Archiv

Wohnungsbau in Berlin
Maler und Makler gegen den Mietendeckel

Die Berliner Bau- und Immobilienwirtschaft macht gegen den Mietendeckel mobil. Mit Lastwagen zogen die Demonstranten durch die Hauptstadt. Es war ein ungewöhnliches Bündnis, das so eher selten gemeinsam auf die Straße geht: Glaser und Tischler zusammen mit Bauunternehmern.

Von Sebastian Engelbrecht |
09.12.2019, Berlin: Demonstranten stehen bei einer Kundgebung eines Bündnisses der Berliner Bau- und Wohnungswirtschaft und von Vermietern gegen den Mietendeckel vor dem Brandenburger Tor mit einem Schild mit der Aufschrift "Mietendeckel zerstört unsere Altersvorsorge". Mit dem Mietendeckel will das Land Berlin die Mieten einfrieren und eine Mietobergrenze festlegen. Foto: Fabian Sommer/dpa | Verwendung weltweit
Demonstranten stehen bei einer Kundgebung eines Bündnisses der Berliner Bau- und Wohnungswirtschaft und von Vermietern gegen den Mietendeckel vor dem Brandenburger Tor mit einem Schild mit der Aufschrift "Mietendeckel zerstört unsere Altersvorsorge". Mit (picture alliance / Fabian Sommer / dpa)
Die Straße des 17. Juni ist bis zum Brandenburger Tor blockiert. Dieses mal nicht durch Traktoren. Kranwagen stehen da, Kipp-Laster, Lieferwagen von Klempnern und Elektrikern. Die Demonstranten tragen neongelbe Westen. Auf Protestschildern steht: "Mietendeckel zerstört Altersvorsorge" und "Mietendeckel gleich Klimanotlage".
Etwa 1.500 Menschen haben sich vor einem Lastwagen versammelt. Darauf steht Klaus Dieter Müller, Stukkateurmeister und Bauunternehmer. Er ist Präsident der Fachgemeinschaft Bau in Berlin.
"Durch den Mietendeckel, und sie sehen es auf vielen der Schilder und auf vielen Fahrzeugen, durch den Mietendeckel wird keine einzige neue Wohnung gebaut. Und Wohnungsbau, Neubau, ein Mehr an Wohnungsbau ist das einzige, was den angestrengten Wohnungsmarkt erleichtern kann, eine Erleichterung verschaffen kann. Deswegen brauchen wir Neubau, und deswegen brauchen wir Sanierung und Investition in Wohnungsbau", sagt Müller.
Sie alle applaudieren, trillern auf ihren Pfeifen: Dachdecker, Fliesenleger, Metallbauer, Glaser, Tischler, Maler, zusammen mit Bauunternehmern, Maklern und Vermietern.
Frank Muschiol gehört zu ihnen. Er ist der Chef eines Handwerksbetriebs mit 350 Mitarbeitern, mit all diesen Gewerken. Wohnungssanierung ist sein Metier. Muschiol demonstriert, "weil ich als 70-Jähriger schon zweimal die Folgen sozialistischer Wohnungspolitik miterlebt habe. Einmal im alten West-Berlin bei der Mietpreisbindung und zum anderen bei der DDR, und das hatte jedes mal die gleichen Folgen: Verfallende Häuser, Schwarzmarktzahlungen und jedenfalls keine bessere Wohnraumversorgung der Bevölkerung."
Klage über Umsatzrückgänge
Seit drei bis vier Monaten spürt Muschiol die Auswirkungen des Mietendeckels, den das Berliner Abgeordnetenhaus noch gar nicht verabschiedet hat: Er rechnet deswegen mit 25 bis 30 Prozent weniger Umsatz.
"Ich befürchte das, was ich jetzt schon von sehr vielen Kunden höre, dass sie ihre Investitionstätigkeit weitestgehend einschränken und dementsprechend die Nachfrage einbricht."
Nicht weit von Muschiol steht Thomas Reitmeier im Gewühl der Demonstranten. Er ist angestellt als Tischler, bei einem Unternehmen mit 40 Kollegen.
Bei Reitmeier machte sich der Mietendeckel schon früher bemerkbar: "Na, das ist jetzt seit einem halben Jahr. Und wir bewegen uns jetzt beim Auftragsverlust oder bestehenden Aufträgen, die wieder zurückgezogen sind, von zwei Millionen. Und das ist für uns als kleiner Betrieb, als mittelständischer Betrieb, wahnsinnig viel."
Bei anderen ist der Mietendeckel-Effekt noch nicht angekommen, zum Beispiel bei Steffi Ritter, Unternehmensberaterin in der Wohnungswirtschaft. Sie ist einfach nur empört über die Pläne des Senats.
"Es wird hier alles plattgemacht in Berlin, was damit zu tun hat: Die ersten Handwerker verlieren ihre Arbeitsplätze. Die ersten Investoren wandern ab. Also Berlin schießt sich hier komplett ins Aus. Und das muss verhindert werden", sagt Ritter.
Demonstranten offen auf das Verfassungsgericht
Aber Ritter ist zuversichtlich, dass das Projekt "Mietendeckel" noch vom Verfassungsgericht gestoppt wird.
"Der Mietendeckel konterkariert das Ganze und greift halt in Bundesrecht ein, und schon deshalb ist er verfassungswidrig. Außerdem greift er in das Vertragsrecht ein zwischen Vermieter und Mieter, und auch das ist rechtlich nicht zulässig. Das widerspricht komplett unserem Grundgesetz.
Auf dem Höhepunkt der Demonstration zieht ein Kran eine mannshohe Holzscheibe in die Luft. Darauf die Aufschrift: "Euer Mietendeckel kostet unsere Arbeitsplätze". Sibylle Barent vom Vermieterverband "Haus und Grund" trägt ein Papphaus auf dem Kopf - mit der Aufschrift: "Dach überm Kopf - nur mit den Kleinvermietern"
"Ich finde ihn vor allem sinnlos, bringt ja nichts. Und ungerecht ist er natürlich auch und wird die vielen privaten Kleinvermieter vom Markt vertreiben zugunsten einer Anbieterstruktur, die man vielleicht nachher nicht haben möchte", sagt Barent.
Barent meint die Großunternehmen der Wohnungswirtschaft. "Neid frisst Hirn" heißt es auf einem Transparent neben ihr - adressiert an Aktivisten, die den Mietendeckel wollen. Und Bauunternehmer Klaus-Dieter Müller fasst zusammen:
"Zum Wohle aller Berliner Wohnungsmieter wollen wir dazu aufrufen, den Mietendeckel zu begraben. Der Mietendeckel baut keine Wohnungen."