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Wohnraummangel
"Die Studierenden können auch Druck machen"

Der Wohnraummangel in deutschen Uni-Städten wächst weiter und stellt Studenten vor große Probleme. Für ausländische Studierende sei die Situation noch schwieriger, sagte der Generalsekretär des Studentenwerks Achim Meyer auf der Heyde im Dlf - und forderte die Betroffen auf, auch selbst zu handeln.

Achim Meyer auf der Heyde im Gespräch mit Gastmoderatorin Maimouna Ouattara |
    An einem Studentenwohnheim in der Südstadt in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) wird für provisionsfreie Wohnugen geworben, aufgenommen am 07.04.2017. Aktuell suchen rund 80 der 500 internationalen Studenten in Rostock eine Bleibe. Für Ausländer oder gar Migranten ist es noch komplizierter, in Rostock eine Wohnung zu finden als für Deutsche. (zu dpa «Wohnungsnot bei ausländischen Studenten: Hilferuf der Uni Rostock» vom 10.04.2017) Foto: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
    Provisionsfreie Wohnungen für Studierende bleiben ein Traum (dpa-Zentralbild)
    Maimouna Ouattara: Beim Bundesverband sind wir mit vielen Problemen der ausländischen Studierenden konfrontiert. Diskriminierung oder Studiengebühren, aber auch die Frage, was passiert in einem Abschluss und wie schaffe ich es, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Eines der dringenden Probleme gerade ist aber die Frage nach einer bezahlbaren Wohnung, vor allem ab Oktober, wenn das neue Semester beginnt und in vielen deutschen Städten Notschlafstellen eingerichtet werden müssen. Achim Meyer auf der Heyde ist Generalsekretär beim Deutschen Studentenwerk. Schön, dass Sie sich Zeit nehmen.
    Achim Meyer auf der Heyde: Schönen guten Tag!
    Ouattara: Sie haben vor fünf Jahren in einem Artikel von "Studis Online" schon vor einem akuten Wohnraummangel für Studenten gewarnt und mehr Wohnraum gefordert. Was hat sich in den letzten fünf Jahren geändert?
    Meyer auf der Heyde: In den letzten fünf Jahren hat sich insofern etwas geändert, als die Länder leicht dazugebaut haben, aber das Hauptproblem ist, die Schere ist weiter auseinandergegangen. Wir haben seit 2008 einen Zuwachs von 43 Prozent an Studierenden und einen Zuwachs von knapp 8 Prozent an öffentlich geförderten Wohnheimplätzen, und damit wird klar, dass der Mangel natürlich weiter immer größer wird.
    Ouattara: Würden Sie sagen, dass die Politik oder die Hochschulen diese Entwicklung verschlafen haben?
    Meyer auf der Heide: Wenn, dann sind es eher, sagen wir mal, Bund und Länder gewesen, weil sie haben ja Hochschulpakte abgeschlossen und die Studienkapazitäten ausgebaut. Sie haben aber vergessen, dass Studierende ein Dach über dem Kopf brauchen und eben einen entsprechenden Hochschulsozialpakt mitzufinanzieren. Das hat sich jetzt zumindest positiv etwas gewandelt. Die Bundesregierung hat ja in ihrer Koalitionsvereinbarung aufgenommen, dass sie sich dem Wohnheimbau auch wieder zuwenden will. Allerdings wird das wohl bis 2020 dauern, weil das mit den Fördermitteln für die soziale Wohnraumförderung insgesamt zusammenhängt.
    Bildnummer: 54197662 Datum: 16.06.2010 Copyright: imago/eventfotografen.de Achim Meyer auf der Heyde (Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks) bei DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst e.V.) - Profin Bilanztagung, Veranstaltung am 15. und 16. Juni 2010 People Politik kbdig xsp 2010 quer Highlight DAAD, Veranstaltung, Event, Berlin, Bildnummer 54197662 Date 16 06 2010 Copyright Imago eventfotografen de Achim Meyer on the Heyde Secretary-General the German Student at DAAD German Academic Exchange Service e V Event at 15 and 16 June 2010 Celebrities politics Kbdig xsp 2010 horizontal Highlight DAAD Event Event Berlin
    Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (imago stock&people)
    Internationale Studierende haben mehr Schwierigkeiten
    Ouattara: Mir ist auch sehr bewusst, dass der Wohnraummangel alle Studierenden betrifft. Die ausländischen Studierenden haben eine spezifische Situation, und es kommen neue deutsche Studierenden dazu. Wie schaffen Sie es, dass die Studierenden nicht gegeneinander ausgespielt werden?
    Meyer auf der Heyde: Na ja, gut, wir versuchen natürlich im Wesentlichen nach Bedürftigkeit vorzugehen. Und wir wissen, dass internationale Studierende wesentlich mehr Schwierigkeiten haben, insbesondere wenn sie aus bestimmten Herkunftsländern kommen, auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt Wohnraum zu finden. Und dann unterstützen wir sie schon. Aber Sie haben den Finger in die Wunde gelegt. Wir spielen sie nicht gegeneinander aus, wir haben ja auch bedürftige deutsche Studierende, und der Anteil der internationalen Studierenden in den Wohnheimen liegt bei 35 Prozent, je nachdem nach unserem Zahlenspiegel bei 39 Prozent. Er hat schon höher gelegen, und dadurch, dass insgesamt so viele Studierende gekommen sind, ist natürlich der Anteil etwas weniger geworden.
    Ouattara: Ich habe vor Kurzem mit zwei Stipendiatinnen gesprochen. Sie sind gezwungen, ihren Wohnort ständig zu wechseln. Ich habe ihnen empfohlen, sich ans Studentenwerk zu wenden. Da kam die Antwort: Wir stehen auf der Warteliste. Was sollten wir diesen Studierenden sagen, welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es seitens des Studentenwerks?
    Meyer auf der Heyde: Es gibt einmal natürlich die Wohnangebote, die sie selber vorhalten, das heißt die Wohnheime. Es gibt auch Wohnraumvermittlung, und man versucht, Privatzimmer zu akquirieren – viele Studentenwerke machen viele Aktivitäten, um eben auch Studierende dort unterzubringen. Oder man arbeitet gemeinsam zusammen auch mit Wohnungsgesellschaften, je nach Ort, wo es möglicherweise freie Kapazitäten gibt, um auch dann dort Wohnraum für Studierende zu organisieren. Hinzu kommt - aber das nützt natürlich nichts, wenn ich keine Wohnung habe -, es gibt Integrationsangebote für Studierende, es gibt Tutoren, und man versucht eben natürlich, auch sonst noch Hilfestellung zu geben, auch Beratungsangebote et cetera.
    Studentenwerk fordert Hochschulsozialpakt
    Ouattara: Wovon reden wir insgesamt, wie viele Plätze fehlen?
    Meyer auf der Heyde: Wir schätzen und fordern ja schon seit Langem den Bau von 25.000 Plätzen. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es wird dazu beitragen, dass, sagen wir mal, am Anfang des Semesters die Situation etwas entspannt werden könnte. Und dazu haben wir Bund und Länder aufgefordert, einen entsprechenden Hochschulsozialpakt zu konzipieren, analog den Hochschulpakt.
    Ouattara: Bundesbildungsministerin Karliczek ist stolz auf den internationalen Bildungsstandort Deutschland und auf die Weltoffenheit. Was erhoffen Sie sich vom Bund?
    Meyer auf der Heyde: Der Bund hat in der Koalitionsvereinbarung festgelegt, dass er Wohnungen fördern will, insgesamt sozialen Wohnraum, aber auch wieder in den studentischen Wohnheimbau einsteigen will. Das ist ein positives Signal, und ich hoffe natürlich, dass das umgesetzt wird. Das liegt allerdings in der Zuständigkeit eines anderen Ministeriums, des Bundesinnenministeriums, aber ich hoffe natürlich, dass auch die Bundesbildungsministerin die Sensibilität für dieses Problem entwickelt und dann auch auf ihren Amtskollegen zugeht.
    Kampagne des Deutschen Studentenwerks
    Ouattara: Eine letzte Frage noch: Was können wir als Studierende, wie können wir auf diese Situation aufmerksam machen?
    Meyer auf der Heyde: Die Studierenden können auch Druck machen. Wir haben extra eine Kampagne gestartet als Deutsches Studentenwerk mit den Studentenwerken zusammen, "Kopf braucht Dach", um die Politik in Bund, Länder, Kommunen und andere Akteure zu sensibilisieren. Dazu haben wir eine Webseite eingerichtet, "mein-studentenwohnheim.de". Dieses ermöglicht den Studierenden, dort auch abzustimmen auf einer Schaltfläche, und je mehr Stimmen wir haben, desto größer wird natürlich auch der Druck seitens der Studierenden.
    Ouattara: Vielen Dank für das Interview. Das war Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. Vielen Dank!
    Meyer auf der Heyde: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.