Fußball-Weltmeisterschaft in Russland, die erste mit Videobeweis. Ein Prestige-Projekt für die FIFA und Präsident Gianni Infantino. Das hat er mehrfach betont, auch im Vorfeld des Turniers: "Wir sind überzeugt von den Vorteilen des Video-Assistenten. Er wird nicht 100 Prozent der Probleme lösen, aber er wird dem Schiedsrichter eine große Hilfe sein."
Vor der Frauen-WM in Frankreich scheint der Video-Assistent aber nicht mehr ganz so wichtig zu sein. Weniger als sechs Monate vor der Eröffnung des Turniers steht noch immer nicht fest, ob das Hilfsmittel zum Einsatz kommen wird oder nicht. Auf eine Anfrage gibt es von der FIFA nur eine schriftliche Antwort: "Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Es laufen noch immer Abklärungen. Sobald alles klar ist und wir etwas zu kommunizieren haben, werden wir dies entsprechend tun."
In anderen Ländern läuft die Diskussion
In einigen Ländern ist der Unmut deshalb groß. Immerhin ist die Nutzung eines Video-Assistenten inzwischen auch Teil der Fußball-Regeln. Die amerikanische Spielerin Megan Rapinoe beklagt in der New York Times eine Benachteiligung der Frauen: "Es muss nicht alles gleich sein. Ich verstehe, dass das Spiel der Männer kommerziell größer ist und mehr Geld einbringt. Aber es gibt einige Dinge, bei denen klar wird, dass sie sich nicht um uns kümmern oder nicht mal an uns denken. Es fühlt sich immer so an: Was ist mit uns?"
"Es wäre schön, wenn wir denselben Luxus hätten", ergänzt die englische Spielerin Beth Mead. Ähnliches kann man zum Beispiel auch aus Australien hören.
Keine offensiven Töne aus Deutschland
Im deutschen Frauenfußball will sich dagegen kaum jemand derart offensiv zum Thema äußern. Die Antworten lauten meist sinngemäß, man wolle die Entscheidung nicht negativ beeinflussen.
Der DFB teilt über die Sprecherin der Frauen-Nationalmannschaft ebenfalls nur schriftlich mit: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir zunächst die Entscheidung der FIFA abwarten möchten. Grundsätzlich steht der DFB dem Thema Videoassistent jedoch positiv gegenüber." Es klingt zumindest durch, dass sich auch im deutschen Frauenfußball viele den Video-Assistenten für die WM wünschen würden.
Es bliebe nur wenig Zeit zur Vorbereitung
Doch die Zeit drängt. Die Auslosung der Gruppen hat längst stattgefunden. Vor dem Turnier, das am 7. Juni 2019 startet, müssten die 27 berufenen Schiedsrichterinnen noch geschult werden. Video-Assistentinnen gibt es kaum, die FIFA müsste daher zum großen Teil wohl auf die Männer zurückgreifen, die auch in Russland an den Bildschirmen saßen.
"Dann bringt eben die Männer in den Videoraum, das Geschlecht ist mir egal. Ich will dieselben Verhältnisse", fordert Jill Ellis, Trainerin der amtierenden Weltmeisterinnen aus den USA.
In Frankreich ist viel Infrastruktur bereits vorhanden
Gegenargumente gibt es eigentlich wenig. Dass die meisten Frauenligen wohl nicht so schnell den Video-Assistenten bekommen werden, muss längst kein Hindernis für das wichtigste Turnier der Frauen sein. Liegt es am Geld? Der Video-Assistent ist teuer. Die WM wird in neun Stadien ausgetragen, sechs davon sind Schauplätze der ersten französischen Männer-Liga. Und die nutzt nicht nur den Video-Assistenten, sondern sogar das von der FIFA bei der Männer-WM genutzte System der Firma Hawk-Eye. Die grundsätzliche Infrastruktur ist also zum großen Teil vorhanden. Drei Stadien müssten ausgerüstet werden - für die FIFA wohl ein überschaubarer Kostenrahmen.
Und Präsident Infantino hatte den Frauen in Sachen Geld eigentlich klare Zusagen gemacht: "50 Prozent der Weltbevölkerung - die Frauen - müssen ebenfalls richtig behandelt werden, in einem derart wichtigen Sport wie Fußball. Wir müssen in den Frauenfußball investieren." Ob die FIFA aber nun wie versprochen in den Frauenfußball investiert, ist in Sachen Video-Assistent für die WM zunächst offen. Die Frage bleibt, warum die FIFA sich bei dieser Entscheidung so schwer tut. Zumal Infantino am Ende der Männer-WM in Russland sagte: "Heute ist es schwer, sich eine WM ohne den Video-Assistenten vorzustellen." Damit meinte er wohl alleine das Turnier der Männer.