Eine Party in Steinach, einem kleinen Dorf bei Bogen in Niederbayern. Tief in der Provinz zwischen Regensburg und Passau. Der örtliche Asyl-Unterstützerkreis hat Musik und Essen organisiert. Die freiwilligen Helfer wollen, dass sich die Dorfbewohner und die 55 Geflüchteten aus der Unterkunft am Ortsrand besser kennenlernen. Familie Rohat sitzt müde auf einer Bierbank. Die Rohats heißen eigentlich anders, wollen aber ihren Nachnamen nicht im Radio nennen. In Partystimmung ist Vater Shirkou Rohat derzeit nicht.
Er raucht jetzt wieder, sagt Shirkou Rohat. Das sei natürlich nicht gut wegen der Schwangerschaft seiner Frau Zera. Aber der Stress setze ihnen zu. Mit ihren drei Kindern hatten sie über Freunde eine Wohnung gefunden – in Gelsenkirchen. Doch die nordrhein-westfälischen Behörden schickten sie wieder zurück. Thomas Langhoff vom Helferkreis Steinach:
"Die sind dann, nachdem sie ausgewiesen wurden, freiwillig nach Straubing zurück. Und das Landratsamt hier in Straubing-Bogen hat hier angerufen, weil sie wussten, dass hier noch Kapazitäten frei sind für Flüchtlinge, die anerkannt sind. Und deshalb sind die letzte Woche hier untergebracht worden. Was natürlich nicht so schön ist, weil es sind kleine Zimmer und es sitzen insgesamt fünf Personen in einem Zimmer zusammen."
Wohnort-Zwang
Wohnsitzauflage heißt die neue Bestimmung, die dazu führt, dass Familie Rohat aus dem irakischen Kurdistan nicht mehr in einer Gelsenkirchener Wohnung lebt, sondern wieder in einem Zimmer in Niederbayern. Dieser Wohnort-Zwang ist Teil des vom Bundestag beschlossenen Integrationsgesetzes. Bisher galt er nur für Asylbewerber, deren Antrag noch geprüft wird, und für sogenannte vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, also Geduldete. Neu ist nun: Die Wohnsitz-Auflage kann auch auf Flüchtlinge ausgedehnt werden, deren Asylantrag bereits genehmigt wurde, wenn sie Sozialleistungen beziehen.
Allerdings bleibt es den Bundesländern überlassen, die Wohnsitz-Auflage in der Ländergesetzgebung umzusetzen. Bayern hat das als erstes Bundesland bereits getan. Die Behörden können anerkannten Asylbewerbern dann zukünftig bis zu drei Jahre lang vorschreiben, in welchen Landkreisen sie wohnen müssen. Familie Rohat ist deshalb nach nur einer Woche in Gelsenkirchen wieder zurück. Dort, wo sie vor einem Jahr angekommen sind, nach ihrer Flucht: Im Landkreis Bogen in der niederbayerischen Provinz. Auch dort sei der Freistaat lebenswert, meint die zuständige bayerische Sozialministerin Emilia Müller – nicht nur in Großstädten.
"Mir geht’s auch darum, dass wir keinen verstärkten Zuzug in die Ballungsgebiete haben, wo sich dann Parallelgesellschaften bilden. Das hatten wir in der Vergangenheit nicht. Und das wollen wir auch in Zukunft nicht. Wir wollen, dass Integration gelingt und dass die Menschen mit uns leben."
Vermieter wollen oft keine Flüchtlinge
Das sieht Flüchtling Shirkou Rohat grundsätzlich genauso wie Emilia Müller von der CSU. Nur muss er in Bogen erst mal eine Wohnung für seine Familie finden. Die Wohnungssuche der Rohats geht also von vorn los. Thomas Langhoff und sein Helferkreis unterstützen die Familie dabei. Auch wenn vieles nicht in ihrer Macht steht.
"Bei den Zeitungsinseraten muss man leider feststellen, dass eine große Abwehr für ausländische Mitbürger oder auch Flüchtlinge vorhanden ist. Das geht von Aussagen wie: Männer wollen wir nicht haben. Diese Menschen sind zu laut. Diese Menschen sind schmutzig – und ähnliche Aussagen. Das ist also kein Einzelfall, das haben wir häufiger erlebt. Selbst wenn wir sagen, dass diese Menschen einen Beruf haben, eine feste Anstellung haben, dass wir sie persönlich kennen, weil wir sie betreuen aus dem Helferkreis, wird uns im Grunde genommen mehr oder weniger das Telefon auf die Gabel geknallt."
Viele Vermieter wollen keine Flüchtlinge – aus Unsicherheit, aus Angst vor Mietrückständen oder schlicht aus Fremdenfeindlichkeit. Hinzu kommt: Auch auf dem flachen Land sind die Wohnungen teilweise knapp. Einige anerkannte Flüchtlinge bleiben deshalb gezwungenermaßen im Asylbewerberheim, sie sind sogenannte Fehlbeleger. Das heißt, sie müssten eigentlich ausziehen – aber sie finden kein neues Zuhause.
Die Zahl der Fehlbeleger, die im März dieses Jahres in Bayern noch bei 13.000 lag, ist seitdem deutlich gestiegen – nicht nur in München und Nürnberg, sondern auch in Weißenbrunn, einer 3.000-Einwohner-Gemeinde bei Kulmbach in Oberfranken. Der dortige Bürgermeister Egon Herrmann macht sich Sorgen um die Flüchtlinge im Ort.
"Also, die große Schwierigkeit bei der Unterbringung ist, wenn sie anerkannt sind als Asylanten, dann müssen sie laut Gesetz raus, und die Gemeinden haben in der Regel keine Unterkünfte, keine Wohnungen."
Bürgermeister Herrmann steht in einem Konferenzzentrum in Sonthofen im Oberallgäu. Er nimmt an der Landesversammlung des Bayerischen Gemeindetags teil. Mehr als 100 bayerische Landräte, Kommunalpolitiker und Bürgermeister treffen sich, um zwei Tage lang über ein Thema zu sprechen: Asyl. Uwe Brandl, der bayerische Gemeindetags-Präsident, sieht die Kommunen bei der Flüchtlings-Unterbringung an der Belastungsgrenze.
"Und wenn ich dann höre, dass diejenigen, die dann als Familien zu uns kommen, unter das Obdachlosenrecht fallen und damit den Bürgermeistern quasi vor die Füße gekippt werden – entschuldigen Sie den Ausdruck – dann hab‘ ich dafür nur sehr begrenzt Verständnis. Sehr begrenzt."
Viele ländliche Regionen überfordert
Uwe Brandl, selbst CSU-Bürgermeister im niederbayerischen Abensberg, ist von der Wohnsitz-Auflage nicht begeistert. Denn es gehe um mehr als nur eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz, auch Kinderkrippen- und Schulplätze seien notwendig. "Ich mahne zur Vorsicht", sagt Brandl in seiner Gemeindetags-Rede. Viele ländliche Regionen in Bayern seien überfordert – etwa beim Ausbau der Kindertagesstätten. Sie finden nicht genügend Betreuungs-Personal für die vielen Flüchtlingskinder.
"In der jetzigen Situation, die immer noch eine Krisensituation ist, bin ich nicht bereit, darüber zu philosophieren, ob wir im Qualitätsbereich bei der Aufnahme von Flüchtlingskindern, wirklich ums Verrecken die Anstellungsschlüssel halten müssen. Und wenn wir sie nicht halten, werden uns auch noch die Zuschüsse gestrichen!"
Beim Treffen der Kommunalpolitiker in Sonthofen geht es immer wieder ums Geld. 670 Euro zahlt der Bund den Kommunen für jeden Asylbewerber – pro Monat. Zu wenig, klagen die Kommunalpolitiker. Stefan Kammergruber etwa, Bürgermeister in Emmerding bei Altötting, macht sich Sorgen um den Haushalt seiner Gemeinde.
"Wir haben tatsächlich eine dritte Gruppe aufmachen müssen, also wir haben jetzt wieder einen dreizügigen Kindergarten. Da gibt’s jetzt keinen Kostenersatz. Das hat jetzt der Träger, beziehungsweise wir mit einem Betriebskosten-Defizit zu übernehmen."
Flüchtlinge beleben ländliche Regionen
Der Freistaat Bayern nimmt knapp 16 Prozent aller Geflüchteten auf, die nach Deutschland kommen. Im vergangenen Jahr waren das rund 160.000 Menschen, in diesem Jahr bisher rund 35.000. Darunter viele Kinder und Jugendliche. Sie sorgen in vielen bayerischen Gemeinden erst dafür, dass Kindergärten ausgelastet sind und Schulen nicht schließen müssen – trotz niedriger Geburtenzahlen und Abwanderung. Die Flüchtlinge seien für viele ländliche Regionen ein Segen, behauptet zum Beispiel Jürgen Mistol von den Grünen.
"Wenn man heute sagt: ich will meine Infrastruktur erhalten – da geht’s ja immer darum, dass ich einen Kindergarten gebaut habe, dass ich eine Schule erhalten will – dann brauche ich junge Familien. Und da kann man natürlich Flüchtlinge auch als Chance sehen, damit man solche Infrastrukturen erhalten kann. Wenn sozusagen die Rahmenbedingungen stehen, gelingt Integration gerade in den Bereichen sehr gut."
Jürgen Mistol ist Landtags-Abgeordneter der Grünen in München und Stadtrat in Regensburg. Der Experte für Bau- und Wohnungspolitik lehnt die Wohnsitz-Auflage, wie sie die CSU in Bayern eingeführt hat, ab. Anders sein Parteikollege Winfried Kretschmann: Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg hat in seinem Bundesland die Wohnsitz-Auflage eingeführt. Und ab Dezember gilt sie auch im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen. Jürgen Mistol dagegen plädiert für Freiwilligkeit.
"Da muss man halt Anreize schaffen, damit Leute sagen, ich bleib‘ gern in einer Stadt wie Selb, weil ich da vielleicht auch die Infrastruktur habe. Ich kann mir auch vorstellen, dass man ehemalige Sozialwohnungen, die mittlerweile aus der Sozialbindung rausgefallen sind – also so nach 25 Jahren – dass man solche Wohnungen, die vielleicht nicht immer den ganz neuesten Standard haben, in die Belegungsbindung zurückführt. Und dann könnte man ganz gezielt Flüchtlingsfamilien mit solchen Wohnungen versorgen."
Belegungsbindung heißt, dass diese Wohnungen länger für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen als ursprünglich geplant. Ist das in der Praxis umsetzbar? Und reichen solche Steuerungs-Instrumente aus, um in Großstädten die von manchen vermutete Getto-Bildung zu verhindern? Martin Neumeyer schüttelt den Kopf. Der Integrations-Beauftragte der bayerischen Staatsregierung sagt: Auf Freiwilligkeit könne man dann setzen, wenn nur ein paar zehntausend Flüchtlinge nach Deutschland kämen. Nicht aber bei knapp einer Million Menschen in einem Jahr.
"Bei der Dimension, die jetzt schon da ist an Personen, und was noch kommen wird durch den Familiennachzug, kommen schätzungsweise noch weitere Hunderttausende, auch über den anderen Weg, sei es über Griechenland oder eben auch Italien. Das müssen wir organisieren, das man Orte zuweist. Das ganze ist ja begrenzt auf drei Jahre und der, der Arbeit hat, kann sich ja befreien von dieser Situation, weil er praktisch keine Leistungen mehr vom Staat bezieht."
Möglichkeiten, sich von der Auflage zu befreien
Wenn ein anerkannter Flüchtling mit Arbeitserlaubnis mindestens 712 Euro netto im Monat verdient, kann sie oder er sich von der Wohnsitz-Auflage befreien lassen. Asylberechtigten dagegen, die von Hartz IV leben, schreibt die Ausländerbehörde den Wohnsitz vor. Die Menschen können sich dann zwar in Deutschland frei bewegen – denn es gibt keine Residenzpflicht mehr, wie sie in Bayern noch vor drei Jahren üblich war, aber wohnen dürfen sie nur am festgelegten Ort – meistens dem Ort der Erstregistrierung. Sonst haben sie keinen Anspruch auf staatliche Leistungen. Das sei übrigens kein neues Konzept, weiß der CSU-Politiker Neumeyer.
"Also erst mal nach dem Krieg gab es das bei den vielen Flüchtlingen. Und das gab’s auch bei den Deutschen aus Russland, in den 80er Jahren. Da gab’s auch eine Wohnsitz-Auflage, einfach, um das zu organisieren. Man kann das als Zwang sehen – man kann es aber auch als Schutz sehen."
Schutz etwa davor, die deutsche Sprache nicht zu lernen. Der Freistaat fördert Sprachkurse für Flüchtlinge in diesem Jahr mit 17 Millionen Euro – als Teil des bayerischen Integrationsgesetzes. Aber Sprachkurse sind nur das eine. Das andere ist es, im Alltag deutsch zu sprechen. Oder besser: gleich bayerisch. Auf dem Land lerne man das besser als in der Stadt, behauptet der CSU-Politiker. Der Landtagsabgeordnete und Integrationsbeauftragte hat in seiner niederbayerischen Heimatregion Kelheim gerade die Landratswahlen gewonnen. Im Wahlkampf kam er auch ins abgelegene Kloster Weltenburg an der Donau. Dort lernte er zwei syrische Flüchtlinge kennen.
"Im Kloster Weltenburg arbeiten zwei Syrer in der Küche. Einer ist sogar in einer ganz wichtigen Position und spricht so richtiges Küchenbayrisch. Er muss ja so reden, sonst verstehen ihn die nicht und er versteht sie nicht. Also ist das ganz normal."
Der Freistaat Bayern hat im Vergleich etwa zu Nordrhein-Westfalen den Vorteil, dass die Arbeitslosenquote mit 3,4 Prozent gering ist. Auch auf dem Land. Die Arbeitgeber in der Region Kelheim etwa, in Martin Neumeyers Heimat, suchen händeringend Arbeitskräfte.
"Wir haben eine Top-Wirtschaftslage. Wir brauchen auch junge Menschen, weil wir Boom-Region sind. Wir brauchen Lehrlinge, wir brauchen Auszubildende. Wir brauchen auch Fachkräfte, aber das ist auch eine Frage der Zeit. Jugendliche lernen schnell deutsch, aber die brauchen trotzdem auch noch die Ausbildung. Wir wissen natürlich, dass sehr viele Analphabeten dabei sind. Also diesen Zaubertrick, den manche Wirtschafts-Experten versprochen haben, den gibt’s nicht. Das ist harte Arbeit – für die Betroffenen, aber auch für die Wirtschaft."
Herausforderungen für Schulklassen
Aber Integration verlangt auch der örtlichen Bevölkerung einiges ab. Etwa, wenn in Schulklassen plötzlich überwiegend Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen sitzen. Martin Neumeyer hat erst kürzlich Beschwerden von Eltern einer Grundschule in Kelheim bekommen:
"Dass die Klasse mehrheitlich nicht mehr deutsch – also deutschstämmig – ist. Da gibt’s dann natürlich schon Trouble. Deswegen muss man da behutsam vorgehen. Deswegen auch die Wohnsitz-Auflage, um in den Kindergärten und Schulen ein bisschen Struktur reinzubringen."
Planungs- und Investitions-Sicherheit für die Kommunen – dieses Argument hat auch die oppositionelle SPD im bayerischen Landtag überzeugt. Die Sozialdemokraten stimmen der CSU bei der "Wohnsitz-Auflage" grundsätzlich zu. Volkmar Halbleib, der kommunalpolitische Sprecher der Landtags-SPD, findet:
"Man darf das keinesfalls ideologisch überhöhen. Das ist ein pragmatischer Ansatz. Nämlich Dinge zusammenzubringen. Dort, wo Wohnraum ist und Möglichkeiten zur Integration, auch Asylbewerbern Raum zu geben. Und dort, wo auch Schwierigkeiten vorhanden sind, etwa in den Ballungsräumen, auch vielleicht Entlastung zu schaffen."
Auch der SPD-Oberbürgermeister von München, Dieter Reiter, begrüßt die Wohnungs-Auflage. Er hatte schon im Februar dieses Jahres gefordert, die umliegenden Regionen müssten mehr Platz für Flüchtlinge schaffen. Das entlaste nicht nur die Stadt München, sondern diene auch der besseren Integration der Flüchtlinge. Dem widerspricht Hanna Smuda vom Bayerischen Flüchtlingsrat.
"Es macht sie ja nicht zu mündigen Bürgern, was man ja immer möchte. Ich gehe ja erst mal dahin, wo ich Bekannte treffe, wo ich jemanden finde, der mir hilft. Wenn jemand seinen Wohnsitz frei wählen will, und das wäre dann vielleicht eine Großstadt wie München oder Nürnberg in Bayern, dann würde er ja nicht da hingehen, weil er niemanden kennt. Er hätte schon Anschluss, diese Personen könnte ihm wieder helfen, sich hier zu integrieren, da geht es ja ganz viel um Arbeitsmarkt, Kinderbetreuung, Bekanntschaften schließen."
Nicht alle wollen in Großstädte
Die Großstadt bietet Bildung, Freizeitmöglichkeiten und Anschluss an die Communitys. Aber nicht alle wollen dahin. Der 37 Jahre alte Hemen Aras – auch er heißt in Wirklichkeit anders – hat es trotz Stress und Unruhe schon einmal in der Großstadt probiert. Nach zwei Wochen bei einem Freund in Essen war er wieder zurück in seiner Unterkunft in Bogen.
"In Syrien mochte ich immer in einem Dorf oder einer kleinen Stadt leben, weil es da immer ruhig ist."
Zur Zeit arbeitet Hemen Aras in einem Betrieb, der Dichtungen herstellt. Er würde gern in seinem erlernten Beruf als Maurer arbeiten, aber auf dem Land nehmen Geflüchtete den Job an, der ihnen angeboten wird – und den sie zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können. Die Bogener Helferin Rita Koboldt:
"Sagen wir mal, wenn Sie richtig, oder einigermaßen Deutsch sprechen, und eventuell dann auch die Möglichkeit haben, sich ein kleines Auto zuzulegen, wir haben Angebote. Aber irgendwo im hinteren Bayerischen Wald mit keiner Bus- keiner Zugverbindung. Das Jobcenter gibt denen einen Zettel: Sie können arbeiten da und da. Und dann schauen wir, dann ist das zwischen Konzell und was weiß ich. Also unmöglich hinzukommen, ne?"
Aber Rita Koboldt und die Kommunalpolitikerin Anita Karl von den Grünen helfen dennoch, wo sie können. Auch sie fragen derzeit alle Wohnungen an, die als vermietbar angeboten werden. Heute ist ein guter Tag für die syrische Familie Al-Nour – auch ihr Name ist geändert. Der Helferkreis hat für das Ehepaar mit seinem sechs Jahre alten Sohn eine schöne, geräumige Wohnung gefunden. Lange haben sie gesucht.
"Ein Jahr, ein Jahr. Wohnung schwierig. Es gibt keine Wohnungen und viele Menschen."
Vermieterin Ulrike Ehmann, eine rüstige Mittsechzigern, war bisher die einzige, die ihre Wohnung dem Unterstützerkreis angeboten hat.
"Ich hab diese Damen jetzt schon die ganze Zeit bewundert für das, was die tun hier in Bogen für unsere neuen Bürger. Und dann hab ich mir gedacht, ich will jetzt auch mal was Gutes tun. Weil ich hab, wenn ich hier das in die Zeitung setzen würde, hätte ich morgen hier 20 Leute, die hier aus Bogen das mieten wollen."
Hilfe bei Mietverträgen
Die Frauen vom Helferkreis helfen beim Ausfüllen des Mietvertrags – und auch beim Festschreiben der Mieterpflichten. Nachdem die Kehrwoche festgelegt und erläutert wurde, macht sich Anita Karl auf den Weg zu den anderen Geflüchteten, die noch keine Wohnung haben. Die Wohnsitz-Auflage findet auch sie nicht schlecht, vom Prinzip her. Kommunalpolitikerin Anita Karl:
"Dieser Ansporn die Sprache zu lernen, ist in einer kleinen Stadt wesentlich größer als in einer Großstadt. Ich finde, Integration klappt im Kleinen wesentlich besser als im Großen. Und irgendwie find ich’s richtig, aber ich würde es mir – so schwierig es ist, mir von Fall zu Fall anschauen."
Doch das ist im Alltag oft nicht möglich – oder nur mit hohem personellem Aufwand. Die Wohnsitz-Auflage sei ein Bürokratie-Monster, klagt Christine Kamm von den bayerischen Grünen. Die asyl- und migrationspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion ärgert sich vor allem, dass die Wohnsitz-Auflage im Freistaat rückwirkend in Kraft trat. Und zwar zum Jahresbeginn 2016.
"Das bedeutet, dass auch Bundesländer, wo Flüchtlinge aus anderen Bundesländern zugezogen sind, die Möglichkeit haben, diese in die anderen Bundesländer, aus denen sie gekommen sind, quasi wieder zurückzuschieben. Also beispielsweise Flüchtlinge, die insbesondere im bayerischen Oberland keine Wohnung gefunden haben, sind in andere Bundesländer gezogen, in denen es wesentlich mehr Wohnraum gibt. Etwa im Ruhrgebiet. Weil sie eine Wohnung haben wollten. Die werden jetzt wieder nach Bayern zurückgeschickt."
Davon ist auch die CSU nicht begeistert. Martin Neumeyer, der Integrationsbeauftragte der Staatsregierung sagt, er verstehe ja, dass in Nordrhein-Westfalen bald gewählt wird und die rot-grüne Landesregierung unter Druck steht. Aber Bayern werde es nicht zulassen, dass der Rest Deutschlands seine Probleme auf den Freistaat abwälze.
"NRW hat natürlich eine Riesen-Herausforderung, weil natürlich viele durch Verwandtschafts-Beziehungen nach NRW gehen. Und NRW wird auch versuchen, manche wieder in andere Bundesländer zurückzuschicken. So eine Art deutsches Dublin. Aber das kann nicht sein, das ist nicht solidarisch. Das habe ich Kanzleramts-Chef Altmaier schon gesagt: So funktioniert’s nicht. Dann muss man sagen: Finale! Dann müssen wir vielleicht auch den Länderfinanzausgleich einstellen."