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Woher kam die Corona-Pandemie?
Die verschlungenen Wege von SARS-CoV-2

Genetiker und Virologen haben den Weg der Corona-Viren rekonstruiert. Er führt von China über München in die Lombardei. Den Ursprung der Pandemie vermuten sie weiterhin bei Fledermäusen. Eine Entstehung des Virus im Labor können sie mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen.

Ralf Krauter im Gespräch mit Michael Lange |
Das Bild zeigt einen Mann mit Schutzkleidung in der chinesischen Stadt Wuhan. Er desinfiziert mit eine Straße. STR / AFP) / China OUT
Desinfektionsarbeiten in der Stadt Wuhan. In der zentralchinesischen Stadt kam es zur ersten großen Verbreitung der Viren. (AFP / STR)
Wie suchen Wissenschaftler jetzt den Ursprung der Epidemie?
Virologen haben jeden einzelnen Buchstaben im Bauplan von SARS-CoV-2 untersucht. Dieser Bauplan, das Genom der Viren, besteht aus 30.000 einzelnen Informationen. Bereits am 29. Februar hat das Team um Christian Drosten von der Berliner Charité das vollständige Virus-Genom veröffentlicht. Der Vergleich mit Virenbauplänen bei verschiedenen Tieren ergab eine große Übereinstimmung mit Viren in Fledermäusen. Bei der Spezies Rinophulus affinis betrug sie 96,2 Prozent. Das klingt nach großer Übereinstimmung, bedeutet aber, dass sich etwa tausend von 30.000 Bausteinen unterscheiden. Deshalb nehmen die Forscher an, dass der Sprung von den Fledermäusen zum Menschen über einen Zwischenwirt erfolgte.
Heißt das: Ein anderes Tier hat das Virus von der Fledermaus zum Menschen übertragen. Welches?
Zunächst vermuteten die Experten, dass ein ostasiatisches Schuppentier, das Pangolin, die Viren auf den Menschen übertragen hat. Bei diesen Tieren wurden ähnliche Coronaviren entdeckt. Inzwischen mehren sich jedoch die Zweifel. Der genaue Aufbau der Viren bei Schuppentieren passt nicht ins Bild.
Christian Drosten vermutet, dass das Virus über Marderhunde zum Menschen kam. Das sind Säugetiere, deren Schnauze einem Waschbären ähnelt und Beinen haben wie ein Hund. Verbreitet ist das Tier in Ostsibirien und Nordchina, aber auch in Japan. In China werden Marderhunde zur Pelzzucht in Käfigen gehalten und könnten deshalb auf Tiermärkten zum Kauf angeboten werden. In einem Interview mit dem britischen Guardian erklärte Christian Drosten, dass er selbst gerne nach China reisen würde, um diesen Zusammenhang zu untersuchen. Leider ist das nicht möglich. Er hofft deshalb, dass chinesische Wissenschaftler demnächst seine Theorie überprüfen.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Stammen die Coronaviren, die heute im Umlauf sind, alle ursprünglich aus Wuhan in China?
Vieles deutet darauf hin, da es in der zentralchinesischen Stadt Wuhan zur ersten großen Verbreitung der Viren kam. Wissenschaftler fanden aber den ursprünglichsten Stamm vermehrt nicht in Wuhan, sondern in der südchinesischen Provinz Guangdong (früher Kanton), 1000 Kilometer weiter südlich.
Ein Team um den deutschen Genetiker Peter Forster von der Universität Cambridge hat den Weg der Viren genauer untersucht. Dazu verglichen sie 160 Virus-Genome mithilfe einer phylogenetischen Netzwerk-Analyse. Dabei suchen die Wissenschaftler nach Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Viren, um eine Art Stammbaum zu konstruieren. Wie erwartet fanden sie jedoch keine einfache Vererbungslinie, sondern ein kompliziertes Netzwerk.
Wie können Wissenschaftler überhaupt den Weg der Viren nachverfolgen?
Viren ändern sich permanent durch zufällige Veränderungen, sogenannte Mutationen. Sie entstehen durch kleine Kopierfehler bei der Vermehrung der Viren. Bei SARS-CoV-2 treten solche Mutationen nur selten auf, etwa zwei Mutationen im Monat. Aber die kleinen Fehler addieren sich, sodass die Viren sich immer stärker vom Ursprung unterscheiden, wie bei der Stillen Post. Aus dem Vorkommen der Viren zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort können die Forscher dann die Wege der Viren nachzeichnen. Allerdings finden sie keine durchgehenden Vererbungslinien. Sie haben nur Schnappschüsse und versuchen diese zu verknüpfen.
Wie kam das Virus zu uns nach Deutschland? Lässt sich das mit Untersuchungen von Viren ermitteln?
Vermutlich kam das Virus auf verschlungenen Wegen immer wieder nach Deutschland. Es gelangte dann von Deutschland in andere Länder. So zeigt die Studie von Peter Forster eine Verbindung von Wuhan zum Autozulieferer Webasto bei München und von dort weiter nach Italien in die Lombardei. Er schließt daraus: Viele der Viren in Norditalien kamen über Bayern von China nach Italien.
Heißt das: Die Annahme, dass die Viren von Italien nach Deutschland gekommen sind ist falsch? War es umgekehrt?
Wahrscheinlich gelangten die Viren später dann von Norditalien wieder nach Deutschland, wo sie sich weiterverbreiteten. Peter Forster von der Universität Cambridge weist darauf hin, dass diese Form der Analyse stets nur Wahrscheinlichkeiten liefert und keine absoluten Aussagen. Fast immer kamen die Viren aus mehreren Richtungen.
Eine Studie der Universität Düsseldorf zeigt überraschenderweise, dass in Düsseldorf nur vier von 36 Proben aus dem nur 70 km entfernten Kreis Heinsberg stammen, obwohl dort der größte Ausbruch des Landes NRW stattfand. Der Rest kam aus verschiedenen Regionen der Welt: USA, Australien und so weiter. Auch Untersuchungen in New York zeigten keinesfalls wie erwartet eine einmalige Einschleppung aus China, sondern ergaben eine Herkunft aus Europa oder aus verschiedenen Regionen der USA.
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Kann man mit dieser Methode auch herausfinden, ob das Virus vielleicht aus einem chinesischen Forschungslabor stammt?
Es gibt im Genom der Viren keine Hinweise, die diese Theorie stützen. Die untersuchten Virus-Genome sind typisch für natürliche Mutationen. Virologen des Scripps-Institutes in Kalifornien und schwedische Forscher erklären dazu: Wissenschaftler wären bei der Konstruktion von Viren anders vorgegangen. Das Virus hat sich nach dem Zufallsprinzip entwickelt.
Alles spricht derzeit für eine Übertragung vom Tier auf den Menschen. Eine Verbreitung über einen Laborunfall, wie sie der US-Präsident mit Hinweis auf CIA-Informationen erwähnte, ist aber nicht hundertprozentig auszuschließen, wenn auch unwahrscheinlich.