Recherche von "Play the Game"
Die wichtigsten Köpfe der saudi-arabischen Sport-Offensive

Die Vergabe der Fußball-WM 2034 an Saudi-Arabien ist nur noch Formalität. Die Sportstrategie des Königreiches geht Stück für Stück auf. Dahinter steckt nicht nur Kronprinz Mohammed bin Salman, wie eine Recherche von "Play the Game" zeigt.

Von Constantin Eckner | 04.11.2023
Yasir Al-Rumayyan ist Präsident des Erdölgiganten Saudi Aramco, Präsident von Newcastle United und Eigentümer mehrerer saudischer Fußball-Vereine. Er ist außerdem im Vorstand des Public Investment Fund.
Yasir Al-Rumayyan ist Präsident des Erdölgiganten Saudi Aramco, Präsident von Newcastle United und Eigentümer mehrerer saudischer Fußball-Vereine. Er ist außerdem im Vorstand des Public Investment Fund. (IMAGO / ABACAPRESS / IMAGO / Balkis Press / ABACA)
Geht es um die Präsenz Saudi-Arabiens in der internationalen Sportwelt, so wird natürlich primär über Mohammed bin Salman als das große Mastermind gesprochen. Der Kronprinz mag sehr wohl der Impulsgeber für die in den vergangenen Jahren stattgefundene Investmentoffensive des Königreiches sein. Allerdings spannt das saudi-arabische Netzwerk mittlerweile so weit, dass MBS, wie bin Salman oftmals genannt wird, nicht überall gleichzeitig sein kann.
Die dänische Organisation "Play the Game" hat dahingehend in den vergangenen Monaten eine intensive Recherche zu weiteren wichtigen Persönlichkeiten Saudi-Arabiens und deren Einfluss in internationalen Sportorganisationen vorgenommen.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman (l.) neben FIFA-Präsident Gianni Infantino bei der Fußball-WM 2018 in Russland.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman (l.) neben FIFA-Präsident Gianni Infantino bei der Fußball-WM 2018 in Russland. (imago / ITAR-TASS / Alexei Druzhinin)
"Wir haben versucht, einen Datensatz zu sammeln, um in den inneren Zirkel der saudi-arabischen Sport-Strategie zu blicken", sagt Stanis Elsborg, Senior Analyst von "Play the Game". "Wir wollten vermerken, wer in den wichtigsten Institutionen sitzt, in Unternehmen und Sportverbänden, um einzugrenzen, wer genau diese Personen sind, für was sie in der Sportwelt stehen, wen sie von den wichtigen staatseigenen Unternehmen vertreten."

Vier Schlüsselpersonen

Dabei hat Elsborg vor allem vier Schlüsselpersonen identifiziert: Yasir Al-Rumayyan, der Präsident des Erdölgiganten Saudi Aramco; Tourismusminister Prinz Abdulaziz bin Turki Al-Saud; Sportminister Ahmed Al-Khateeb; sowie Prinzessin Reema bint Bandar Al-Saud, die saudi-arabische Botschafterin in den USA.
Rein von der Wichtigkeit dieser vier genannten Personen gibt es laut Elsborg noch gewisse Unterschiede: "Nun haben wir die Daten und können eine kleine Karte erstellen und ermitteln, wer die wichtigsten Personen sind. Und unserer Meinung nach ist der Wichtigste von allen Yasir Al-Rumayyan – der Präsident von Aramco. Er ist außerdem im Vorstand des Public Investment Fund, welcher hinter der Mehrheit der Investitionen im internationalen Sport steckt."
Darüber hinaus ist Al-Rumayyan der Präsident des englischen Fußballclubs Newcastle United und Eigentümer mehrerer einheimischer Fußballteams. Über die Sponsorings von Aramco ist er zudem in der Formel 1, im Tennis-, Golf- und Cricketsport präsent. Beim kürzlich ausgetragenen Boxkampf zwischen Tyson Fury und Francis Ngannou war Al-Rumayyan ebenso involviert. Die Liste seiner sportbezogenen Aktivitäten ist seitenlang.

Al-Rumayyan kein Mitglied der königlichen Familie

Nun neigen Regime jedoch dazu, machtvolle Persönlichkeiten so gut es geht in Schach zu halten. "Wenn ich mit meinem analytischen Blick draufschaue, dann lässt sich feststellen: Er ist kein Mitglied der königlichen Familie. Wenn sie ihn loswerden wollen, ist das viel einfacher. Und ich meine das nicht, wie es im Fall von Jamal Khashoggi vonstattenging. Aber sie können ihn von seinen Positionen entfernen und jemand Anderes stattdessen installieren. Das ist bei Angehörigen der königlichen Familie etwas schwieriger", führt Stanis Elsborg aus. "Und was hinzukommt, ist, dass er nicht direkt mit der königlichen Familie verknüpft ist. Bei all den Dingen, die die Königsfamilie hinsichtlich der Kritik in den vergangenen Jahren erlebt hat, kann er zumindest vorgeben, er ist nicht ein Teil davon – wenn er durch die Welt reist, Handelsabkommen schließt und die diplomatischen Beziehungen für den saudi-arabischen Staate pflegt."

Islamwissenschaftler Sons: Man muss "versuchen, Brücken zu bauen"

Wenngleich es eigentlich das Ansinnen der internationalen Sportgemeinschaft ist, wie beispielsweise in der IOC-Charta verankert, dass Regierungen und Sportpolitik bestmöglich voneinander getrennt bleiben, ist das in der Zusammenarbeit mit autokratischen Regimen wie Saudi-Arabien oder auch der Volksrepublik China schwer möglich.
In diesem Zusammenhang rät der Islamwissenschaftler Sebastian Sons unter anderem den deutschen Verantwortlichen zur Kooperation. Es wäre wichtig, "hier ein gewisses Maß zu finden. Auf der einen Seite zu wissen, dass man ein Land wie Saudi-Arabien braucht, aus Sicherheitserwägungen, aus wirtschaftlichen, aus energiepolitischen Erwägungen und dementsprechend man ein solches Land nicht mehr ignorieren kann, ist wichtig. Auf der anderen Seite aber eben auch zu schauen, was kann man mit diesem Land gemeinsam machen? Und hier bietet Sport tatsächlich eine Möglichkeit. Wir haben in Saudi-Arabien 70 Prozent der Menschen, die unter 30 sind, die alle sehr sportbegeistert, sehr fußballbegeistert sind. Wir haben im Gegensatz zu Katar wirklich eine Sport- und Fußballtradition in diesem Land, und das kann man auch nutzen. Da kann man auch versuchen, Brücken zu bauen, und versuchen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen über den Sport. Das soll jetzt gar nicht naiv klingen, sondern hier geht es auch darum, tatsächlich politische und wirtschaftliche Netzwerke zu knüpfen", sagte Sons kürzlich im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.

Saudi-Arabien hat im Sport überall einen Fuß in der Tür

Zunächst läuft die Kommunikation, wenn diese denn gewollt ist, über die wichtigen Drahtzieher, die zweite Reihe hinter MBS. Es ist mittlerweile fast unmöglich auf der internationalen Sportbühne Saudi-Arabien aus dem Weg zu gehen, denn das Königreich hat überall wenigstens einen Fuß in der Tür.
Aus Sicht von Stanis Elsborg geht der Trend nur in eine Richtung: "Das ist nur der Anfang für Saudi-Arabien. Auf was sie es wirklich abgesehen hatten, war die Fußball-Weltmeisterschaft oder die Olympischen Spiele. Das ist gelungen. Aber sie werden trotzdem den Einfluss in den internationalen Sportorganisationen weiter ausbauen, sie werden ebenso das Sponsoring von einer Vielzahl an Sportarten intensivieren."