Zürich, 2. Dezember, 2010: Für das kleine Wüstenemirat Katar läuft es an diesem Nachmittag wie geschmiert.
"The winner is Katar"
Der krasse Außenseiter erhält den Zuschlag für die WM 2022 – und es ist nicht mal ein knappes Rennen. 14 von 22 Mitgliedern des FIFA-Vorstandes stimmen für die Wüsten-WM in der Sommerhitze. Für den Deutschen Fußballbund bei der Wahl mit dabei: Franz Beckenbauer.
Offiziell unterstützt der DFB damals die Bewerbung des australischen Verbandes. Doch Australien scheidet schon im ersten Wahlgang aus, mit nur einer Stimmer, und die kommt nicht von Beckenbauer, sondern von Sepp Blatter. Das sagt der immer noch bestens vernetzte ehemalige FIFA-Direktor Guido Tognoni:
"Ich weiß das von Leuten, die sehr nah bei Sepp Blatter sind, dass er den Australiern aus reiner Sympathie die Stimme gegeben hat um zu verhindern, dass [Australien] eine absolute, totale Niederlage erleidet. Ist ja an sich nicht so sehr von Belang, aber auf alle Fälle kam sie nicht von Deutschland."
Bis heute sagt Beckenbauer nicht, für wen er bei der skandalumwitterten Wahl abgestimmt hat. Einzig der Franzose Michael Platini, Chef des Europäischen Fußballverbandes, hat zugegeben, für Katar gestimmt zu haben: Allerdings erst, nachdem bekannt wurde, dass er kurz vor der Wahl beim damaligen französischen Präsidenten Sarkozy zum Abendessen war. Ebenfalls dabei: Der Emir von Katar, der kurz zuvor auch schon im Berliner Schloss Bellevue zu Gast war.
Ein gefundenes Fressen für FIFA-Präsident Sepp Blatter, Platinis Dauerrivale und Katar-Gegner. Vor zwei Wochen im Schweizer Fernsehen. Blatter legt wieder einmal den Finger in die Wunde:
"Ich würde nie sagen, dass sie die WM gekauft haben. Es war politischer Druck. Es gibt große französische und deutsche Unternehmen, die in Katar arbeiten, aber nicht nur für die Weltmeisterschaft."
Konkreter wird Blatter nicht, anders als Andreas Gross, Schweizer Sozialdemokrat im National- und Europarat. Er hat im vergangen Winter öfter mit Blatter über die Umstände der Vergabe nach Katar gesprochen. Dabei habe ihm der FIFA-Präsident erstaunliches berichtet, so Gross
"Und da hat er mir damals schon gesagt, dass auch der deutsche damalige Bundespräsident Wulff ihm zum Ausdruck gebracht hätte, dass die deutschen Interessen ganz klar für Katar sprechen würden. Die Infrastruktur, da hätte Deutschland vieles zu verdienen."
Hat der damalige Bundespräsident Druck gemacht auf den FIFA-Boss und weitere Wahlmänner? Auf Anfrage der ARD-Rechercheredaktion Sport bestreitet Wullf, sich für die WM in Katar eingesetzt zu haben. Blatter will sich ebenfalls nicht mehr äußern. Doch klar ist: Konzerne wie die Deutsche Bahn, Siemens und Hochtief haben mit Milliarden-Aufträgen profitiert - Deutschland ist schon jetzt einer der großen Gewinner der WM-Vergabe in der Wüste.