Tobias Armbrüster: Die Mieten und die Hauspreise in Deutschland, die kennen seit Jahren nur eine Richtung: Es geht nach oben. Vor allen in Großstädten wird der Wohnraum langsam knapp. Viele Menschen können sich das nicht mehr leisten. Es wird einfach zu wenig gebaut in Deutschland, sagen da immer die Experten, und sie sagen das auch schon seit Jahren. Und auch die Bundesregierung spielt da natürlich eine Rolle, denn sie kann Fördergelder verteilen, oder Bauvorschriften ändern, zum Beispiel lockern. Was passiert da gerade am Wohnungsmarkt? – Barbara Hendricks, die Bundesbauministerin, hat heute in Berlin ihren Bericht zur Lage auf diesem Markt vorgelegt.
Am Telefon ist Volker Eichener, Politikwissenschaftler und Wohnungsbauexperte an der Hochschule Düsseldorf. Schönen guten Tag, Herr Eichener.
Volker Eichener: Ja, guten Tag.
"Die Wohnungsnot ist mit Ansage gekommen"
Armbrüster: Herr Eichener, die Probleme sind benannt. Können Sie uns erklären, warum tut sich die Politik grundsätzlich so schwer bei diesem Thema? Mehr Wohnungen – das dürfte doch eigentlich kein allzu großes Problem sein.
Eichener: Die Wohnungsnot, die wir jetzt haben, ist mit Ansage gekommen und sie ist auch politisch gemacht worden. Wenn Sie sich die wohnungsbaupolitischen Instrumente in den letzten 20 Jahren ansehen, stellen Sie fest: Es ist überall gekürzt, gestrichen und ganz abgeschafft worden, weil man davon ausging, dass die Bevölkerung sinkt in Deutschland und wir in Zukunft weniger Wohnungen brauchen. Aber das ist jetzt so nicht eingetreten. Wir haben eine wachsende Bevölkerung und vor allen Dingen haben wir eine wachsende Zahl von Haushalten, und es sind ja Haushalte, die Wohnungsnachfrager sind. Und die Zahl der Haushalte wird bundesweit bis 2035 und auch noch Jahre darüber hinaus weiter zunehmen.
Armbrüster: Warum steht denn die Politik da überhaupt in der Verantwortung? Wir können doch eigentlich auch sagen, Bauen ist derzeit und schon seit Jahren so billig wie nie, und jeder Bürger mit einem halbwegs normalen Einkommen kann sich das eigentlich leisten.
Eichener: Ja nun, es ist eine ganz, ganz alte Erkenntnis, dass der Markt es allein nicht schafft, den nötigen Wohnungsbedarf zu decken. Das ist schon seit über 100 Jahren der Fall und deshalb gibt es auch schon seit über 100 Jahren eine staatliche und vor allen Dingen auch eine kommunale Wohnungspolitik, beispielsweise indem man eigene Wohnungsbaugesellschaften gründet, indem man den Wohnungsbau fördert. Und man darf ja nicht vergessen: Es ist der Staat, der ja die Kosten für den Wohnungsbau bestimmt, und da hat der Staat in den letzten Jahren ganz, ganz kräftig zugelangt. Vor allen Dingen durch immer neue Verschärfungen der Energieeinsparverordnung hat man natürlich das Bauen von Wohnungen so sehr verteuert, dass die privaten Investoren die Lust daran verloren haben, obwohl die Zinsen sensationell niedrig sind.
"Ich sehe nicht die Enschlossenheit für eine Wohnungsbauinitiative"
Armbrüster: Das heißt, man müsste bei diesen Umweltvorschriften etwas zurückfahren?
Eichener: Ich meine, ja. – Ich meine, ja. Wenn man für den Klimaschutz etwas tun will, dann ist sowieso der Neubau gar nicht so relevant, sondern dann ist es die Masse der Bestandswohnungen, wo man mit Modernisierung, wo man mit Dämmung vorankommen muss. Und es ist eine ganz einfache Rechnung, dass man sagt, wenn wir die Vorschriften immer weiter anziehen, sodass es nicht mehr bezahlbar, nicht mehr finanzierbar ist, dann wird weniger gedämmt, werden auch weniger gut gedämmte Neubauwohnungen gebaut, als wenn wir die Vorschriften etwas mildern und es dadurch erschwinglich machen. Denn am Ende ist es ja der Mieter, der für die Umweltauflagen zahlt.
Armbrüster: Sehen Sie denn da irgendein Zeichen, dass solche Botschaften bei der Politik ankommen, dass man bei den Bauschriften vor allen Dingen in Sachen Dämmung etwas über das Ziel möglicherweise hinausgeschossen ist?
Eichener: Teilweise, wenn man sich die Wahlprogramme anschaut, sieht man dort auch erste Ansätze, erste Bemühungen, nicht weiter kostentreibende Vorschriften zu erlassen. Aber man muss auch einfach sehen: In den letzten zwei Jahrzehnten war der Klimaschutz das dominierende Politikthema und die Wohnungsbaupolitik, das war eine Angelegenheit, na ja, ich sage es jetzt mal deutlich, für parlamentarische Hinterbänkler. Damit konnte man keine politische Karriere machen. Das ändert sich jetzt. Es ändert sich rapide. Aber wie gerade schon gesagt wurde: Es dauert einige Jahre, bis wir den Mangel, den wir selber produziert haben, wieder aufholen. Und ich sehe auch noch nicht so richtig die Entschlossenheit, ich sehe noch nicht das Durchstarten, jetzt eine Wohnungsbauoffensive zu beginnen.
"Jede Wohnung hilft"
Armbrüster: Was für Wohnungen, Herr Eichener, fehlen denn eigentlich? Kann man das sagen, welcher Typ von Wohnungen? Sind das eher die preiswerten, billigen?
Eichener: Es gibt eine ganz, ganz alte Regel. Jede Wohnung, die neu gebaut wird, entlastet den Markt und hilft. Und wir brauchen in der Tat eine Vielzahl unterschiedlicher Wohnungstypen. Wir brauchen altersgerechte Wohnungen, wir brauchen preisgünstige Sozialwohnungen, wir brauchen aber auch Eigentum. Aber auch die Luxuswohnung, die gebaut wird, hilft, auch den Markt zu entlasten.
Armbrüster: Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche. Wir brauchen Luxuswohnungen?
Eichener: Nein! Luxuswohnungen helfen auch, weil sie dem einkommensschwächeren Haushalt einen Wettbewerber ersparen. Deshalb hilft jede Wohnung, die neu gebaut wird, und deshalb muss das wohnungspolitische Instrumentarium auch an verschiedenen Stellschrauben ansetzen.
Armbrüster: Wenn ich Sie zum Schluss kurz um eine kleine Voraussage oder Prophezeiung bitten könnte? Glauben Sie, wenn wir hier in, sagen wir, fünf Jahren noch einmal zusammen sprechen, dann ist das immer noch ein Thema?
Eichener: Es wird noch ein Thema sein. Aber ich habe die große Hoffnung, dass in fünf Jahren die Politikmaschinerie angelaufen ist, so dass die Bauleistungen inzwischen angezogen sein werden.
Armbrüster: Professor Volker Eichener war das, Wohnungsbauexperte und Politikwissenschaftler an der Hochschule Düsseldorf. Vielen Dank für das Gespräch.
Eichener: Ich danke Ihnen.
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