Ein saftig-grüne Wiese in der Gemeinde Farliug im westrumänischen Kreis Caras-Severin: Marius Grai, Mitte 30, treibt die rund 250 Schafe seiner Herde gerade an einem Landwirtschaftsweg entlang ein paar Meter weiter, weg von der kleinen Straße, die an der Wiese vorbeiführt:
"Ich arbeite sozusagen 'non-stop', also Tag und Nacht, mit meinen Schafen. In der Nacht schlafe ich bei ihnen. Tagsüber ziehen wir dann weiter. Sommer, Winter, egal zu welcher Jahreszeit . Das ist eine große Leidenschaft: Die Arbeit mit den Schafen!"
Doch da sind nicht nur die Schafe. Da ist auch der Wolf. Und der greift manchmal an.
"Sowas kann schon mal vorkommen, aber selten. Vielleicht ein, maximal zwei Mal pro Jahr."
Marius Grai gibt sich, wenn es um den Wolf geht, ziemlich gelassen. Große Angst um seine Schafe hat er nicht, verweist aber darauf, dass er zum Schutz der Tiere einiges getan hat:
"Nachts stellen wir Lichter auf, zünden ein Feuer an, machen Lärm, und natürlich tagsüber: Da beschützen wir die Tiere mit unseren Hunden."
Und gerade die Hunde gelten in Rumänien mit als sicherstes Mittel zum Schutz der Schafe. Das bestätigt auch Ion Mustata, der über 1000 Schafe sein eigen nennt.
"Ich habe hier Schäferhunde, die eigentlich in Zentralasien heimisch sind. Und ich habe den Kangal, das ist eine Schäferhundrasse aus den Karpaten."
Und die böten einen sehr guten Schutz gegen Wolfsangriffe - allerdings nur dann, wenn genügend Schäferhunde mit der Schafherde mitlaufen.
Wölfe sind wichtig für das Ökosystem
Die Formel lautet: Auf zehn Schafe kommt ein Hüter-Hund. Und gute Schäferhunde haben ihren Preis, nämlich bis zu 1000 Euro pro Schäferhund; das ist für die rumänischen Schäfer ein immenser Kostenfaktor. Dennoch: Keine Spur vor übermäßiger Angst vor dem Wolf - von einer Bejagung des Wolfes hält Schäfer Marius Grai ebenso wenig wie sein Kollege Ion Mustata:
"Naja, wenn Wölfe überhand nehmen, dann kann man vielleicht darüber nachdenken. Aber bitte denken Sie daran: Wölfe haben eine wichtige Funktion für das Ökosystem. Sie einfach abknallen - so einfach geht das nicht. Wölfe säubern beispielsweise die Wälder von kranken Tieren.")
"Der Wolf ist ein effektiver Sanitäter des Waldes. Das sollte man nicht vergessen. Der Wolf schaut sich erst einmal nach den kranken Tieren um und reißt sie. Hier zum Beispiel, in meinem Viertel, haben sich Wildtiere enorm vermehrt. Und der Wolf hält die Zahl der Wildtiere in einem vernünftigen Ausmaß."
"Eines ist klar: Bei uns gibt es bestimmt 100 Mal so viel Wölfe wenn nicht noch mehr als in Deutschland. Ich selbst bin Jäger und habe schon viele Wölfe gesehen, allerdings noch keinen einzigen geschossen - und zwar erstens mal deshalb, weil der Wolf bei uns von Gesetzes wegen her eine geschützte Art ist."
Wölfe richten nur geringen Schaden an
Ion Borduz ist Bürgermeister der 2000 -Einwohner-Gemeinde Farliug, auf deren Wiesen so um die 12 000 Schafe weiden, manchmal auch mehr. Doch nicht nur, dass der Wolf nicht geschossen werden darf - eine Bejagung mache auch keinen Sinn. Und das sage er ganz bewusst als Jäger, so Ion Borduz:
"Die Schäden, die der Wolf bei uns anrichtet, sind sehr gering. Wir sehen keinen Anlass, an dem Bestand etwas zu ändern. Und denken Sie daran: Die Wölfe sind nützliche Tiere im Gleichgewicht der Natur. Insofern haben wir sogar ein Interesse daran, dass Wölfe in unserer Gegend leben. Sie sind wichtig für das Ökosystem."
Und daher gebe es keinen Anlass, am gesetzlichen Schutz des Wolfes etwas zu ändern - selbst dann nicht, wenn ab und an ein Schaff gerissen werde.
"Bei uns werden im Jahr so zwischen 10 und 12 Tiere gerissen, bei um die 14 000 Schafe im Gemeindegebiet. Das sehen selbst die Schäfer als verkraftbar an. Denn wenn sie einen Schaden haben, können sie zu uns ins Bürgermeisteramt kommen. Wir bilden dann eine Kommission und entscheiden darüber, wie die Betroffenen entschädigt werden. Dafür haben wir genaue Regeln."
Farliug in Westrumänien: Hier haben sie sich schon längst mit dem Wolf arrangiert.