"Hier ist ja noch so viel Asche."
Van Bo Le-Mentzel stochert kurz in der Glut, legt dann noch einen Holzscheit nach. Draußen herrschen Minusgrade, drinnen ist es frisch, aber gemütlich. Wände, Boden und Decke sind mit Holz verkleidet. Eine Tischleuchte verströmt wohlige Atmosphäre, auf dem Fenstersims stehen drei Pflänzchen.
"Ich bin jetzt hier grad im Flur, und hier ist ein kleiner Raum, der ist gerade mal so groß wie die Bäder in den ICE-Zügen. Aber es gibt hier eine ganz normale Toilette, sieht aus wie eine echte Toilette, ist aber eine Komposttoilette."
Auf den ersten Blick eine ganz normale Wohnung mit Küche, Couch, Schreibtisch, Bett und Bad. Allerdings passt das Ganze auf nur 6,4 Quadratmeter. Damit hält der 39-jährige Architekt aber lieber erst mal hinterm Berg.
"Sobald du eine Zahl auf den Tisch packst, dann habe ich eigentlich immer sofort verloren. Wenn ich sage, ich habe eine Wohnung konzipiert auf 6,4 Quadratmeter, werde ich einfach nicht ernst genommen. Sobald die Zahl fällt, gehen alle Schotten runter. Das kann man nicht ernst nehmen, weil, der Fahrstuhl von Ikea ist größer."
Besichtigung des Minihauses
Um die Menschen von seiner innovativen Wohn-Idee zu überzeugen, lädt Van Bo Le-Mentzel darum jeden Donnerstagnachmittag zur Minihausbegehung. Wem das nicht reicht, der kann auch Probewohnen.
"Und das sind sechs Quadratmeter? - Das sind 6,4, ja. - Das ist ja unglaublich."
Wie die meistens Besucher ist auch Ruben Herzog von der Wirkung des schmalen, hohen Raumes beeindruckt. Der Arzt wurde auf den Philippinen geboren, lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Berlin. Er interessiere sich für die Tiny-House-Bewegung, sagt er. In einer Stadt wie Manila, in der vier Millionen Menschen in feuchten Verschlägen und abrissreifen Baracken leben müssen, könnte man solche Miniaturhäuser gut gebrauchen.
"Das fasziniert mich, dieses kompaktes Haus. Ich möchte, das von innen sehen. Ich habe eine Planung auch auf den Philippinen so ein kleines Häuschen zu machen. Und da dachte ich mir, ich lasse mich inspirieren. Ich habe gehört, das wird auch vermietet? Ja, aber es sind schon über 300 Leute, die sich angemeldet haben."
Antwort auf steigende Mieten?
Laut Le-Mentzel beläuft sich die monatliche Miete in einer Stadt wie Berlin auf nur 100 Euro warm inklusive Internetanschluss. Der 39-jährige Architekt sucht nach Antworten auf die steigenden Mietpreise und den immer knapper werdenden Wohnraum in den Großstädten. Um den Raum maximal auszunutzen und nicht das Gefühl von Beklemmung aufkommen zu lassen liegt die Deckenhöhe bei 3 Meter 60. Für einen Neubau sei das ungewöhnlich, sagt der 39-jährige Architekt.
"Man kann oben schlafen, man kann das aber oben auch wie ein Büro nutzen. Da könnte man jetzt die Füße durchstecken und arbeiten. Auch diese Altbautüren, wir nennen es ja Bauhaus-Barock, diesen Stil, damit tricksen wir ganz schön gewaltig, um das wettzumachen, das du so wenig Platz hast. Dass du zumindest bei der Größe der Matratze, dass du bei der Deckenhöhe eine Großzügigkeit hast, also dunkel wird es hier auf gar keinen Fall."
Van Bo Le-Mentzel ist kein Utopist. Der Gründer der Berliner Tiny-House-University plant ein ganzes Hochbauprojekt in Berlin. 2019 soll es gebaut werden. Die Wohnung, die im Moment aufgebockt auf einem Autoanhänger vor einem Kreuzberger Lokal steht, sei nur die kleinste Einheit eines fünfgeschossigen Wohngebäudes, erklärt Le-Mentzel. Wie eine Art modularer Baukasten soll sich der Komplex zusammensetzen.
"Also die Idee ist ein Haus, zu bauen, was ganz, ganz wenige Betriebskosten produziert. Deswegen gibt es keinen Fahrstuhl, es gibt auch kaum Verkehrsfläche. Es gibt Wohnungen, die sind teilweise 80 Quadratmeter oder auch nur 30 Quadratmeter, aber es gibt halt auch die kleinste Wohnung. Das ist die Idee, dass man eine Auswahl hat von unterschiedlichen Wohnungsgrößen."
Modulare Unterbringung
Schon steht der nächste Besucher vor der Minibehausung und bittet um Einlass. Gäbe es in jeder Stadt 100-Euro-Wohungen, bräuchte man keine Flüchtlings- oder Obdachlosenheime mehr, glaubt der Architekt. Von den modularen Unterbringungen für Flüchtlinge, den sogenannten MUFs, die derzeit in Berlin so zahlreich entstehen, hält er nichts.
"Das ist meines Achtens ein Verbrechen, weil sich da 18 Leute eine Dusche teilen. Und weil vor allem auch das so geregelt ist, dass da nur Flüchtlinge sein sollen. Da dürfen gar keine Einheimischen sein, das ist eigentlich Quatsch. Das Wohnungsproblem gilt ja nicht nur für Flüchtlinge. Und diese Neubauprojekte sind eigentlich prädestiniert, um da mal was zu mischen und nicht nur Gettos zu schaffen."