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Wo aus Stroh Benzin wird

Straubing ist Deutschlands größtes Zentrum zur Erforschung und Gewinnung von nachwachsenden Rohstoffen. Was einst als Strukturförderung für eine benachteiligte Region begann, ist heute ein Standort zukunftsweisender Technologie, an dem Bauern, Forscher und Brennstoffhersteller gemeinsam an der grünen Energiewende arbeiten.

Von Lars-Haucke Martens |
    Nur mit Ohrenschützern darf man in die Nähe der gigantischen Ölmühlen im Industriegebiet Straubing-Sand. Unter gewaltigem Druck wird hier mehr Rapssaat verarbeitet, als die gesamte Ernte im Flächenstaat Bayern hervorbringen kann. Nachschub kommt per Schiff aus dem europäischen Ausland. Entladen wird praktischerweise am eigenen Donauhafen.

    Der Gedanke daran, wie viel Ladung hier inzwischen täglich gelöscht wird, macht Andreas Löffert stolz. Er ist der Chef dieses größten Industrieparks in Süddeutschland, dem BioCampus. Das Ziel: Die Ansiedlung von Unternehmen, die mit nachwachsenden Rohstoffen arbeiten wollen:

    "Ich denke seit Jahrhunderten gibt es Unternehmen, die damit Geschäfte gemacht haben, wo wir es noch gar nicht so modern fanden. Jedes Sägewerk arbeitet mit nachwachsenden Rohstoffen. Wir haben heute ganz andere Fragestellungen und wir haben hochinnovative Entwicklungen in unseren Wissenschaftszentren. Jetzt gilt es, aus diesen Innovationen auch marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu fahren."

    Zum Beispiel bei der Produktion von Holzpellets. 20 Tonnen Holzschnitzel verarbeitet das größte Holzpelletwerk Europas hier pro Stunde zu Heizungsfutter. Diese Unternehmensansiedlung ist kein Zufall - liegt doch der Bayerische Wald mit seinen gigantischen Holzvorkommen direkt vor der Tür. An der Entwicklung neuer Produkte arbeitet man auch am Wissenschaftszentrum Straubing. Mit den Pelletherstellern habe man schon gemeinsame Projekte gehabt, erzählt der stellvertretende geschäftsführende Direktor, Klaus Menrad. Im Moment forschen seine Kollegen an einem neuen, klimaneutralen Kraftstoff:

    "Da geht es eigentlich drum, dass man Reststoffe einsetzen kann, um Biokraftstoff zu erzeugen. Also keine stärkehaltigen Agrarprodukte. Direkt arbeiten wir hier am Stroh, das ist ein Reststoff, der in der Landwirtschaft in recht ordentlichen Mengen anfällt. Und deswegen die Idee, aus diesem Stroh Kraftstoff zu machen."

    Wenn das klappt, wäre das fast wie in "Rumpelstilzchen", wo Stroh zu Gold gesponnen wird. Die Vermarktungsexperten jedenfalls sind schon vor Ort. Denn zusätzlich zu den wissenschaftlichen Einrichtungen siedelte der Freistaat Bayern direkt nebenan auch das Marketing-Netzwerk "C.A.R.M.E.N." an. Deutschlandweit vermittelt es Informationen zu Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen – und dient als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Unternehmen und Landwirten. Und die haben viele Fragen:

    "Was kann ich für nachwachsende Rohstoffe auf meinen Feldern anbauen? Ist es für mich wirtschaftlich umsetzbar, eine Biogasanlage aufzubauen? Ist es für mich sinnvoll meine Energieversorgung auf Holz oder Ähnliches umzustellen? Der Fragenkatalog ist riesengroß und bunt, wie auch die Palette der nachwachsenden Rohstoffe."

    Sagt der Chef des Marketing-Netzwerks, Edmund Langer. C.A.R.M.E.N. arbeitet ständig daran, die Akzeptanz für neue Öko-Produkte zu erhöhen. So überzeugten sie den örtlichen Abfallzweckverband, eine aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellte Kompost-Tüte einzuführen. Dessen Geschäftsleiter Anton Pirkl war bei diesem Projekt zunächst skeptisch:

    "Unsere Skepsis kam eigentlich daher, dass diese Tüten aus so einem tollen Material bestehen, dass sie eigentlich zunächst selber aussehen wie Plastik. Wir haben an die Abbaubarkeit von Anfang an geglaubt, unsere Sorge war die Verwechslungsgefahr."

    Heute ist der Abfallzweckverband selbst Mitglied des Vermarktungsnetzwerks. Die nachwachsenden Rohstoffe entpuppen sich zudem als Jobmotor. Mehr als 250 Arbeitsplätze sind allein im Industriegebiet Straubing-Sand entstanden. Der Landkreis, die Stadt und angrenzende Gemeinden haben sich zur "Region der nachwachsenden Rohstoffe" zusammengeschlossen. Bei der Genehmigung einer neuen Lagerhalle interessiert es hier niemanden mehr, ob sie möglicherweise auf einer Gemeindegrenze steht. Klaus Menrad vom Wissenschaftszentrum Straubing bringt das, was die Menschen hier zur Zusammenarbeit antreibt, auf eine kurze Formel: Man arbeite eben an der Zukunft.

    Infos:
    C.A.R.M.E.N. - Die Koordinierungsstelle für Nachwachsende Rohstoffe