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Wohnungen in der Stadt
Reservoir für menschliche Bakterien

Je städtischer jemand wohnt, desto menschlicher werden die Bakteriengemeinschaften in Häusern und Wohnungen. Das haben Forscher der New York University herausgefunden. Die vielen menschlichen Bakterien in Stadtwohnungen könnten zu einer vermehrten Übertragung von Krankheiten beitragen.

Von Christine Westerhaus |
    Illustration eines Clostridium bacterium - das Bakterium kommt vor allem in Böden und im Verdauungstrakt von höheren Lebewesen vor.
    Zu Hause wimmelt es von Keimen, die vom Menschen stammen. (imago/Science Photo Library)
    Wohnst du noch oder lebst du schon? Dieser Werbeslogan bekommt eine neue Bedeutung, wenn man die Studie von Gloria Dominguez-Bello und ihren Kollegen liest. Je städtischer wir wohnen, umso stärker beleben wir offenbar auch unsere Umgebung. Ob das, was die Forscher von der New York Universität beobachtet haben, aber im Sinne des schwedischen Möbelhauses war, ist fraglich.
    Dominguez-Bello: "Je näher wir an einer Stadt wohnen, umso mehr kapseln wir uns von der Außenwelt ab. Im Urwald leben die Menschen in einfachen, offenen Hütten und dort finden wir sehr viele Bakterien, die auch in der freien Natur vorkommen. In städtischen Behausungen, die von Mauern umgeben und durch Wände unterteilt sind, wimmelte es dagegen von Keimen, die vom Menschen stammen. Also aus der Mundhöhle, von der Haut oder dem Darm. Aus mikrobiologischer Sicht vermenschlichen wir also unsere Häuser."
    Die Forscher hatten in einem Gebiet im Amazonasbecken untersucht, welche Bakteriengemeinschaften in welchem Häusertyp vorkommen. Dazu nahmen sie in vier sehr unterschiedliche Typen von Behausungen Proben: In offenen Hütten kleiner Dorfgemeinschaften im Dschungel, in Häusern auf dem Land, in Vorortsiedlungen und schließlich in Wohnungen in der Zwei-Millionen Metropole Manaus im brasilianischen Bundesstaat Amazonas. Das Ergebnis: Je näher die Behausungen an der Stadt lagen, umso stärker dominierten körpereigene Bakterien die 4-Wände der Bewohner.
    Wände und Teppiche als Reservoir für menschliche Bakterien
    "Eine der spannendsten Beobachtungen war, dass wir die Proben in der Stadtwohnung einzelnen Räumen zuordnen konnten. Anhand der Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft in den Abstrichen von den Wänden oder dem Boden konnten wir erkennen, ob wir sie im Badezimmer oder in der Küche genommen hatten, oder in einem der anderen Räume."
    Die Forscher vermuten, dass Wände und Teppiche als eine Art Reservoir für menschliche Bakterien dienen. Denn je näher die untersuchten Behausungen an der Stadt lagen, umso eher waren die Wohnungen durch Wände unterteilt. Parks und Grünflächen seien zudem oft weit entfernt. Gloria Dominguez-Bello vermutet aber, dass menschliche Bakterien in Stadtwohnungen auch deshalb dominieren, weil sich Mikroben aus der freien Natur dort nicht wohlfühlen.
    "Ich schätze, dass das mit den künstlichen Dingen zu tun hat, die wir erfinden. Es ist z.B. bekannt, dass Wandfarben chemische Verbindungen absondern können. Wir erfinden Dinge, nutzen sie und finden nach ein paar Jahren heraus, dass sie giftig sind – wie zum Beispiel Asbest. Ich vermute, dass auf Naturmaterialien wie Stein oder Holz Bakterien wachsen, die uns nicht schaden."
    Wie sich der mikrobiologische Fingerabdruck, den der Mensch offenbar in seinem Zuhause hinterlässt, auf die Gesundheit der Bewohner auswirkt, ist noch unklar. In ihrer Veröffentlichung in Science Advances schreiben die Forscher, dass die menschlichen Bakterien, die die Forscher in den Stadtwohnungen vermehrt finden, zu einer Übertragung von Krankheiten beitragen könnten. Doch das ist bisher nur eine Vermutung. Wahrscheinlich sei aber, dass das Immunsystem von Kleinkindern in Mitleidenschaft gezogen wird, so Dominguez-Bello.
    Wenn ein Mensch umzieht, nimmt er seine Bakterien mit
    "Der Kontakt zu Bakterien in der Umwelt ist wichtig, damit das Immunsystem von Kindern lernt, zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Mikroben zu unterscheiden. Doch wir verhindern die Übertragung von menschlichen Bakterien zwischen Mutter und Kind beispielsweise durch Kaiserschnitt-Geburten und Flaschenfütterung. Und es sieht so aus, als ob wir auch den Kontakt zu Bakterien aus der Umwelt verhindern, weil unsere Kinder in Wohnungen aufwachsen."
    Bisher haben die Forscher jedoch nur insgesamt 10 Behausungen untersucht – für allgemeingültige Aussagen ist es deshalb noch zu früh.
    Um ein genaueres Bild davon zu bekommen, wie der Mensch sein Zuhause prägt, wollen sie die Studie in einem anderen Land wiederholen. Andere Studien haben bereits belegt, dass ein Mensch seine Bakterien mitnimmt, wenn er umzieht. Dominguez-Bello und ihre Kollegen möchten nun herausfinden, ob ein Teil der Bakterien aus der freien Natur verloren geht, wenn Personen vom Land in die Stadt ziehen.