Fußball-WM der Frauen 2027
Politischer Druck auf die europäische Bewerbung

Deutschland will 2027 gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden die Fußball-WM der Frauen austragen. Von drei Konkurrenten ist mit Brasilien nur noch einer übrig - doch die europäische Bewerbung steht vor politischen Schwierigkeiten.

Von Chaled Nahar |
    (v.l.) DFB-Präsident Bernd NEuendorf, DFB-Spielführerin Alexandra Popp, Bundeskanzler Olaf Scholz und DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich
    (v.l.) DFB-Präsident Bernd NEuendorf, DFB-Spielführerin Alexandra Popp, Bundeskanzler Olaf Scholz und DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich (IMAGO / Jan Huebner / IMAGO / Gerhard Schultheiß)
    Die WM wird am 17. Mai beim FIFA-Kongress in Bangkok/Thailand vergeben. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Vergabe:

    Wer bewirbt sich um die WM 2027?

    Deutschland will das Turnier gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden austragen. Im Verlauf der letzten Monate stieg zunächst Südafrika aus und zuletzt zogen auch die USA und Mexiko ihre gemeinsame Bewerbung zurück. Für die europäische Bewerbung bleibt damit ein Konkurrent übrig: Brasilien.
    Die Chancen für die europäische Bewerbung stehen nicht unbedingt schlecht, klarer Favorit ist sie aber auch nicht. Durch den Rückzug der Bewerbungen aus den USA und Mexiko sowie aus Südafrika kommt es auch darauf an, Stimmen aus dem jeweiligen Lager der beiden Aussteiger zu gewinnen.

    Was spricht für die europäische Bewerbung?

    Die Bewerbung der drei Länder wirbt mit kurzen Wegen, 13 Stadien sollen genutzt werden. In Deutschland sind Gelsenkirchen, Dortmund, Köln und Düsseldorf als Spielorte vorgesehen. Mit den Stadien in den Niederlanden und in Belgien soll ein vergleichsweise kleines Gebiet entstehen, in dem die Spiele stattfinden.

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    "Ich glaube, dass wir eine WM bieten können mit hervorragender Infrastruktur und Organisation, mit kurzen Wegen zu den Spielorten und der Aussicht auf einen sehr guten monetären Gewinn, der wieder in die weltweite Entwicklung des Frauenfußballs fließen wird", hatte DFB-Sportdirektorin Nia Künzer im "Kicker" gesagt.

    Was spricht für Brasilien?

    Deutschland richtete zuletzt 2011 die WM aus, Europa war mit Frankreich erst 2019 Gastgeber - Südamerika dagegen noch nie. Beim Kongress von Südamerikas Verband CONMEBOL (vergleichbar mit der UEFA) sagte Verbandschef Alejandro Dominguez in Anwesenheit von FIFA-Präsident Gianni Infantino: "Ich appelliere: 2027 muss die Frauen-WM zum ersten Mal in der Geschichte in Südamerika gespielt werden." Man müsse die Entwicklung des Frauenfußballs vorantreiben. Durch die Männer-WM 2014 ist noch viel Infrastruktur vorhanden, mehrere Stadien von damals sind bei einem Zuschlag für die WM der Frauen 2027 vorgesehen. Von den 13 geplanten Stadien waren zehn schon 2014 in Gebrauch.
    CONMEBOL-Chef Alejandro Dominguez (links) mit FIFA-Präsident Giovanni Infantino.
    CONMEBOL-Chef Alejandro Dominguez (links) mit FIFA-Präsident Giovanni Infantino. (AP / Jorge Saenz)
    Die drei europäischen Verbände sind sicher, dass ihre Bewerbung die höchste Qualität hat. Die Prüfberichte der FIFA, in denen die Fragen beispielsweise nach Stadien, Teamunterkünften oder Verkehrsanbindungen und Hotelzimmern beantwortet werden, sind noch nicht veröffentlicht worden. Allerdings gab es auch in der Vergangenheit Turniere, bei denen nicht die beste Bewerbung den Zuschlag erhielt - die Abstimmung ist offen, beide Bewerbungen können den Zuschlag unabhängig von den Prüfberichten erhalten.
    Ein Beispiel ist die WM der Männer 2022 in Katar. Bei der WM 2023 der Frauen stimmten die Verbände aus Europa und Südamerika in einem Machtkampf mit der FIFA geschlossen für die laut Prüfberichten schlechtere Bewerbung aus Kolumbien - am Ende gewann aber die Bewerbung aus Australien und Neuseeland.

    Wie stehen die Europäer in der FIFA politisch da?

    Die europäische Bewerbung wird sich zumindest auf einen Großteil der Stimmen aus der UEFA stützen können. Die "One-Love"-Posse bei der WM der Männer 2022 in Katar sorgte aber bei vielen Ländern für Unmut, das Verhältnis zur FIFA war zeitweise sehr angespannt. Das ist kein rein deutsches Phänomen. Nicht nur Bundesinnenministerin Nancy Faeser, auch Belgiens Außenministerin Hadja Lahbib zeigte sich in Katar mit der "One Love"-Binde auf der Tribüne. Abstimmungen werden in FIFA-Versammlungen oft genutzt, um abzustrafen, Rechnungen zu begleichen oder politische Machtverhältnisse zu klären.
    Belgiens Außeninisterin mit "One Love"-Binde im Gespräch mit Gianni Infantino
    Belgiens Außeninisterin mit "One Love"-Binde im Gespräch mit Gianni Infantino (IMAGO / Panoramic International / IMAGO / Vincent Kalut)
    Wiederholt wird berichtet, Saudi-Arabien stehe kritisch zur europäischen Bewerbung und nehme Einfluss. Ein Hintergrund: DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig hatte im ZDF mit Blick auf die de facto nach Saudi-Arabien vergebene Männer-WM 2034 gesagt, er habe "Jamal Kashoggi nicht vergessen". Kashoggi war ein kritischer saudi-arabischer Journalist, der in der Türkei von einem Killerkommando ermordet wurde. Einem UNO-Untersuchungsbericht zufolge soll die Anweisung dazu aus höchster Regierungsebene in Saudi-Arabien gekommen sein.

    Wie wird abgestimmt und wer stimmt ab?

    Der FIFA-Kongress ist die Versammlung der 211 FIFA-Mitglieder. Alle Verbände, die zum Zeitpunkt der Veranstaltung nicht suspendiert sind, dürfen abstimmen. Ausgenommen davon sind die Verbände, die an den Bewerbungen beteiligt sind. Deutschland darf also nicht für sich selbst stimmen. Europa hat damit 52 Stimmen, Südamerika neun. Hinzu kommen die Kontinentalverbände aus Afrika (54), Asien (46), Nord-/Mittelamerika (35) und Ozeanien (11).
    Blick in den Saal beim FIFA-Kongress 2022 in Doha/Katar
    Blick in den Saal beim FIFA-Kongress 2022 in Doha/Katar (IMAGO / Schüler / IMAGO / Marc Schueler)
    Im ersten Wahlgang ist eine absolute Mehrheit von mehr als 50 Prozent unter den stimmberechtigten anwesenden Mitgliedern nötig. Sollte diese nicht zustande kommen, reicht im zweiten Wahlgang eine einfache Mehrheit unter Abzug von Enthaltungen.

    Was ist mit den Männerturnieren 2030 und 2034?

    Diese werden zu einem späteren Zeitpunkt bei einem anderen Kongress vergeben. Die FIFA will in Bangkok aber ihre Statuten ändern, damit beide Turniere bei einem Kongress vergeben werden können, bislang darf nur über ein Turnier bei einem Kongress abgestimmt werden. Die Sieger stehen längst fest, für beide Turniere gibt es jeweils nur eine Bewerbung. 2030 soll die WM auf Vorschlag des FIFA-Rats in Spanien, Portugal und Marokko stattfinden, wegen des Jubiläums 100 Jahre nach der ersten WM in Uruguay sollen zudem Spiele in den südamerikanischen Ländern Uruguay, Argentinien und Paraguay stattfinden.
    Diesem Deal im FIFA-Rat, in dem DFB-Präsident Bernd Neuendorf Mitglied ist, folgte ein weiterer: Wegen 2030 wurden die drei beteiligten Kontinente für 2034 ausgenommen, auch Nordamerika war wegen der WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko außen vor. Somit blieb realistischerweise nur Asien übrig - und der dortige Verband unterstützte sofort die saudi-arabische Bewerbung, die ohne Konkurrenz in die Abstimmung für die WM 2034 gehen wird. All das kann auch mit der Frauen-WM 2027 zu tun haben.
    All das kann auch mit der Frauen-WM 2027 zu tun haben. Brasilien ist eine der wichtigsten Fußballnationen der Welt, ging im Gegensatz zu drei anderen südamerikanischen Ländern bei der WM 2030 der Männer aber leer aus. Eine Vergabe der WM 2027 der Frauen nach Brasilien könnte auch eine versöhnliche Geste sein - es wäre zum Nachteil der Bewerbung aus Deutschland, BElgien und den Niederlanden.