Thorsten Siebert lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in einer Wohnung in einer weißen Altbauvilla im Hamburger Stadtteil Ohlsdorf. Im unteren Bereich befinden sich Küche und Esszimmer, im oberen Bereich drei Schlafräume und ein Bad. Zur Wohnung gehört ein Garten - von außen zeigt Siebert auf die Fenster:
"Gebaut wurden die Fenster und auch eingebaut von Insassen der JVA Fuhlsbüttel. Die sind auch vom Gutachter schon festgestellt worden, total krumm und schief, da zieht es in den Fenstern."
Thorsten Siebert ist einer von mehreren Mitarbeitern der Hamburger Justizbehörde, die vor Jahren in eine der 19 weißen Villen gezogen sind, die sich lange im Besitz der Behörde befanden. Ihre Dienstwohnung, damals noch ohne Küche und Bad, haben sie günstig gemietet und schließlich in Eigenregie ausgebaut.
"Wir haben angefangen die Fußböden abzuschleifen, angefangen, Stuck zu sanieren, Steigleitungen reingesetzt, elektrische Leitungen zum Teil ausgetauscht, Bad neu eingebaut, eine komplett neue Heizungsanlage eingebaut. Das sind alles schon Eigenleistungen."
Diese Leistungen, befürchtet der Familienvater, sind möglicherweise nichts mehr wert. Vor acht Jahren hat die Hamburger Wohnungsbaugesellschaft SAGA die Häuser von der Justizbehörde übernommen. Seitdem steigen die Mieten. Jetzt sollen die Häuser saniert werden. Siebert befürchtet, dass es für ihn dann noch mal teurer wird.
"Als wir hier eingezogen sind, haben wir hier 372,91 Nettokaltmiete bezahlt. Die SAGA hat das übernommen, jetzt zahlen wir 619 Euro Kaltmiete. Jetzt – auch wenn nicht saniert wird - soll ich zahlen 901,28 Nettokaltmiete. Das heißt innerhalb von sieben Jahren fast eine Verdreifachung."
Die Wohnungsbaugesellschaft begründet den Mietanstieg nach Auskunft von Siebert mit einer Anpassung an die ortsübliche Miete. Während der Sanierung soll der Justizbeamte mit seiner Familie aus der Wohnung ausziehen. Einige Wohnungen, zum Teil ganze Häuser in der Straße, stehen leer, manche seit Jahren.
Noch hat die SAGA nicht mit der Sanierung begonnen. Siebert vermutet, dass das Unternehmen die jetzigen Mieter vertreiben will, um die Wohnungen an wohlhabendere Menschen zu vermieten.
Der Verein "Mieter helfen Mietern" in Hamburg berät Menschen wie Torsten Siebert. Vor allem die energetische Sanierung von Häusern und Wohnungen belaste viele Mieter, sagt Sylvia Sonnemann, Vorsitzende des Vereins.
"Der Vermieter kann bei energetischen Sanierungen elf Prozent der Kosten auf die Jahresmiete umlegen. Wenn man eine Wohnung dämmt oder ein Haus dämmt, ist das ganz schnell bei zwei, drei Euro pro Quadratmeter mehr. Und das sollen die Mieter bezahlen. Die haben vielleicht eine Kostenersparnis von 30, 40 Cent pro Quadratmeter, das führt ganz häufig dazu, dass die Mieter sich nach neuen Wohnungen umsehen."
Die Kostenverteilung der energetischen Sanierungen wird im neuen Mietrecht geregelt, es soll noch in diesem Frühjahr in Kraft treten. Das Gesetz besagt auch, dass die Mieter in den ersten drei Monaten einer Sanierung nicht mehr die Miete mindern dürfen. Sylvia Sonnemann ist empört – Mietrecht und Mieterschutz würden in ihren Grundfesten erschüttert.
Dabei handelten Wohnungsbaugesellschaften in der Regel mieterfreundlich, sagt Sonnemann. Anders sehe es auf dem freien Wohnungsmarkt aus. Besonders in begehrten Großstadtlagen wie in Hamburg, Berlin, Frankfurt und München seien "Rausmodernisierungen", wie sie sagt, an der Tagesordnung.
"Frei finanzierte Wohnungen, wo private Vermieter ein Haus haben, das wird chic durchmodernisiert. Wenn sie alles tun, was sie sich ausdenken können, Dämmungen von allen Seiten, neue Fenster rein, neue Heizung reinsetzen, vielleicht noch Küche und Bad sanieren, dann haben Sie eine Mieterhöhung von fünf Euro den Quadratmeter. Der Mieter, der davor fünf Euro gezahlt hat oder sechs, wird damit rauskatapultiert, weil das sich die wenigsten leisten können. Und dann werden diese Wohnungen schön in Eigentumswohnungen umgewandelt und einzeln verkauft."
Aber nicht nur die energetischen Sanierungen sorgen für den starken Anstieg der Mieten in den Großstädten. Die Nachfrage nach Wohnungen ist in den vergangenen Jahren insgesamt gestiegen. Nach Berechnungen des Deutschen Mieterbundes fehlen in Ballungszentren derzeit 250.000 Wohnungen. Die Politik habe lange Jahre die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt verschlafen, sagt Mieterbund-Sprecher Ulrich Ropertz:
"Die Bundesregierung ist immer davon ausgegangen, dass die Einwohnerzahl sinkt. In den letzten beiden Jahren ist die Einwohnerzahl sogar gestiegen, aufgrund starker Zuwanderungen. Aber was viel entscheidender ist: Die Zahl der Haushalte hat in den letzten Jahren zugenommen. Und die aktuellen Prognosen der Regierung gehen davon aus, dass bis 2025 knapp eine Million zusätzlicher Haushalte eine Wohnung in den Städten benötigen wird."
Und die müssen bezahlbar sein. Mehr als ein Drittel der Konsumausgaben, so Ropertz, gebe ein Mieterhaushalt durchschnittlich für Wohnen und Energie aus – einkommensschwache Haushalte sogar bis zu 45 Prozent. Sorge bereitet dem Mieterbund vor allem, dass sich die Kosten bei bestehenden Mietverhältnissen und die Mieten bei Neuvermietung stark unterscheiden.
"Wir haben festgestellt, dass die Differenz zwischen der sogenannten Neuvertragsmiete, das ist die Miete, die ich bezahlen muss für irgendeine Altbauwohnung, in die ich neu einziehen will, dass diese Neuvertragsmiete häufig 20, 30 Prozent über der sogenannten ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Wir haben Uni-Städte im süddeutschen Raum, da ist die Differenz über 40 Prozent. Das sind unhaltbare Zustände."
Das neue Mietrecht, so Ropertz, trage nicht dazu bei, dass die Miete bei Abschluss neuer Mietverträge begrenzt wird. Im Gesetz ist zwar eine sogenannte Kappungsgrenze vorgeschrieben. Mit dieser Kappungsgrenze dürfen Vermieter künftig weniger als bisher die Mieten erhöhen, nämlich nur um 15 Prozent innerhalb von drei Jahren anstatt um 20 Prozent. Das gilt aber nur für bestehende Mietverhältnisse. Besser als nichts, sagt Ulrich Ropertz.
"Aber es löst unsere Probleme auch nicht im Ansatz. Denn hier wird eine Regelung getroffen für Bestandsmieten. Das ist nicht schlecht, aber die eigentlichen Probleme haben wir bei Abschluss von neuen Mietverträgen, bei den sogenannten Wiedervermietungsmieten."
Das Unternehmen "Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt" hat in den vergangenen fünf Jahren unter anderem untersucht, wie sich die Mieten in den Metropolen entwickelt haben. Demnach haben sie sich in Berlin seit 2007 um knapp 20 Prozent erhöht, aktuell kostet eine Wohnung im Durchschnitt 6,70 Euro pro Quadratmeter. In Frankfurt am Main müssen Mieter durchschnittlich 10,10 Euro zahlen, 13,5 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren.
Nicht ganz so stark sind die Mieten in München gestiegen – dort sind Mietwohnungen aber ohnehin am teuersten: Neumieter müssen derzeit 12,50 Euro pro Quadratmeter zahlen. Den rasantesten Mietenanstieg verzeichnet Hamburg: Um 21 Prozent sind die Mieten in der Hansestadt gestiegen – auf 9,20 Euro pro Quadratmeter im Durchschnitt.
Jeder Zweite in Deutschland wohnt zur Miete. Wohnen ist ein emotionales Thema geworden. Viele Menschen kennen das: Massenbesichtigungen bei der Wohnungssuche, bei denen der Makler 40, 50 Interessenten gleichzeitig die Wohnung zeigt. Nachbarn, die ausziehen mussten, weil sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Studenten, die jeden Tag pendeln, weil sie in ihrer Uni-Stadt keine bezahlbare Bleibe gefunden haben. Wird Wohnen zum Luxus?
In Hamburg will der SPD-Senat 6000 Wohnungen bauen - pro Jahr. Nach zwei Jahren SPD-Regierung zieht Oberbaudirektor Jörn Walter eine positive Bilanz:
"Man muss ja doch sagen, dass wir in den letzten beiden Jahren eine deutliche Steigerung bei den Baugenehmigungen hatten. Ich erinnere an die Zahl von 2012 von über 8000 Baugenehmigungen. Das hatten wir im ganzen letzten Jahrzehnt nicht mehr. Ich hoffe, dass sich das in realisierten Wohnungen umsetzt und wir in ein, zwei Jahren tatsächlich von einer realisierten Zahl von 6000 Wohnungen ausgehen können."
Um mehr bezahlbaren Wohnraum auch für einkommensschwache Haushalte zu schaffen, will die Politik in Hamburg einen sogenannten Drittel-Mix einhalten: Ein Drittel der Wohnungen, die neu gebaut werden, sollen günstige Sozialwohnungen sein. Nach Angaben der Stadtentwicklungsbehörde wurde das Ziel im vergangenen Jahr erreicht: Mehr als 2000 Sozialwohnungen wurden bewilligt.
Bei den Neubauvorhaben will die Stadt außerdem die Bürger mit einbeziehen. "Stadtwerkstatt" heißt das Experiment für mehr Bürgerbeteiligung bei der Stadtentwicklung. Bausenatorin Jutta Blankau:
"Das kann man machen, indem man die Menschen etwas intensiver beteiligt, versucht, mit ihnen in die Diskussion zu kommen. Insbesondere, wenn das Planungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, sollte man so früh wie möglich die Menschen mit einbeziehen."
Doch Absicht und Realität liegen offenbar weit auseinander. Oft erfahren Anwohner von Wohnungsbauprojekten nur per Zufall. Und viele beklagen, dass sie erst informiert werden, wenn Bauvorhaben längst genehmigt sind. Dabei belegen Umfragen, dass Bürger bei Bauprojekten ihre Ideen und Interessen mit einbringen möchten. Experten sagen: Bauvorhaben werden schneller fertig, je früher die Bürger beteiligt werden. Und die Kosten bleiben im Rahmen.
Der Justizbeamte Torsten Siebert, der befürchtet, aus seiner Wohnung "rausmodernisiert" zu werden, kritisiert die Informationspolitik seines Vermieters, des städtischen Wohnungsbauunternehmens SAGA:
"Wir wussten, dass wir als Kollegen der Justizbehörde ausziehen müssen aus diesen Häusern, wenn wir in Rente oder Ruhestand gehen. Das hat man halt in Kauf genommen. Dass dann dieser Wechsel kam zu einem privaten Vermieter - das war vor 15 Jahren, als ich hier eingezogen bin -, auch da haben wir gedacht: ein städtisches Unternehmen, dass man da mit den Mietern vernünftig umgeht. Das war ein Trugschluss."
Der Hamburger Senat aber sieht sich auf einem guten Weg, mehr preiswerten Wohnraum zu schaffen. In besonders begehrten Stadtteilen wie St. Pauli - dort sind die Mieten bei Neuvermietung in den vergangenen Jahren um 37 Prozent gestiegen - will die Regierung außerdem die im neuen Mietrecht verankerte Kappungsgrenze umsetzen. Oberbaudirektor Jörn Walter kündigt an, gegen gewisse Exzesse vorzugehen:
"Trotzdem muss man bei der Kappungsgrenze immer sagen: Das gilt nicht für ganz Hamburg. Deswegen werden wir überprüfen, ob wir das Instrument differenzieren, nämlich konzentrieren auf die Stadtteile, wo wir wirklich solche extremen Preissteigerungen haben, wie wir das in 2012, 2011 beobachten konnten. Weil man umgekehrt mit jeder Kappungsgrenze immer auch wissen muss, dass sie auch schnell mal ein Problem auslösen kann. Dass nämlich dann, wenn die Kosten für denjenigen, der die Wohnungen baut, über den Mietertragserwartungen sind, dass man dann schnell zu einem Stillstand kommt beim Bauen."
Anfang des Jahres hat die Bundes-SPD "bezahlbares Wohnen" als Wahlkampfthema entdeckt. Im Falle eines Wahlsieges bei der Bundestagswahl im Herbst wollen die Sozialdemokraten die Preisspirale bei Mietwohnungen bremsen. Die Mieten sollen nicht nur bei bestehenden Mietverträgen, sondern auch bei Neuvermietungen begrenzt werden.
In einem Positionspapier heißt es, bei Neuvermietungen dürfe die Miete um nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kündigte an:
"Wir werden insbesondere mit Blick auf die Lage der Mieterinnen und Mieter das anders verfolgen und auch korrigieren, was die jetzige Bundesregierung über ein in meinen Augen skandalös schlechtes Mietrechtänderungsgesetz eben nicht vermeidet, sondern eher verschärft. Nämlich die Lage der Mieter und auch die Stärkung ihrer Rechte."
Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz brachte kürzlich eine Initiative in den Bundesrat ein, die, ähnlich wie die Initiative der Bundes-SPD, Mieter vor Wucherpreisen schützen soll. Die Miete soll bei Neuvermietungen höchstens 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.
Zusammen mit Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg stellte Hamburg eine zweite Initiative vor: Mieter sollen demnach besser vor Maklerprovisionen geschützt werden. Wer bei der Wohnungssuche nicht von sich aus einen Makler einschaltet, soll auch nicht dessen Provision bezahlen – sondern derjenige, der die Dienstleistung eines Maklers gefordert hat. Nach Ansicht von Hamburgs Bürgermeister Scholz ist das fair und gerecht.
Was fair und gerecht ist auf dem angespannten Wohnungsmarkt, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Axel Kloth ist Vorsitzender des Immobilienverbandes IVD-Nord. In bestimmten Vierteln der Großstädte wie Hamburg – St. Pauli, Ottensen oder im Schanzenviertel - gebe es zwar einen Mangel an Wohnraum und hohe Mietpreise. Eine Wohnungsnot aber gebe es nicht. Das Problem sei nicht so dramatisch, wie es immer dargestellt werde. Kloth kritisiert die Kappungsgrenze im neuen Mietrecht:
"Das Thema Begrenzung von Mieten ist problematisch aus meiner Sicht, weil es ein Eingriff in den Mietmarkt einstellt und eine Entwicklung der Mieten beschneidet. Wir haben in einigen Städten echte Aufgaben zu lösen. Was ich falsch finde, ist, dass hier schon über konkrete Maßnahmen gesprochen wird, eine Maßnahme für ganz Deutschland. Und schon schreit das Wahlvolk: Hipphipp hurra. Da ist für mich viel Populismus dabei."
Wer neue Wohnungen baut, so Kloth, brauche langfristig die Sicherheit, dass sich die Investitionen auch lohnen. Mieteinnahmen dürften daher nicht von vornherein begrenzt werden. Auch die Immobilienwirtschaft hat Zahlen vorgelegt: Die Mieten, so heißt es, hätten in den vergangenen fünf Jahren aufgeholt, um wieder auf das Niveau von vor 20 Jahren zu gelangen.
"Wenn wir uns die Entwicklung der Mieten angucken, oder der Mietbelastung pro Haushalt, ist der Anteil an Wohnkosten im Vergleich zum Nettoeinkommen gesunken. Und zwar von fast 50 Prozent in den 60er Jahren zu 20 bis 25 Prozent heute. Bundesweit."
Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund sieht in den Zahlen einen Ablenkungsversuch von den aktuellen Wohnungsproblemen. Statt über Mietpreisbegrenzung nachzudenken, sagt dagegen Axel Kloth, müsse die Politik mehr Anreize für Investoren schaffen, neue Wohnungen zu bauen. In der Vergangenheit habe es viel zu viele Maßnahmen gegeben, die den Wohnungsbau abgeschwächt hätten wie zum Beispiel die Erhöhung der Grunderwerbssteuer und die Abschaffung der Eigenheimzulage. Die Politik müsse gegensteuern.
Während Politik und Verbände über Maßnahmen nachdenken, wie der Wohnungsbau angekurbelt werden kann, geht Berlin auf seine Weise gegen steigende Mieten in Szenevierteln vor. Im Bezirk Pankow wird der Kampf um bezahlbaren Wohnraum in den Badezimmern ausgefochten.
380.000 Menschen leben in Pankow, jedes Jahr werden es 5000 mehr. Pankow grenzt im Süden an das Szeneviertel Prenzlauer Berg. Der zuständige Baustaatsrat will gegen Luxussanierungen vorgehen und befand deshalb, Zweitbäder seien unnötiger Luxus. Seit Anfang des Jahres dürfen Immobilienbesitzer in Pankow nun kein zweites Badezimmer mehr in Mietwohnungen bauen. Ebenso verboten sind Innenkamine, zweite Balkone und große Terrassen. All das treibe die Mietpreise in die Höhe, heißt es.
Langfristig werden Verbote von Luxussanierungen wohl nicht dafür sorgen, dass mehr günstiger Wohnraum in den Großstädten entsteht und Verdrängungsprozesse gestoppt werden. Aber, betont Axel Kloth vom IVD, wer flexibel und kompromissbereit sei, finde in Hamburg durchaus eine Wohnung. Schließlich gebe es kein Grundrecht auf eine Wohnung in der Schanze oder in einem anderen Szeneviertel. Ulrich Ropertz vom Mieterbund fordert Strategien gegen Gentrifizierung.
"Ich muss als Stadt, und wir müssen als Gesellschaft dafür sorgen, dass Städte so, wie sie bisher sind, auch bleiben. Städte sind bisher bunt, das heißt, es gibt nicht die Ghettos für Arme und die Ghettos für Reiche, die sich abgezäunt gegenüberstehen. Sondern wir leben von einer bunten Durchmischung."
Wie also können Großstädte auch künftig lebendig und lebenswert für ihre Bewohner gestaltet werden? Wohnungsneubau allein reicht nicht. Das sagt auch Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter.
"Wir wollen stärker eine Innenentwicklung voranbringen. Wir versuchen, in die Stadtteile hineinzugehen, wo wir noch Potenziale in der bebauten Stadt mobilisieren können. Ich glaube, dass diese Nachverdichtungsstrategie sich damit verbindet, dass für die, die schon da sind, eine Verbesserung eintreten muss. Und das heißt in der Regel, es braucht einen Kraftschluss zwischen Wohnungsbauinvestoren und der öffentlichen Hand, was die Herstellung und Attraktivierung der öffentlichen Freiflächen betrifft, der Versorgung mit Kitas und Spielplätzen, aber auch mit Verkehrs- und Schulinfrastruktur."
Eine Entwicklung, die Jahre dauern wird. Bis dahin steigen die Mieten weiter, wenn auch nicht so rasant, wie aus einer Studie des IVD hervorgeht. Gleichzeitig wirkt sich die Attraktivität der Innenstädte auf das Umland aus. Zahlen des Unternehmens "Forschung und Beratung" belegen, dass auch das Wohnen in den Gemeinden an der Hamburger Stadtgrenze in den vergangenen Jahren teurer geworden ist: Die Mieten stiegen um elf bis 17 Prozent.
Die Entwicklung treibt dem Justizbeamten Torsten Siebert Sorgenfalten auf die Stirn. Er ist sich sicher, bei einem möglichen Auszug wird er in Hamburg keine vergleichbare Wohnung finden, die er bezahlen kann. Fassungslos betrachtet er den Wohnungsleerstand in seiner Straße:
"Viele Studenten und kleine Familien suchen Wohnungen, und hier ist alles da. Der Garten, die Wohnungen, auch für WGs, das wird in ganz Hamburg gesucht, hier steht es leer."
"Gebaut wurden die Fenster und auch eingebaut von Insassen der JVA Fuhlsbüttel. Die sind auch vom Gutachter schon festgestellt worden, total krumm und schief, da zieht es in den Fenstern."
Thorsten Siebert ist einer von mehreren Mitarbeitern der Hamburger Justizbehörde, die vor Jahren in eine der 19 weißen Villen gezogen sind, die sich lange im Besitz der Behörde befanden. Ihre Dienstwohnung, damals noch ohne Küche und Bad, haben sie günstig gemietet und schließlich in Eigenregie ausgebaut.
"Wir haben angefangen die Fußböden abzuschleifen, angefangen, Stuck zu sanieren, Steigleitungen reingesetzt, elektrische Leitungen zum Teil ausgetauscht, Bad neu eingebaut, eine komplett neue Heizungsanlage eingebaut. Das sind alles schon Eigenleistungen."
Diese Leistungen, befürchtet der Familienvater, sind möglicherweise nichts mehr wert. Vor acht Jahren hat die Hamburger Wohnungsbaugesellschaft SAGA die Häuser von der Justizbehörde übernommen. Seitdem steigen die Mieten. Jetzt sollen die Häuser saniert werden. Siebert befürchtet, dass es für ihn dann noch mal teurer wird.
"Als wir hier eingezogen sind, haben wir hier 372,91 Nettokaltmiete bezahlt. Die SAGA hat das übernommen, jetzt zahlen wir 619 Euro Kaltmiete. Jetzt – auch wenn nicht saniert wird - soll ich zahlen 901,28 Nettokaltmiete. Das heißt innerhalb von sieben Jahren fast eine Verdreifachung."
Die Wohnungsbaugesellschaft begründet den Mietanstieg nach Auskunft von Siebert mit einer Anpassung an die ortsübliche Miete. Während der Sanierung soll der Justizbeamte mit seiner Familie aus der Wohnung ausziehen. Einige Wohnungen, zum Teil ganze Häuser in der Straße, stehen leer, manche seit Jahren.
Noch hat die SAGA nicht mit der Sanierung begonnen. Siebert vermutet, dass das Unternehmen die jetzigen Mieter vertreiben will, um die Wohnungen an wohlhabendere Menschen zu vermieten.
Der Verein "Mieter helfen Mietern" in Hamburg berät Menschen wie Torsten Siebert. Vor allem die energetische Sanierung von Häusern und Wohnungen belaste viele Mieter, sagt Sylvia Sonnemann, Vorsitzende des Vereins.
"Der Vermieter kann bei energetischen Sanierungen elf Prozent der Kosten auf die Jahresmiete umlegen. Wenn man eine Wohnung dämmt oder ein Haus dämmt, ist das ganz schnell bei zwei, drei Euro pro Quadratmeter mehr. Und das sollen die Mieter bezahlen. Die haben vielleicht eine Kostenersparnis von 30, 40 Cent pro Quadratmeter, das führt ganz häufig dazu, dass die Mieter sich nach neuen Wohnungen umsehen."
Die Kostenverteilung der energetischen Sanierungen wird im neuen Mietrecht geregelt, es soll noch in diesem Frühjahr in Kraft treten. Das Gesetz besagt auch, dass die Mieter in den ersten drei Monaten einer Sanierung nicht mehr die Miete mindern dürfen. Sylvia Sonnemann ist empört – Mietrecht und Mieterschutz würden in ihren Grundfesten erschüttert.
Dabei handelten Wohnungsbaugesellschaften in der Regel mieterfreundlich, sagt Sonnemann. Anders sehe es auf dem freien Wohnungsmarkt aus. Besonders in begehrten Großstadtlagen wie in Hamburg, Berlin, Frankfurt und München seien "Rausmodernisierungen", wie sie sagt, an der Tagesordnung.
"Frei finanzierte Wohnungen, wo private Vermieter ein Haus haben, das wird chic durchmodernisiert. Wenn sie alles tun, was sie sich ausdenken können, Dämmungen von allen Seiten, neue Fenster rein, neue Heizung reinsetzen, vielleicht noch Küche und Bad sanieren, dann haben Sie eine Mieterhöhung von fünf Euro den Quadratmeter. Der Mieter, der davor fünf Euro gezahlt hat oder sechs, wird damit rauskatapultiert, weil das sich die wenigsten leisten können. Und dann werden diese Wohnungen schön in Eigentumswohnungen umgewandelt und einzeln verkauft."
Aber nicht nur die energetischen Sanierungen sorgen für den starken Anstieg der Mieten in den Großstädten. Die Nachfrage nach Wohnungen ist in den vergangenen Jahren insgesamt gestiegen. Nach Berechnungen des Deutschen Mieterbundes fehlen in Ballungszentren derzeit 250.000 Wohnungen. Die Politik habe lange Jahre die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt verschlafen, sagt Mieterbund-Sprecher Ulrich Ropertz:
"Die Bundesregierung ist immer davon ausgegangen, dass die Einwohnerzahl sinkt. In den letzten beiden Jahren ist die Einwohnerzahl sogar gestiegen, aufgrund starker Zuwanderungen. Aber was viel entscheidender ist: Die Zahl der Haushalte hat in den letzten Jahren zugenommen. Und die aktuellen Prognosen der Regierung gehen davon aus, dass bis 2025 knapp eine Million zusätzlicher Haushalte eine Wohnung in den Städten benötigen wird."
Und die müssen bezahlbar sein. Mehr als ein Drittel der Konsumausgaben, so Ropertz, gebe ein Mieterhaushalt durchschnittlich für Wohnen und Energie aus – einkommensschwache Haushalte sogar bis zu 45 Prozent. Sorge bereitet dem Mieterbund vor allem, dass sich die Kosten bei bestehenden Mietverhältnissen und die Mieten bei Neuvermietung stark unterscheiden.
"Wir haben festgestellt, dass die Differenz zwischen der sogenannten Neuvertragsmiete, das ist die Miete, die ich bezahlen muss für irgendeine Altbauwohnung, in die ich neu einziehen will, dass diese Neuvertragsmiete häufig 20, 30 Prozent über der sogenannten ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Wir haben Uni-Städte im süddeutschen Raum, da ist die Differenz über 40 Prozent. Das sind unhaltbare Zustände."
Das neue Mietrecht, so Ropertz, trage nicht dazu bei, dass die Miete bei Abschluss neuer Mietverträge begrenzt wird. Im Gesetz ist zwar eine sogenannte Kappungsgrenze vorgeschrieben. Mit dieser Kappungsgrenze dürfen Vermieter künftig weniger als bisher die Mieten erhöhen, nämlich nur um 15 Prozent innerhalb von drei Jahren anstatt um 20 Prozent. Das gilt aber nur für bestehende Mietverhältnisse. Besser als nichts, sagt Ulrich Ropertz.
"Aber es löst unsere Probleme auch nicht im Ansatz. Denn hier wird eine Regelung getroffen für Bestandsmieten. Das ist nicht schlecht, aber die eigentlichen Probleme haben wir bei Abschluss von neuen Mietverträgen, bei den sogenannten Wiedervermietungsmieten."
Das Unternehmen "Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt" hat in den vergangenen fünf Jahren unter anderem untersucht, wie sich die Mieten in den Metropolen entwickelt haben. Demnach haben sie sich in Berlin seit 2007 um knapp 20 Prozent erhöht, aktuell kostet eine Wohnung im Durchschnitt 6,70 Euro pro Quadratmeter. In Frankfurt am Main müssen Mieter durchschnittlich 10,10 Euro zahlen, 13,5 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren.
Nicht ganz so stark sind die Mieten in München gestiegen – dort sind Mietwohnungen aber ohnehin am teuersten: Neumieter müssen derzeit 12,50 Euro pro Quadratmeter zahlen. Den rasantesten Mietenanstieg verzeichnet Hamburg: Um 21 Prozent sind die Mieten in der Hansestadt gestiegen – auf 9,20 Euro pro Quadratmeter im Durchschnitt.
Jeder Zweite in Deutschland wohnt zur Miete. Wohnen ist ein emotionales Thema geworden. Viele Menschen kennen das: Massenbesichtigungen bei der Wohnungssuche, bei denen der Makler 40, 50 Interessenten gleichzeitig die Wohnung zeigt. Nachbarn, die ausziehen mussten, weil sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Studenten, die jeden Tag pendeln, weil sie in ihrer Uni-Stadt keine bezahlbare Bleibe gefunden haben. Wird Wohnen zum Luxus?
In Hamburg will der SPD-Senat 6000 Wohnungen bauen - pro Jahr. Nach zwei Jahren SPD-Regierung zieht Oberbaudirektor Jörn Walter eine positive Bilanz:
"Man muss ja doch sagen, dass wir in den letzten beiden Jahren eine deutliche Steigerung bei den Baugenehmigungen hatten. Ich erinnere an die Zahl von 2012 von über 8000 Baugenehmigungen. Das hatten wir im ganzen letzten Jahrzehnt nicht mehr. Ich hoffe, dass sich das in realisierten Wohnungen umsetzt und wir in ein, zwei Jahren tatsächlich von einer realisierten Zahl von 6000 Wohnungen ausgehen können."
Um mehr bezahlbaren Wohnraum auch für einkommensschwache Haushalte zu schaffen, will die Politik in Hamburg einen sogenannten Drittel-Mix einhalten: Ein Drittel der Wohnungen, die neu gebaut werden, sollen günstige Sozialwohnungen sein. Nach Angaben der Stadtentwicklungsbehörde wurde das Ziel im vergangenen Jahr erreicht: Mehr als 2000 Sozialwohnungen wurden bewilligt.
Bei den Neubauvorhaben will die Stadt außerdem die Bürger mit einbeziehen. "Stadtwerkstatt" heißt das Experiment für mehr Bürgerbeteiligung bei der Stadtentwicklung. Bausenatorin Jutta Blankau:
"Das kann man machen, indem man die Menschen etwas intensiver beteiligt, versucht, mit ihnen in die Diskussion zu kommen. Insbesondere, wenn das Planungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, sollte man so früh wie möglich die Menschen mit einbeziehen."
Doch Absicht und Realität liegen offenbar weit auseinander. Oft erfahren Anwohner von Wohnungsbauprojekten nur per Zufall. Und viele beklagen, dass sie erst informiert werden, wenn Bauvorhaben längst genehmigt sind. Dabei belegen Umfragen, dass Bürger bei Bauprojekten ihre Ideen und Interessen mit einbringen möchten. Experten sagen: Bauvorhaben werden schneller fertig, je früher die Bürger beteiligt werden. Und die Kosten bleiben im Rahmen.
Der Justizbeamte Torsten Siebert, der befürchtet, aus seiner Wohnung "rausmodernisiert" zu werden, kritisiert die Informationspolitik seines Vermieters, des städtischen Wohnungsbauunternehmens SAGA:
"Wir wussten, dass wir als Kollegen der Justizbehörde ausziehen müssen aus diesen Häusern, wenn wir in Rente oder Ruhestand gehen. Das hat man halt in Kauf genommen. Dass dann dieser Wechsel kam zu einem privaten Vermieter - das war vor 15 Jahren, als ich hier eingezogen bin -, auch da haben wir gedacht: ein städtisches Unternehmen, dass man da mit den Mietern vernünftig umgeht. Das war ein Trugschluss."
Der Hamburger Senat aber sieht sich auf einem guten Weg, mehr preiswerten Wohnraum zu schaffen. In besonders begehrten Stadtteilen wie St. Pauli - dort sind die Mieten bei Neuvermietung in den vergangenen Jahren um 37 Prozent gestiegen - will die Regierung außerdem die im neuen Mietrecht verankerte Kappungsgrenze umsetzen. Oberbaudirektor Jörn Walter kündigt an, gegen gewisse Exzesse vorzugehen:
"Trotzdem muss man bei der Kappungsgrenze immer sagen: Das gilt nicht für ganz Hamburg. Deswegen werden wir überprüfen, ob wir das Instrument differenzieren, nämlich konzentrieren auf die Stadtteile, wo wir wirklich solche extremen Preissteigerungen haben, wie wir das in 2012, 2011 beobachten konnten. Weil man umgekehrt mit jeder Kappungsgrenze immer auch wissen muss, dass sie auch schnell mal ein Problem auslösen kann. Dass nämlich dann, wenn die Kosten für denjenigen, der die Wohnungen baut, über den Mietertragserwartungen sind, dass man dann schnell zu einem Stillstand kommt beim Bauen."
Anfang des Jahres hat die Bundes-SPD "bezahlbares Wohnen" als Wahlkampfthema entdeckt. Im Falle eines Wahlsieges bei der Bundestagswahl im Herbst wollen die Sozialdemokraten die Preisspirale bei Mietwohnungen bremsen. Die Mieten sollen nicht nur bei bestehenden Mietverträgen, sondern auch bei Neuvermietungen begrenzt werden.
In einem Positionspapier heißt es, bei Neuvermietungen dürfe die Miete um nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kündigte an:
"Wir werden insbesondere mit Blick auf die Lage der Mieterinnen und Mieter das anders verfolgen und auch korrigieren, was die jetzige Bundesregierung über ein in meinen Augen skandalös schlechtes Mietrechtänderungsgesetz eben nicht vermeidet, sondern eher verschärft. Nämlich die Lage der Mieter und auch die Stärkung ihrer Rechte."
Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz brachte kürzlich eine Initiative in den Bundesrat ein, die, ähnlich wie die Initiative der Bundes-SPD, Mieter vor Wucherpreisen schützen soll. Die Miete soll bei Neuvermietungen höchstens 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.
Zusammen mit Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg stellte Hamburg eine zweite Initiative vor: Mieter sollen demnach besser vor Maklerprovisionen geschützt werden. Wer bei der Wohnungssuche nicht von sich aus einen Makler einschaltet, soll auch nicht dessen Provision bezahlen – sondern derjenige, der die Dienstleistung eines Maklers gefordert hat. Nach Ansicht von Hamburgs Bürgermeister Scholz ist das fair und gerecht.
Was fair und gerecht ist auf dem angespannten Wohnungsmarkt, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Axel Kloth ist Vorsitzender des Immobilienverbandes IVD-Nord. In bestimmten Vierteln der Großstädte wie Hamburg – St. Pauli, Ottensen oder im Schanzenviertel - gebe es zwar einen Mangel an Wohnraum und hohe Mietpreise. Eine Wohnungsnot aber gebe es nicht. Das Problem sei nicht so dramatisch, wie es immer dargestellt werde. Kloth kritisiert die Kappungsgrenze im neuen Mietrecht:
"Das Thema Begrenzung von Mieten ist problematisch aus meiner Sicht, weil es ein Eingriff in den Mietmarkt einstellt und eine Entwicklung der Mieten beschneidet. Wir haben in einigen Städten echte Aufgaben zu lösen. Was ich falsch finde, ist, dass hier schon über konkrete Maßnahmen gesprochen wird, eine Maßnahme für ganz Deutschland. Und schon schreit das Wahlvolk: Hipphipp hurra. Da ist für mich viel Populismus dabei."
Wer neue Wohnungen baut, so Kloth, brauche langfristig die Sicherheit, dass sich die Investitionen auch lohnen. Mieteinnahmen dürften daher nicht von vornherein begrenzt werden. Auch die Immobilienwirtschaft hat Zahlen vorgelegt: Die Mieten, so heißt es, hätten in den vergangenen fünf Jahren aufgeholt, um wieder auf das Niveau von vor 20 Jahren zu gelangen.
"Wenn wir uns die Entwicklung der Mieten angucken, oder der Mietbelastung pro Haushalt, ist der Anteil an Wohnkosten im Vergleich zum Nettoeinkommen gesunken. Und zwar von fast 50 Prozent in den 60er Jahren zu 20 bis 25 Prozent heute. Bundesweit."
Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund sieht in den Zahlen einen Ablenkungsversuch von den aktuellen Wohnungsproblemen. Statt über Mietpreisbegrenzung nachzudenken, sagt dagegen Axel Kloth, müsse die Politik mehr Anreize für Investoren schaffen, neue Wohnungen zu bauen. In der Vergangenheit habe es viel zu viele Maßnahmen gegeben, die den Wohnungsbau abgeschwächt hätten wie zum Beispiel die Erhöhung der Grunderwerbssteuer und die Abschaffung der Eigenheimzulage. Die Politik müsse gegensteuern.
Während Politik und Verbände über Maßnahmen nachdenken, wie der Wohnungsbau angekurbelt werden kann, geht Berlin auf seine Weise gegen steigende Mieten in Szenevierteln vor. Im Bezirk Pankow wird der Kampf um bezahlbaren Wohnraum in den Badezimmern ausgefochten.
380.000 Menschen leben in Pankow, jedes Jahr werden es 5000 mehr. Pankow grenzt im Süden an das Szeneviertel Prenzlauer Berg. Der zuständige Baustaatsrat will gegen Luxussanierungen vorgehen und befand deshalb, Zweitbäder seien unnötiger Luxus. Seit Anfang des Jahres dürfen Immobilienbesitzer in Pankow nun kein zweites Badezimmer mehr in Mietwohnungen bauen. Ebenso verboten sind Innenkamine, zweite Balkone und große Terrassen. All das treibe die Mietpreise in die Höhe, heißt es.
Langfristig werden Verbote von Luxussanierungen wohl nicht dafür sorgen, dass mehr günstiger Wohnraum in den Großstädten entsteht und Verdrängungsprozesse gestoppt werden. Aber, betont Axel Kloth vom IVD, wer flexibel und kompromissbereit sei, finde in Hamburg durchaus eine Wohnung. Schließlich gebe es kein Grundrecht auf eine Wohnung in der Schanze oder in einem anderen Szeneviertel. Ulrich Ropertz vom Mieterbund fordert Strategien gegen Gentrifizierung.
"Ich muss als Stadt, und wir müssen als Gesellschaft dafür sorgen, dass Städte so, wie sie bisher sind, auch bleiben. Städte sind bisher bunt, das heißt, es gibt nicht die Ghettos für Arme und die Ghettos für Reiche, die sich abgezäunt gegenüberstehen. Sondern wir leben von einer bunten Durchmischung."
Wie also können Großstädte auch künftig lebendig und lebenswert für ihre Bewohner gestaltet werden? Wohnungsneubau allein reicht nicht. Das sagt auch Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter.
"Wir wollen stärker eine Innenentwicklung voranbringen. Wir versuchen, in die Stadtteile hineinzugehen, wo wir noch Potenziale in der bebauten Stadt mobilisieren können. Ich glaube, dass diese Nachverdichtungsstrategie sich damit verbindet, dass für die, die schon da sind, eine Verbesserung eintreten muss. Und das heißt in der Regel, es braucht einen Kraftschluss zwischen Wohnungsbauinvestoren und der öffentlichen Hand, was die Herstellung und Attraktivierung der öffentlichen Freiflächen betrifft, der Versorgung mit Kitas und Spielplätzen, aber auch mit Verkehrs- und Schulinfrastruktur."
Eine Entwicklung, die Jahre dauern wird. Bis dahin steigen die Mieten weiter, wenn auch nicht so rasant, wie aus einer Studie des IVD hervorgeht. Gleichzeitig wirkt sich die Attraktivität der Innenstädte auf das Umland aus. Zahlen des Unternehmens "Forschung und Beratung" belegen, dass auch das Wohnen in den Gemeinden an der Hamburger Stadtgrenze in den vergangenen Jahren teurer geworden ist: Die Mieten stiegen um elf bis 17 Prozent.
Die Entwicklung treibt dem Justizbeamten Torsten Siebert Sorgenfalten auf die Stirn. Er ist sich sicher, bei einem möglichen Auszug wird er in Hamburg keine vergleichbare Wohnung finden, die er bezahlen kann. Fassungslos betrachtet er den Wohnungsleerstand in seiner Straße:
"Viele Studenten und kleine Familien suchen Wohnungen, und hier ist alles da. Der Garten, die Wohnungen, auch für WGs, das wird in ganz Hamburg gesucht, hier steht es leer."