Geschichten. Aber, was ich in Deutschland gesehen habe, seit ich vor einem Jahr hier angekommen bin, ist die Berichterstattung gut, besonders dann, wenn die Menschen sich selbst in Katar ein Bild vor Ort gemacht haben. Manchmal lassen sich die Medien davon leiten, was andere Medien schreiben. Deshalb ist es unsere Pflicht, den Medien wie Ihrem prestigeträchtigen Radio zu sagen, wie die Dinge wirklich sind.
    Katar hat nicht erst jetzt angefangen, große Ereignisse zu organisieren. Das ist schon seit 1993 so. Damals waren wir Gastgeber für Boris Becker, er war Weltranglisten-Erster und er wurde der 1. Sieger der Katar Tennis Open. Und wir haben die U21-WM ausgetragen, weil Nigeria Probleme mit einer Krankheitsepidemie hatte. Damals hat die FIFA Katar gefragt, und wir haben es innerhalb von nur einem Monat organisiert. Wir sind jedes Jahr Gastgeber für mehr als 40 internationale Events in verschiedenen Sportarten.
    2019 richten wir das drittgrößte Sportereignis der Welt aus, die IAAF-Leichtathletik-WM, übrigens auch mit einer großen Delegation aus Deutschland. Wir denken, Sport ist eine der besten Möglichkeiten der Investition, in die Gesellschaft, in die Menschen, in dein Land.
    Fifa-Präsident Joseph Blatter bei der Bekanntgabe der WM-Ausrichter 2018 und 2022
    Die Vergabe der WM 2022 an Katar ist auch nach über sieben Jahren immer noch höchst umstritten. (afp / Philippe Desmazes)
    Friebe: Für mich ist es aber doch etwas anders bei Katar. Es gibt so viele negative Berichte, über Bestechung, Korruption, die Vorfälle an den Stadionbaustellen. Kann man das wirklich mit anderen vergleichen?
    Al Thani: Manchmal, wenn ein kleines Land versucht, auf die große Karte des Sports zu kommen, gibt es Menschen, die – ich will nicht sagen missgünstig - immer wieder fragen, warum Katar sich dort jetzt engagiert. Die schauen nach jeder Kleinigkeit. Aber, ich sage ihnen, das ist einer der Gründe, warum wir die WM organisieren.
    Du bekommst viele Ratschläge. Die höchsten Organisationen in der Welt geben Dir Ratschläge zum Beispiel manche Prozesse zu verändern. Und Katar sagt: Ja, gerne, wenn Ihr uns sagt, was verändert werden muss. Katar hat schon viel verändert. Das gehört zum weichen Erbe. Das harte Erbe ist der Bau der Infrastruktur, das weiche ist das Anpassen vieler Prozesse an internationalen Standard.
    "Wir haben von Deutschland gelernt, wie man pünktlich und genau fertig wird"
    Friebe: Sie haben die WM in Deutschland 2006 schon erwähnt. Ich habe gelesen, Sie haben etwas gelernt von Deutschland. Was denn?
    Al Thani: Die Deutschen und natürlich auch die deutschen Organisatoren sind bekannt dafür, präzise im Management zu sein. Katar hat Erfahrungen mit den deutschen Organisatoren gemacht und manche von ihnen sind heute in Katar. Und wir haben einige Firmen aus Deutschland, die hier mitarbeiten beim Infrastrukturbau. Wir haben von Deutschland gelernt, wie man pünktlich und genau fertig wird.
    Friebe: Aber auch hier gibt es einige negative Berichte über Korruption und Herrn Beckenbauer…
    Al Thani: Wie ich schon sagte, das gibt es bei jedem Event. Ich erinnere mich an Salt Lake City 2002, da gab es auch viele Probleme. Es gehört zu Sportevents dazu. Aber ich denke, wir müssen nicht alles als gegeben ansehen, bis wir nicht die großen Organisationen - die FIFA ist wenn Sie so wollen, der Eigentümer des Sports - bis die nicht bestätigen, dass dort wirklich etwa war. Sie haben die Komitees, die alles analysieren und in alle Details gucken. Wenn die nichts finden, dann ist es nicht richtig, dass wir jemanden bezichtigen und es stimmt nicht.
    Gastarbeiter aus Indien und Bangladesch arbeiten vor dem Khalifa-Stadion in Doha, Katar.
    Gastarbeiter aus Indien und Bangladesch arbeiten vor dem Khalifa-Stadion in Doha, Katar. (picture alliance/ dpa/ Andreas Gebert)
    Friebe: Wenn wir über das Erbe und über Visionen reden. Es gibt Kritiker, die beklagen, dass Sport für Katar zwar ein Geschäft, eine Marketingplattform ist, aber dass es keine Vision für den Sport gibt. Haben Sie die?
    Al Thani: Natürlich. Seit dem ersten Event 1993 nutzt die Regierung Sportevents als Vehikel, um das Land zu modernisieren und Sportevents zu fördern. Katar ist das einzige Land der Welt, dass einen nationalen Feiertag für Sport hat. Es ist immer der zweite Dienstag im Februar, jedes Jahr seit 2012. Wenn Du auf die Straßen von Doha gehst am Morgen, dieses Jahr wird es der 13. Februar sein, dann wirst Du mehr als eine halbe Million Menschen Sport machen sehen und das in einem Land mit einer Bevölkerung von 2,6 Millionen. Das zeigt Ihnen die besondere Bedeutung des Sports im Land. Wir denken, dass Du mit Sport eine Menge erreichen kannst.
    Friebe: Ist die Fußball-WM nur der nächste Schritt? Haben Sie olympische Ambitionen?
    Al Thani: Ja, ich selbst war involviert bei einem Masterplan für Olympia, als wir die Orte gesucht haben für die WM und alle großen Hallen, die wir bauen. Es gibt also seit 2012 einen Masterplan mit dem Ziel, eines Tages die Olympischen Spiele auszurichten. Wir haben es schon zweimal versucht, 2016 und 2020 und waren nicht erfolgreich, wir werden aber weiter machen. Nachdem die Spiele 24 nach Paris und 28 nach Los Angeles ja vergeben sind, wollen wir die Spiele 2032, hoffentlich.
    Friebe: Sind Sie sich eigentlich bewusst, dass der Sport ein dreckiges Geschäft ist?
    Al Thani: Ich würde nicht sagen, dass der Sport ein dreckiges Geschäft ist. Denn Du findest in jedem Programm einen guten und einen bösen Kerl. Je nachdem, wie Du auf das Geschäft schaust und was Du erreichen willst. Wir versuchen mit den Menschen am Tisch Geschäfte zu machen. Was immer sie abseits davon machen, ist ihre Sache, nicht unsere.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.