Messerattacke in Mannheim
Wohnung durchsucht - Pax Europa plant weitere Veranstaltungen

Nach dem Messerangriff in Mannheim hat die Polizei eine Wohnung im hessischen Heppenheim durchsucht.

01.06.2024
    Mannheim: Mitarbeiter der Spurensicherung sind nach einer Messerattacke auf dem Mannheimer Marktplatz im Einsatz.
    Der Messerangriff auf dem Marktplatz in Mannheim hat Bestürzung ausgelöst (Rene Priebe / dpa / Rene Priebe)
    Das teilte das Landeskriminalamt Stuttgart mit. Zugleich hieß es, der Fokus der Ermittlungen liege auf dem Motiv des mutmaßlichen Täters. Der von Polizeibeamten niedergeschossene Mann sei operiert worden und zur Zeit nicht vernehmungsfähig. Zur Identität des Mannes will sich die Polizei bislang nicht äußern. Nach übereinstimmenden Medienberichten handelt es sich um einen 25-Jährigen aus Afghanistan, der in Südhessen lebt. Er hatte gestern einen Stand der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa angegriffen und sechs Menschen verletzt. Ein Polizist schwebt noch in Lebensgefahr. Die Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat die Ermittlungen übernommen.
    Pax Europa teilte mit, man werde weiterhin bei Veranstaltungen öffentlich auftreten und gehe davon aus, dass die Polizei die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen werde. Auch das bei dem Angriff verletzte Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger werde "auf jeden Fall weiter machen", hieß es. Er sei allerdings "erheblich verletzt" und liege derzeit im Krankenhaus. Die Bürgerbewegung will über die Gefahren aufklären, die ihrer Ansicht nach vom politischen Islam ausgehen.

    Bestürzte Reaktionen

    Aus der Bundespolitik kamen betroffene Reaktionen auf den Vorfall. Bundespräsident Steinmeier erklärte wörtlich: "In unserer Demokratie darf kein Platz für Gewalt sein - Gewalt zerstört Demokratie". Auch Bundeskanzler Scholz und Bundesinnenministerin Faeser zeigten sich erschüttert über die Gewalttat in Mannheim. Die Bilder seien furchtbar, schrieb der Kanzler auf dem Kurznachrichtendienst X. Faeser sprach von einem schrecklichen Verbrechen.
    CDU-Chef Merz äußerte sich ähnlich, ebenso der Grünen-Vorsitzende Nouripour. Bundestags-Vizepräsidentin Göring-Eckardt schrieb, wer versuche, Andersdenkende mit Gewalt zum Schweigen zu bringen, verlasse den Boden der Demokratie.

    Hintergründe zu Stürzenberger und BPE

    Der 59-jährige Michael Stürzenberger ist einer der führenden Köpfe der BPE, die auf dem Marktplatz einen Stand aufgebaut hatte. Die Bewegung beschreibt sich auf ihrer Website als "Menschenrechtsorganisation", die "über Wesen und Ziele des Politischen Islam" aufkläre. Dabei macht die BPE keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus - beiden schreibt sie unter anderem "aggressive Verachtung und Intoleranz" zu.
    Der bayerische Verfassungsschutz schrieb in seinem Bericht für das Jahr 2022 über Stürzenberger und den bayerischen Landesverband der BPE, es lägen "tatsächliche Anhaltspunkte" dafür, dass diese "verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen" verfolgten, "die auf eine Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime gerichtet sind". Im jüngsten Bericht der Behörde für das Jahr 2023 tauchen Stürzenberger und die BPE nicht mehr auf. Das liegt nach Angaben des Landesamts für Verfassungsschutz daran, dass diese weniger aktiv seien. Sowohl Stürzenberger als auch der BPE Landesverband Bayern würden weiter beobachtet. 
    Der 1964 im bayerischen Bad Kissingen geborene Politikwissenschaftler Stürzenberger war über Jahre als Journalist für mehrere Medien tätig. Ende 2003 wurde er Pressesprecher der CSU in München. Auf den Posten geholt hatte ihn damaligen Medienberichten zufolge die Bezirksvorsitzende Monika Hohlmeier, Tochter von CSU-Urgestein Franz Josef Strauß.

    Parteikollege bei Terroranschlag in Mumbai ums Leben gekommen

    Als ein Schlüsselerlebnis in Stürzenbergers politischer Laufbahn gilt der Tod eines CSU-Kollegen bei der blutigen Terrorserie in Mumbai im November 2008, als von Islamisten Luxushotels und ein jüdisches Zentrum angegriffen wurden. Er verließ die CSU und stieg 2011 bei der Partei Die Freiheit ein, die alsbald beim Landesverfassungsschutz als islamfeindliche Gruppierung auftauchte. Er wurde erst ihr bayerischer Landesvorsitzender, später Bundesvorsitzender. Als sich die Partei Ende 2016 auflöste, sagte er dem "Münchner Merkur": "Unsere letzte verbliebene Aufgabe, die Islamkritik in die Öffentlichkeit zu tragen, ist erfüllt, da die AfD dies nun überzeugend fortsetzt."
    Mehrfach trat Stürzenberger auf Veranstaltungen der Pegida-Bewegung in Dresden auf. Er organisierte zeitweise auch den bayerischen Pegida-Ableger Bagida. In München machte er sich mit seinen Anhängern gegen den Bau einer Moschee stark.
    Diese Nachricht wurde am 01.06.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.