Archiv


Wo die deutsche Teilung beschlossen wurde

Vor 67 Jahren fand im Schloss Cecilienhof die Potsdamer Konferenz statt, auf der Stalin, Churchill und Truman die politische Neuordnung Europas beschlossen. Das Potsdamer Abkommen legte unter anderem die Reparationen Deutschlands fest. Nun ist in der einstigen Hohenzollern-Residenz eine neue Dauerausstellung zu sehen.

Matthias Simmich im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 05.06.2012
    Doris Schäfer-Noske: Cecilienhof ist ein Schloss in Potsdam, das eher wie ein Gutshof aussieht. Kurz nach Kriegsende, vor 67 Jahren, fand dort die Potsdamer Konferenz statt. Dabei beschlossen die "Großen Drei", Stalin, Churchill und Truman, die politische Neuordnung Europas, darunter auch die Teilung Deutschlands. Sie verpflichteten sich im Potsdamer Abkommen, die Deutschen zu demokratisch geprägten Menschen umzuerziehen, und stimmten der Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten zu. Außerdem wurde festgelegt, welche Reparationen Deutschland zu leisten hatte. Die Nachkriegszeit begann. - Nun ist in der einstigen Hohenzollern-Residenz eine neue Dauerausstellung zu sehen. Frage an den Kurator, Matthias Simmich: Herr Simmich, was unterscheidet denn diese Ausstellung vor der bisherigen?

    Matthias Simmich: Insgesamt gesehen kann man sagen, dass die jetzige Dauerausstellung viel umfangreicher geworden ist. Bisher gab es nur im Eingangsbereich eine kleine Präsentation zur Vorgeschichte der Potsdamer Konferenz und mit einigen Fakten dann zur Konferenz. Wir haben jetzt diese Ausstellung ausgedehnt auf alle Schlossräume, also den Großteil der Räume, die während der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 von den Delegationen genutzt wurden, und das bietet natürlich Möglichkeiten, viel mehr Hintergrundinformationen dem Besucher zu präsentieren.

    Schäfer-Noske: Inwieweit gibt es denn neue Erkenntnisse, die Sie da auch mit einbeziehen konnten?

    Simmich: Also es gibt eine wirklich neue Erkenntnis zur Nutzung der Räumlichkeiten. Es gab bisher schon immer Zweifel, welche Arbeitszimmer genau von den "Großen Drei", also Churchill, Truman und Stalin, genutzt wurden. Jetzt habe ich durch die Recherchen unter anderem auch in London einen Zeitzeugen befragen können, der damals Dolmetscher in der britischen Delegation gewesen ist, Hugh Lunghi, ein hochbetagter Mann, jetzt über 90 Jahre alt, und er hat ein Foto zur Verfügung gestellt, was aus dem britischen Sektor sozusagen des Gebäudes, vom Obergeschoss, aufgenommen wurde. Dann habe ich einen Lageplan des britischen Geheimdienstes im Archiv des "Imperial War Museum" gefunden, auf dem ganz eindeutig die Räume der Briten dargelegt sind. Und wenn wir das jetzt vergleichen mit den Informationen, die wir zu den Amerikanern und Sowjets haben, ergab sich daraus, dass die Briten nur das Obergeschoss genutzt haben und nur ein kleiner Raum neben dem Konferenzsaal für Churchill als Arbeitszimmer reserviert war, dass wir jetzt also tatsächlich eine neue Bewertung der Räumlichkeiten im Schloss Cecilienhof vornehmen konnten.

    Schäfer-Noske: Ist es denn so, dass es in diesen Zimmern einen direkten Verweis gibt auf die Hintergründe des betreffenden Landes?

    Simmich: Jam wir haben im Eingangsbereich hier eine neutralere Einführung. In Form eines Zeitstrahls wird der Besucher auf diese Zeitreise mitgenommen und dann begibt er sich in Themenräume. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir im britischen Arbeitszimmer auf die Wahlen eingehen, die in Großbritannien damals im Sommer _45 stattfanden, und zur Überraschung der Welt verlor Churchill die Wahlen und sein Nachfolger Clement Attlee leitete dann die britische Delegation während der letzten Konferenzwoche, und da wird etwas genauer auch analysiert, wie es dazu gekommen ist. Also wir gehen etwas weg von dieser nationaleren Perspektive und beschäftigen uns jetzt eben auch mit diesen landesspezifischen Besonderheiten, zum Beispiel dann auch im amerikanischen Arbeitszimmer zum Pazifik-Krieg, der Potsdamer Deklaration, also die Aufforderung an Japan, bedingungslos zu kapitulieren, und letztendlich dann der Einsatz der Atombombe in Hiroshima und Nagasaki.

    Schäfer-Noske: Der wichtigste Raum ist ja der Konferenzraum, das Kaminzimmer. Was war denn dort bisher und was gibt es jetzt Neues zu sehen?

    Simmich: Natürlich steht im Vordergrund in allen Räumen, aber eben auch in der Konferenzhalle die historische Ausstattung. Es gibt also nach wie vor diesen großen runden Konferenztisch mit den Fahnen der drei Siegermächte und die Sitzordnung wird präsentiert mit den Stühlen in zwei Reihen darum herum. Aber zusätzlich gibt es jetzt in einem Bereich an der Seite zugänglich für den Besucher drei hinterleuchtete Glas-Stelen, und darauf sind unter anderem Auszüge aus dem Potsdamer Kommuniqué zu lesen, dass man also authentisch als Besucher nachvollziehen kann, was tatsächlich beschlossen wurde. Es gibt eine Karte, die verschiedene Grenzverläufe zwischen Deutschland und Polen und letztendlich dann auch die Oder-Neiße-Grenze, die heutige Grenze, festlegt und nachvollziehbar macht, aber auch die Unterschriften, die Signaturen der "Großen Drei" unter das Kommuniqué, was am Ende dann veröffentlicht wurde, und eine Vielzahl von Fotografien auch vom Konferenzgeschehen. Wir haben auch den Audio-Guide komplett überarbeitet und es sind dort auch die O-Töne erst einmal der "Großen Drei" zu hören, also man kann authentisch die Stimmen Churchills, Trumans und Stalins vernehmen, dann aber auch diese Zeitzeugen, mit denen ich sprechen konnte, die ich interviewen konnte. Unter anderem wurde eine Sekretärin der britischen Delegation interviewt, die einfach ein sehr authentisches Bild gibt. Sie schildert eine Fahrt nach Berlin, die Zerstörung, auch das Elend der deutschen Bevölkerung auf den Straßen, was sie sehr bewegt hat, und das macht es natürlich auch authentisch und erlebbar für den heutigen Besucher.

    Schäfer-Noske: Matthias Simmich war das, Kurator der neuen Dauerausstellung zur Potsdamer Konferenz im Schloss Cecilienhof.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.