Der frühere FBI-Direktor Michael Garcia beklagte in einem Statement mehreren Medien zufolge "zahlreiche unvollständige und fehlerhafte Darstellungen der Tatsachen und Schlussfolgerungen" und kündigte eine Berufung an.
Zuvor hatte die FIFA-Ethikkommission nach mehrjährigen Ermittlungen im Bieterwettbewerb um die beiden Turniere zwar viele Verstöße gegen moralische wie juristische Regularien des Weltverbandes festgestellt. Kein Vergehen wurde allerdings als so gravierend eingestuft, dass Sanktionen zu fällen wären, heißt es in dem 42-seitigen Bericht der rechtssprechenden Ethikkammer unter dem Vorsitz des deutschen Juristen Hans-Joachim Eckert. Die FIFA begrüßte den Bericht. Forderungen von Verbänden wie dem Deutschen Fußball-Bund und der englischen FA, auch Garcias Bericht zu veröffentlichen, hat sie bislang immer wieder abgelehnt.
Full statement by the chairman of the Ethics Committee’s adjudicatory chamber available now @FIFAcom - http://t.co/OY7DfGk7jh— FIFA Media (@fifamedia) 13. November 2014
In Eckerts Stellungnahme heißt es, eine Aberkennung der Gastgeberrollen von Katar und Russland käme nach den Ermittlungen nicht infrage. "Insbesondere waren die Auswirkungen dieser Ereignisse auf das Bieterverfahren als Ganzes weit davon entfernt, jede Schwelle, die eine Rückkehr ins Bieterverfahren, geschweige denn Neuausschreibung erfordern würde, zu überschreiten", heißt es in dem Urteil.
Russland zerstörte Computer
Beim WM-Gastgeber 2018 Russland waren die Ermittlungen schwierig, weil viele Computer mittlerweile zerstört wurden. Nachgewiesen werden konnten dennoch mehrere Verstöße gegen Meldepflichten von Kontakten zu FIFA-Exekutivmitgliedern, diese hatten jedoch keinen nachweisbaren Einfluss auf die WM-Vergabe, heißt es.
Bei Katar werden mehrere Punkte genannt. Von der Verflechtung der Tätigkeiten der im internationalen Sport-Business aktiven Aspire Academy über die Organisation eines provisionsträchtigen Länderspiels zwischen Brasilien und Argentinien bis hin zu den Geschäften des ehemaligen FIFA-Vizechefs Mohammed bin Hammam, dem jedoch nur unlautere Mittel in seinem gescheiterten Präsidentschaftswahlkampf 2011 nachgewiesen werden können. Fazit: Keine eindeutigen Beweise, keine Anklage, kein Schuldspruch.
Unterlegene Kandidaten versuchten teilweise ebenfalls, Einfluss zu nehmen
Mehrfach hatte der frühere FBI-Direktor Michael Garcia die Abgabe seiner Ergebnisse bei Eckert verschoben. 75 Interviews in zehn Ländern wurden geführt, 200.000 Seiten geschrieben. Das Resultat: Verfehlungen gab es vor der skandalumwitterten Doppelvergabe am 2. Dezember 2010 in Zürich sehr wohl.
Besonders der ehemalige FIFA-Vizepräsident Jack Warner aus Trinidad & Tobago - 2011 im Zuge eines anderen Bestechungsskandals zurückgetreten - wurde von mehreren Kandidaten mit unmoralischen Angeboten kontaktiert, so offenbar auch aus England und Australien. Ein direkter Zusammenhang mit den WM-Bewerbungen war aber nie zu beweisen oder die Versuche hatten nachweislich keinen Einfluss auf das Stimmverhalten.
Japan, Südkorea und die USA versuchten sich offenbar mit Geschenken bei FIFA-Funktionären beliebt zu machen oder gegenseitige Absprachen mit anderen Kandidaten zu treffen. Die Bewerber aus Spanien/Portugal werden in dem Bericht nicht aufgeführt, was die Vermutung nahelegt, dass es sich dabei um den einzigen Kandidaten handelt, der laut Eckert bei den Untersuchungen nicht kooperierte - und dennoch ungestraft bleibt. Einzig die Doppel-Bewerbung der Niederlande mit Belgien hatte sich gar nichts zuschulden kommen lassen, wird in dem Bericht konstatiert.
FIFA-Präsident Blatter ausdrücklich freigesprochen
In seinen Schlussbemerkungen hält Eckert fest: "Anzunehmen, dass zum Beispiel Umschläge voller Bargeld im Austausch für WM-Stimmen überreicht werden, ist naiv. Korruption, auch in der normalem Geschäftswelt, wird auf viel intelligentere Weise vorgenommen ...", schreibt der Jurist. Ausdrücklich freigesprochen von jedem Verdacht der Bestechlichkeit oder irregulären Einflussnahme wurde FIFA-Präsident Joseph Blatter.
Im Gegenteil: Eckert bescheinigt dem Schweizer eine aktive Rolle im FIFA-Demokratisierungsprozess. Franz Beckenbauer als deutsches Mitglied der FIFA-Regierung zum Zeitpunkt der WM-Vergabe wird wie alle offenbar unbescholtenen Exko-Mitglieder namentlich nicht genannt - dennoch erwähnt Eckert die zwischenzeitliche Weigerung des Fußball-Kaisers, die Fragen der Ermittler zu beantworten, die während der WM im Sommer zu einer provisorischen Sperre Beckenbauers geführt hatte.
(nch/swe)