Seit zehn Jahren, so schätzt es die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe – kurz BAG W, steige die Anzahl der Wohnungslosen in Deutschland.
Im Jahr 2016 hatten circa 860.000 keinen mietvertraglich abgesicherten eigenen Wohnraum, so die BAG W. Von ihnen kommen knapp über 50.000 aus anderen EU-Staaten. 440.000 – also etwa die Hälfte sollen dabei geflüchtete Menschen mit einem anerkannten Schutzstatus sein.
Schicksalsschläge als Auslöser für den Verlust der Wohnung
Aber auch ohne sie, steige die Zahl. Das sagt die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Werena Rosenke:
"Besonders anfällig sind Menschen, die über ein geringes Einkommen verfügen, also arme Menschen. Und die, die über wenige oder gar keine sozialen Netze verfügen. Und bei denen, neben dieser schlechten wirtschaftlichen Lage, vielleicht noch der eine oder andere Schicksalsschlag dazukommt. Also Trennung Scheidung ist immer ein ganz wichtiger Auslöser. Bei vielen Frauen spielt auch häusliche Gewalt eine wichtige Rolle. Das ist oft der Auslöser, dass die Frau die Wohnung verlässt und erst mal versucht, sich so durchzuschlagen."
Laut BAG W könnte die Zahl der Wohnungslosen mittlerweile auf über eine Million geklettert sein. Dabei bedeutet wohnungslos nicht gleich obdachlos. Ein Hauptgrund für die steigende Zahl: Bezahlbare Wohnungen seien knapp, so Rosenke.
"Alles war wir von unseren Einrichtungen hören hat sich die Lage für bereits Wohnungslose überhaupt nicht entspannt. Menschen, die bereits wohnungslos sind, sind sowieso stigmatisiert. Und oftmals sind für den Verlust der Wohnung auch Mietschulden gewesen. Und wenn sie Mietschulden hatten, ein negativer Schufa-Eintrag et cetera, sind sie zur Zeit nahezu chancenlos auf dem Wohnungsmarkt."
Es gibt keine bezahlbaren Wohnungen – vor allem für Menschen mit geringem Einkommen, sagt auch der Stadtsoziologe Andrej Holm.
"In den Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern da fehlen momentan 1,9 Millionen Wohnungen zu leistbaren Mietpreise, das heißt zu Mietpreisen, bei denen die Haushalte nicht mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben sollen."
Der Bund stellt den Ländern von 2018 bis 2021 rund fünf Milliarden Euro für den Sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Damit sollen 100.000 sozialgebundene Wohnungen entstehen.
Das reicht nicht aus, lautet der Vorwurf der BAG W- Geschäftsführerin
Baupolitischer Sprecher weißt Vorwürfe zurück
Werena Rosenke in Richtung Bundesregierung.
"Wir brauche pro Jahr insgesamt 100.000 bis 150.000 preiswerte Wohnungen. Die müssten mitfinanziert werden. Wir brauchen darüber hinaus Förderprogramme, die auch der Bund initiieren könnte, zur Unterstützung und Einführung von Präventionssystemen vor Ort."
Kai Wegner, der baupolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion weist den Vorwurf zurück, die Bundesregierung tue zu wenig gegen Wohnungslosigkeit.
Er sieht vor allem die Länder in der Pflicht. Sie seien letztendlich für den Bau von Sozialwohnungen, für die Beratung und die Unterbringung von Wohnungslosen zuständig.
"Wir nehmen viel Geld in die Hand für die soziale Wohnraumförderung. Wir nehme Geld in die Hand für die Eigentumsförderung in Deutschland und wir wollen jetzt auch noch mal Geld in die Hand nehmen für die Förderung des frei finanzierten Wohnungsbaus, vielleicht auch Mietpreise von acht, neun oder zehn Euro, die wir fördern wollen. Damit wir hier auch ein breiteres Angebot haben."
Menschen, die sich aber maximal 6 Euro pro Quadratmeter leisten können, könnten auf dem eh schon angespannten Wohnungsmarkt kaum mithalten.