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WM in Russland
Kein Boykott, aber trotzdem nicht hinfahren

Nach dem mutmaßlichen Anschlag auf einen ehemalige Spion haben sich 24 Staaten Großbritannien angeschlossen und russische Diplomaten ausgewiesen. Knapp drei Monate vor dem Beginn der Fußball-WM in Russland rückt auch ein politischer Boykott weiter in den Fokus.

Von Jessica Sturmberg |
    Das Logo der Fußball-WM 2018 in Russland wird auf die Fassade des Bolschoi-Theaters in Moskau projiziert.
    Das Logo der Fußball-WM 2018 in Russland wurde bei der Präsentation auf die Front des Bolschoi-Theaters in Moskau projiziert. (picture alliance / dpa / Alexander Vilf)
    Sollte das deutsche Team bei dieser WM wieder erfolgreich sein, könnte es dieses Mal ohne Selfies der Mannschaft mit Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier enden. Denn ob bei den derzeitigen Spannungen überhaupt ein hoher Regierungsvertreter nach Russland fährt, ist fraglich.
    Festgelegt hat sich die Regierung bislang nicht. Möglich auch, dass zwar ein Boykott nicht ausgesprochen wird, aber am Ende einfach keiner hinfährt. Das wäre in der jetzigen Lage die richtige Entscheidung, findet FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff:
    Alexander Graf Lambsdorff
    FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff (dpa/picture-alliance/Monika Skolimowska)
    "Ich glaube, dass es falsch wäre, wenn die Bundeskanzlerin oder der Bundespräsident da ins Stadion führen. Ich glaube, dass die höchstrangigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in dieser Situation dort nicht hinfahren sollten."
    "Die Fußballmanschaften ihr Turnier spielen lassen"
    Einen sportlichen Boykott fände er dagegen falsch, sagte Graf Lambsdorff im DLF:
    "Ich glaube man sollte den Sport aus diesen Fragen heraushalten und die Fußballmannschaften ihr Turnier spielen lassen. Es ist eine ganz andere Frage, ob hochrangige Politiker, Regierungsmitglieder dahin fahren sollten. Da haben sich einige Länder schon dagegen entschieden."
    Allen voran die betroffenen Engländer. Als zweites Land hat sich gestern Island festgelegt und bekannt gegeben, dass kein Mitglied der Regierung zur WM fahren wird. Auch wenn das schwerfallen dürfte, schließlich hat sich das Land zum ersten Mal überhaupt für eine WM qualifiziert und die isländischen Fans sind für ihre gute Stimmung in den Stadien bekannt.
    "Es geht nicht nur um den Anschlag"
    Eine Atmosphäre, bei der normalerweise auch Staatspräsident Guðni Jóhannesson gerne dabei ist und sich volksnah zeigt. Außenminister Guðlaugur Þór Þórðarson sagte dazu im isländischen Rundfunksender RÚV:
    "Ich hoffe, dass die Russen die Solidarität der Länder und die Botschaft ernst nehmen, es geht nicht nur um den Anschlag in Salisbury, sondern hier kommt einiges zusammen."
    Auch Australien erwägt einen solchen diplomatischen Boykott. Kurzzeitig hieß es sogar, die Australier boykottierten die WM auch sportlich. Dann stellte Außenministerin Julie Bishop aber klar: Das sei falsch. Am Turnier dürften demnach wie geplant alle Teams teilnehmen. Aber politische Treffen am Rande des Sportgroßereignisses wird es womöglich wenige geben.