Götzke: Die Harmonie der letzten Woche. Seit der große Brocken, wie finanzieren wir unser Bildungssystem und all die Projekte auf dem Verhandlungstisch liegt, ist es vorbei mit der Harmonie und Einigkeit. Zwar wollen alle Beteiligten, dass die Hochschulen mehr Geld kriegen und auch Ganztagsschulen irgendwie ausgebaut und finanziert werden. Nur, ob der Bund das künftig auch machen darf, um den finanzschwachen Ländern aus der Patsche zu helfen, da gibt es kein Echo, sondern nur Widerworte. Am Mittwoch wird das Ganze also noch in der großen Verhandlungsrunde mit Merkel, Gabriel und Co. besprochen. Dass die Parteien dann ihre Meinung ändern, wie gesagt, sehr unwahrscheinlich. Aber wie problematisch ist es überhaupt, dass der Bund beim Thema Schule nichts zu melden hat? Darüber möchte ich jetzt mit Ludger Wößmann sprechen, er ist Bildungsökonom an der LMU in München. Guten Tag, Herr Wößmann!
Ludger Wößmannn: Guten Tag!
Götzke: Herr Wößmann, Schulpolitik und Schulfinanzierung bleibt dann wohl auch in den nächsten vier Jahren ausschließlich Ländersache. Schön für profilierungssüchtige Länderfürsten, schlecht für die Bildung?
Wößmannn: Je nachdem. Es ist sicherlich so, dass mit den Schuldenbremsen, auf die wir ja zukommen in einigen Bundesländern da sicherlich Probleme in einigen Bundesländern aufkommen. Und dementsprechend es wahrscheinlich den Schulen doch helfen würde, wenn man auch eine Beteiligung des Bundes mit hinzu bekommen würde. Andererseits, natürlich könnten ja auch die Länder selbst sagen, das ist halt unsere Aufgabe, die wollen wir auch zentral behalten, und dann müssen wir eben selbst da rein investieren.
Götzke: Das Problem ist ja, dass manche Länder das eben nicht können.
Wößmannn: In der Tat. Das könnte ein großes Problem sein, und ich denke, in der Hinsicht ist es eben auch schade, dass es möglicherweise eben tatsächlich bei diesem Kooperationsverbot bleibt. Weil, es ist eigentlich, glaube ich, jedem klar, dass es doch seltsam ist, wenn doch eigentlich so gut wie alle dafür sind, hier zu kooperieren, prinzipiell, das dann eben per Grundgesetz zu unterbinden, das ist eine seltsame Sache. Das Problem, was natürlich hineinkommt, ist, sobald der Bund sagt, wir finanzieren hier bestimmte Dinge mit, dann will natürlich der Bund auch sicherstellen, dass die Mittel auch entsprechend eingesetzt werden. Also es muss natürlich immer ein Zusammenfallen geben zwischen der Entscheidungsmacht und der Verantwortung, also sowohl finanziell als auch politisch. Und das ist natürlich schwierig. Der Bund wird jetzt nicht sagen, wir geben liebend gerne ein großes Programm, legen wir auf und dann machen die Länder selbst damit, was sie möchten. Und wenn das dann eben im Umkehrschluss heißt, dass natürlich der Bund auch sehen möchte, gewisse Mitsprachen haben will, dann gibt es einige Bundesländer, vielleicht auch allen voran auch Bayern, die sagen, nee, das wollen wir aber nicht, wir wollen halt schon unsere Hoheit im Bildungsbereich komplett behalten.
Götzke: Nun sind ja verschiedene Tricks im Gespräch, um den Ländern doch noch mehr Geld für Bildung zu überlassen, ohne die Verfassung zu ändern. Eine Idee ist, dass die Länder mehr Geld aus der Mehrwertsteuer bekommen. Ist so was sinnvoll?
Wößmannn: Das ist natürlich immer ein großes Problem in der Hinsicht, als – wenn man das eben macht, heißt das schlicht und einfach nur, die Länder haben mehr Geld. Wofür sie es dann ausgeben, ist ihnen wieder selbst überlassen. Das ist halt genau dieses Problem, was ich gerade angesprochen habe. Auch wenn der Bund denen direkt Geld gibt, weiß man eben nicht, wird im ersten Moment vielleicht ein bisschen mehr Geld für die Bildung da sein, aber …
Götzke: Am Ende wird es dann doch für die Polizei oder für Straßenbau ausgegeben.
Wößmannn: Das kann halt niemand nachvollziehen. Also spätestens nach drei, vier Jahren haben vielleicht dann die Bundesländer eben ihre Bildungsausgaben nicht so viel angehoben, wie sie es gemacht hätten, wenn die zusätzlichen Mittel nicht zusätzlich hinzugekommen wären.
Götzke: Wenn es einen Sinn des Bildungsföderalismus gibt, dann ist es ja der, möglicherweise der Wettbewerb um das beste Bildungssystem. Aber kann Wettbewerb überhaupt fair geführt werden, wenn ein reiches Bayern oder Baden-Württemberg viel mehr Geld ins System pumpen kann als Bremen oder Schleswig-Holstein?
Wößmannn: Ja, interessanterweise ist es ja gar nicht wirklich so, wenn man sich die Bildungsausgaben pro Schüler zum Beispiel anschaut, die variieren nicht so stark, und es sind durchaus nicht die Bundesländer, die zum Beispiel in den PISA-Tests und anderen Vergleichstests am besten abschneiden, die am meisten ausgeben. Es kommt, glaube ich, wesentlich mehr darauf an, was man dann wirklich konkret mit dem Geld macht und wie man es einsetzt. Und ich glaube, Föderalismus kann in der Tat eben nur dann Sinn machen, wenn es zumindest dazu kommt, dass eben so ein Wettbewerb um die besten Konzepte rauskommt, man von den anderen auch lernen kann, was wie gut funktioniert und was nicht so gut funktioniert. Dafür bedarf es aber natürlich zum einen einheitlicher Ziele und zum Zweiten dann eben auch Vergleichbarkeit in der Zielerreichung. Und ich glaube, in dem Bereich sind wir halt noch weit weg, und ich glaube auch, eine Sache, die der Bund möglicherweise, wann er eher bereit wäre zu sagen, ich engagiere mich jetzt hier auch stärker, also wenn es zumindest dann eben so wäre, dass wir diese Beiträge zum Beispiel daran binden, dass es eine vergleichbare Messung der Ergebnisse gibt. Zum Beispiel, indem wir so was wie ein gemeinsames Kernabitur machen oder auch in die Abschlüsse in anderen Bereichen zumindest ein Element der Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern reinbauen, um eben so die Länder auch für das verantwortlich zu machen, was sie jetzt mit dem Geld tun.
Götzke: Nun gibt es ja bisher schon Bildungsstandards, es ist auch sich darauf geeinigt worden, dass es Standards für ein gemeinsames Abitur geben soll. Warum funktioniert das trotzdem nicht.
Wößmannn: Wenn Sie gemeinsame Standards einrichten, aber am Ende niemand darauf schaut, ob diese Standards auch eingehalten werden oder wie gut die erreicht werden, dann ändert das natürlich nichts am Verhalten der Menschen vor Ort. Das ist irgendwie ganz klar, solange das eben nur irgendwo auf dem Papier steht, aber das keine Konsequenzen hat, wird das nicht funktionieren. Wir haben das in den ersten PISA-Runden gesehen, wo wir eben Bundesländervergleiche hatten. Da ist dann rausgekommen, welche Bundesländer schlecht und welche gut abgeschnitten haben. Und die schlechtesten Bundesländer haben sich in den Jahren nach Pisa, in den vier, fünf Jahren danach mit Abstand am deutlichsten verbessert. Also es setzt Anreize, wenn man vorgehalten bekommt, es läuft nicht gut, dass man eben Sachen besser macht. Leider haben wir eben diese Bundesländer-Pisa-Vergleiche nicht mehr, und das ist genau eines der Probleme …
Götzke: Weil Sie die Daten nicht bekommen?
Wößmannn: Weil die PISA-Studie nicht mehr bundesländerspezifisch erhoben wird und wir insofern eben keinen besonders guten Ländervergleich haben. Ich denke, wenn wir wirklich dahin gehen würden, gerade auch, wenn es dann darum geht, für die Schüler einen fairen Hochschulzugang zu gewährleisten, müssen wir dahin kommen, dass eben auch zum Beispiel die Abiturnoten vergleichbarer werden. Und das, was dahintersteckt in allen Bundesländern, Ähnlicheres ist, denn zum Beispiel der Hochschulzugang wird ja darüber geregelt, welche Abiturnote man hat. Nur wissen wir aus der Forschung, dass eben da zwischen verschiedenen Bundesländern Welten zwischen liegen können in dem, was wirklich gelernt wurde. Und da brauchen wir tatsächlich eben auch etwas, was über den Föderalismus hinausgeht, eben etwas Vergleichbares, dass wir eben auch eine bundesweite Vergleichbarkeit der Abschlüsse haben.
Götzke: Deutschland braucht mehr echte Bildungsstandards, sagt der Bildungsökonom Ludger Wößmann von der LMU in München. Vielen Dank!
Wößmannn: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ludger Wößmannn: Guten Tag!
Götzke: Herr Wößmann, Schulpolitik und Schulfinanzierung bleibt dann wohl auch in den nächsten vier Jahren ausschließlich Ländersache. Schön für profilierungssüchtige Länderfürsten, schlecht für die Bildung?
Wößmannn: Je nachdem. Es ist sicherlich so, dass mit den Schuldenbremsen, auf die wir ja zukommen in einigen Bundesländern da sicherlich Probleme in einigen Bundesländern aufkommen. Und dementsprechend es wahrscheinlich den Schulen doch helfen würde, wenn man auch eine Beteiligung des Bundes mit hinzu bekommen würde. Andererseits, natürlich könnten ja auch die Länder selbst sagen, das ist halt unsere Aufgabe, die wollen wir auch zentral behalten, und dann müssen wir eben selbst da rein investieren.
Götzke: Das Problem ist ja, dass manche Länder das eben nicht können.
Wößmannn: In der Tat. Das könnte ein großes Problem sein, und ich denke, in der Hinsicht ist es eben auch schade, dass es möglicherweise eben tatsächlich bei diesem Kooperationsverbot bleibt. Weil, es ist eigentlich, glaube ich, jedem klar, dass es doch seltsam ist, wenn doch eigentlich so gut wie alle dafür sind, hier zu kooperieren, prinzipiell, das dann eben per Grundgesetz zu unterbinden, das ist eine seltsame Sache. Das Problem, was natürlich hineinkommt, ist, sobald der Bund sagt, wir finanzieren hier bestimmte Dinge mit, dann will natürlich der Bund auch sicherstellen, dass die Mittel auch entsprechend eingesetzt werden. Also es muss natürlich immer ein Zusammenfallen geben zwischen der Entscheidungsmacht und der Verantwortung, also sowohl finanziell als auch politisch. Und das ist natürlich schwierig. Der Bund wird jetzt nicht sagen, wir geben liebend gerne ein großes Programm, legen wir auf und dann machen die Länder selbst damit, was sie möchten. Und wenn das dann eben im Umkehrschluss heißt, dass natürlich der Bund auch sehen möchte, gewisse Mitsprachen haben will, dann gibt es einige Bundesländer, vielleicht auch allen voran auch Bayern, die sagen, nee, das wollen wir aber nicht, wir wollen halt schon unsere Hoheit im Bildungsbereich komplett behalten.
Götzke: Nun sind ja verschiedene Tricks im Gespräch, um den Ländern doch noch mehr Geld für Bildung zu überlassen, ohne die Verfassung zu ändern. Eine Idee ist, dass die Länder mehr Geld aus der Mehrwertsteuer bekommen. Ist so was sinnvoll?
Wößmannn: Das ist natürlich immer ein großes Problem in der Hinsicht, als – wenn man das eben macht, heißt das schlicht und einfach nur, die Länder haben mehr Geld. Wofür sie es dann ausgeben, ist ihnen wieder selbst überlassen. Das ist halt genau dieses Problem, was ich gerade angesprochen habe. Auch wenn der Bund denen direkt Geld gibt, weiß man eben nicht, wird im ersten Moment vielleicht ein bisschen mehr Geld für die Bildung da sein, aber …
Götzke: Am Ende wird es dann doch für die Polizei oder für Straßenbau ausgegeben.
Wößmannn: Das kann halt niemand nachvollziehen. Also spätestens nach drei, vier Jahren haben vielleicht dann die Bundesländer eben ihre Bildungsausgaben nicht so viel angehoben, wie sie es gemacht hätten, wenn die zusätzlichen Mittel nicht zusätzlich hinzugekommen wären.
Götzke: Wenn es einen Sinn des Bildungsföderalismus gibt, dann ist es ja der, möglicherweise der Wettbewerb um das beste Bildungssystem. Aber kann Wettbewerb überhaupt fair geführt werden, wenn ein reiches Bayern oder Baden-Württemberg viel mehr Geld ins System pumpen kann als Bremen oder Schleswig-Holstein?
Wößmannn: Ja, interessanterweise ist es ja gar nicht wirklich so, wenn man sich die Bildungsausgaben pro Schüler zum Beispiel anschaut, die variieren nicht so stark, und es sind durchaus nicht die Bundesländer, die zum Beispiel in den PISA-Tests und anderen Vergleichstests am besten abschneiden, die am meisten ausgeben. Es kommt, glaube ich, wesentlich mehr darauf an, was man dann wirklich konkret mit dem Geld macht und wie man es einsetzt. Und ich glaube, Föderalismus kann in der Tat eben nur dann Sinn machen, wenn es zumindest dazu kommt, dass eben so ein Wettbewerb um die besten Konzepte rauskommt, man von den anderen auch lernen kann, was wie gut funktioniert und was nicht so gut funktioniert. Dafür bedarf es aber natürlich zum einen einheitlicher Ziele und zum Zweiten dann eben auch Vergleichbarkeit in der Zielerreichung. Und ich glaube, in dem Bereich sind wir halt noch weit weg, und ich glaube auch, eine Sache, die der Bund möglicherweise, wann er eher bereit wäre zu sagen, ich engagiere mich jetzt hier auch stärker, also wenn es zumindest dann eben so wäre, dass wir diese Beiträge zum Beispiel daran binden, dass es eine vergleichbare Messung der Ergebnisse gibt. Zum Beispiel, indem wir so was wie ein gemeinsames Kernabitur machen oder auch in die Abschlüsse in anderen Bereichen zumindest ein Element der Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern reinbauen, um eben so die Länder auch für das verantwortlich zu machen, was sie jetzt mit dem Geld tun.
Götzke: Nun gibt es ja bisher schon Bildungsstandards, es ist auch sich darauf geeinigt worden, dass es Standards für ein gemeinsames Abitur geben soll. Warum funktioniert das trotzdem nicht.
Wößmannn: Wenn Sie gemeinsame Standards einrichten, aber am Ende niemand darauf schaut, ob diese Standards auch eingehalten werden oder wie gut die erreicht werden, dann ändert das natürlich nichts am Verhalten der Menschen vor Ort. Das ist irgendwie ganz klar, solange das eben nur irgendwo auf dem Papier steht, aber das keine Konsequenzen hat, wird das nicht funktionieren. Wir haben das in den ersten PISA-Runden gesehen, wo wir eben Bundesländervergleiche hatten. Da ist dann rausgekommen, welche Bundesländer schlecht und welche gut abgeschnitten haben. Und die schlechtesten Bundesländer haben sich in den Jahren nach Pisa, in den vier, fünf Jahren danach mit Abstand am deutlichsten verbessert. Also es setzt Anreize, wenn man vorgehalten bekommt, es läuft nicht gut, dass man eben Sachen besser macht. Leider haben wir eben diese Bundesländer-Pisa-Vergleiche nicht mehr, und das ist genau eines der Probleme …
Götzke: Weil Sie die Daten nicht bekommen?
Wößmannn: Weil die PISA-Studie nicht mehr bundesländerspezifisch erhoben wird und wir insofern eben keinen besonders guten Ländervergleich haben. Ich denke, wenn wir wirklich dahin gehen würden, gerade auch, wenn es dann darum geht, für die Schüler einen fairen Hochschulzugang zu gewährleisten, müssen wir dahin kommen, dass eben auch zum Beispiel die Abiturnoten vergleichbarer werden. Und das, was dahintersteckt in allen Bundesländern, Ähnlicheres ist, denn zum Beispiel der Hochschulzugang wird ja darüber geregelt, welche Abiturnote man hat. Nur wissen wir aus der Forschung, dass eben da zwischen verschiedenen Bundesländern Welten zwischen liegen können in dem, was wirklich gelernt wurde. Und da brauchen wir tatsächlich eben auch etwas, was über den Föderalismus hinausgeht, eben etwas Vergleichbares, dass wir eben auch eine bundesweite Vergleichbarkeit der Abschlüsse haben.
Götzke: Deutschland braucht mehr echte Bildungsstandards, sagt der Bildungsökonom Ludger Wößmann von der LMU in München. Vielen Dank!
Wößmannn: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.