WM-Vergabe 2034
Kommentar: Infantino zieht den Weltfußball über den Tisch

Die FIFA rennt Saudi-Arabien mit der WM-Vergabe 2034 förmlich entgegen. Kritiker der Entscheidung sucht man fast vergeblich. Fast alle Verbände stehen treu an der Seite der Fußball-Familie. Auch der DFB degradiert sich selbst.

Ein Kommentar von Matthias Friebe |
FIFA-Präsident Gianni Infantino bei dem WM in Katar auf der Tribüne. Neben ihm stehen saudische Offizielle.
Ohne Widerspruch vergibt der FIFA-Kongress die Fußball-WM 2034 nach Saudi-Arabien. Verbandspräsident Gianni Infantino bekommt damit seinen Willen und ist mächtiger, als es sein umstrittener Vorgänger Sepp Blatter je war, kommentiert Matthias Friebe. (IMAGO / Kieran McManus )
Der Sündenfall des Weltfußballs, für viele war das die Fußball-WM in Katar vor genau zwei Jahren. Die Lage der Menschenrechte verheerend, die Situation der Arbeitsmigranten auf den WM-Baustellen lebensgefährlich bis tödlich. Jetzt hat die FIFA die WM 2034 an den großen Nachbarn Katars, an Saudi-Arabien vergeben. Ein Land, dass in allen Menschenrechts-Rankings Lichtjahre hinter Katar liegt.
Die FIFA nimmt Saudi-Arabien nicht nur mit offenen Armen an, sondern rennt dem Land förmlich entgegen. Weil Menschenrechte dem Weltfußballverband nicht viel bedeuten und weil die finanziellen Verlockungen einfach unwiderstehlich sind für FIFA-Chef Gianni Infantino und Co. Und alle machen mit, stimmen beinahe einstimmig für die nächste WM am Golf. Der ganze Weltfußball in der Hand von Gianni Infantino, der das Turnier unbedingt wollte und der weiß, wie er alle auf Linie bringt. Er ist mächtiger, als es sein umstrittener Vorgänger Sepp Blatter je war.

Hütchenspieler-Tricks auf offener Bühne

Waren es 2010 bei der skandalösen Doppel-WM-Vergabe an Russland und Katar noch die berühmten Geldkoffer, die vor der Vergabe die Besitzer wechselten, läuft das System jetzt anders. Inzwischen gibt es üblicherweise ein Rotationsystem der FIFA zwischen den Kontinenten. 2030 lässt man drei als WM-Geburtstagsspiele gebrandete Partien zuerst in Südamerika austragen. Das sorgt dafür, dass Nord- und Südamerika sowie Europa und Afrika als Gastgeber der vorhergehenden Turniere automatisch für 2034 ausgeschlossen werden. Übrig bleibt nur Bewerber Saudi-Arabien. Hütchenspieler-Tricks auf offener Bühne, das ist FIFA-Mafia. Infantino zieht den Weltfußball über den Tisch.
Kritik daran? Fast Fehlanzeige. Norwegen mit der mutigen Präsidentin Lise Klaveness begehrt auf und wehrt sich. Alle anderen still, stumm und treu an der Seite der Fußball-Familie. Beinahe fassungslos kann man auf den DFB schauen. Der größte Fußballverband der Welt ist in der FIFA höchstens ein sportpolitisches Federgewicht. DFB-Präsident Bernd Neuendorf agiert schon grotesk naiv oder nutzt diese Naivität nur vordergründig. Anders ist seine Aussage kaum zu erklären, er müsse mit „Ja“ stimmen, um sich nicht im Weltfußball zu isolieren.

DFB-Präsident Neuendorf degradiert seinen Verband als braver Abnicker

Als Neuendorf in den FIFA-Rat, die Regierung des Weltverbands, gewählt wurde, sagte er, eine Mitgliedschaft wäre auch für den deutschen Fußball von enormer Bedeutung, um dort für die deutschen Interesse den Einfluss geltend zu machen.
Bei den großen Entscheidungen zeigt sich Neuendorf aber vor allem als braver Abnicker und degradiert sich und seinen Verband zu einem schwachen Mitläufer. Offenbar ist man beim DFB immer noch traumatisiert von der WM in Katar, als das selbstgerechte und am Ende lächerliche Auftreten mit Mund-zu-Geste in Kombination mit desaströser sportlicher Leistung international zu Hohn und Spott führte.
In den nächsten zehn Jahren können wir uns einstellen auf die altbekannten Phrasen, der globale Scheinwerfer werde auf Saudi-Arabien leuchten. Alle können nun sehen, was sich verändere. Und wenn dann 2034 das Turnier beginnt, werden wieder alle sagen, jetzt ist es zu spät, um zu boykottieren oder laut zu werden, das hätte man besser mal bei der Vergabe getan. WM in Saudi-Arabien: der nächste Sündenfall, oder wie auch immer man dann dieses Turnier nennen wird.