Eine offizielle Statistik der Wohnungslosigkeit in Deutschland gibt es nicht. Seit Jahrzehnten nicht, obwohl das Problem nicht erst seit dem zunehmenden Wohnungsmangel in den Städten bekannt ist.
„Wir gehen schon davon aus, dass zumindest in der Vergangenheit es kein besonders großes Interesse gegeben hat, auf Bundesebene genauer wissen zu wollen, wieviel Wohnungslose in Deutschland leben.“
Das sagt Werena Rosenke, die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Die amtierende Bundesregierung hat jetzt erstmals einen Referentenentwurf für eine bundesweite Erfassung über die Wohnungslosigkeit vorgelegt. Je nachdem wie dieser am Ende verabschiedet wird, könnte es ab dem Jahr 2021 erstmals zu einer offiziellen Dokumentation der Wohnungslosigkeit in Deutschland kommen.
Exakte Zahlen lassen sich nicht nennen
Bis dahin bleibt man weiter auf Schätzungen angewiesen, wie dies auch die Bundesarbeitsgemeinschaft seit Jahren tut, um für die gesellschaftliche Debatte wenigstens eine annähernde Orientierungsgröße zu haben. Methodische Korrekturen führen in diesem Jahr zu niedrigeren Zahlen, betont Rosenke. So gab es im Jahresverlauf 2017 Jahr 650.000 Menschen ohne Wohnung. Darunter aber auch viele, die nicht dauerhaft wohnungslos blieben. So waren am Stichtag 30.Juni rund 440.000 Menschen in Deutschland wohnungslos, davon ein Drittel in kommunalen oder freien Einrichtungen und gut zwei Drittel wohnungslose anerkannte Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften.
„Auch wenn die Zahl der Wohnungslosen niedriger ist als von uns geschätzt, gibt es keinen Grund zur Entwarnung, denn tatsächlich sind die Wohnungslosenzahlen beispielsweise in Bayern und NRW von 2016 auf 2017 um rund 29 Prozent gestiegen. Es ist deshalb davon aus zugehen, dass in Deutschland insgesamt die Wohnungslosenzahlen um rund 15 bis 20 Prozent von 2016 nach 2017 angestiegen.“
Die oftmals, weil offensichtlich mit Wohnungslosigkeit verbundene Obdachlosigkeit hat einen Anteil von 11 Prozent an der Wohnungslosigkeit und ist in den letzten Jahren deutlich durch die EU-Binnenzuwanderung aus Ost und Südosteuropa geprägt.
Preiswerter Wohnraum fehlt auf absehbare Zeit
Nach wie vor sind das unzureichende Angebot an bezahlbarem Wohnraum, der Rückgang der preisgebundenen Sozialwohnungen und die Verfestigung der Armut die wichtigsten Gründe für die Zunahme der Wohnungslosigkeit, betont Rosenke.
„Es fehlt insbesondere an bezahlbarem Wohnraum für die steigende Zahl von Menschen im Niedrigeinkommensbereich und für die Menschen, die Transferleistungen beziehen. Die Armutsrisikoquote ist bei Mieterinnen und Mietern deutlich gestiegen und betrug im Jahr 2015 knapp 29 Prozent, insbesondere betroffen sind junge Erwachsene bis 35 Jahren.“
Die Bundesarbeitsgemeinschaft fordert deshalb bis zu 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr. Die aktuellen Fördermaßnahmen der Bundesregierung würden es jedenfalls nicht schaffen, den Anteil der Wohnungen die aus der bisherigen Sozialbildung herausfallen, zu ersetzen. Deshalb sollte auch mehr für den gemeinnützigen Wohnungsbausektor getan werden.
„Den Menschen, über die wir hier sprechen, nützt das wenig, wenn in Eigentumswohnungen oder Eigenheime investiert wird, sie benötigen preiswerten, bezahlbaren Wohnraum und das vor allen Dingen im Bereich der Kleinwohnungen, weil doch der größte Teil der wohnungslosen Menschen Alleinstehendenhaushalte sind."
Rosenke forderte auch die Kommunen auf, Anreize dafür zu schaffen, damit auch die Wohnungswirtschafts mehr Wohnungen für Wohnungslose zur Verfügung stellt, und darüber hinaus auch bei privaten Vermietern den nötigen Wohnraum zu akquirieren.