Archiv

Kommentar zum Wohnungsmangel
Es geht um das Grundbedürfnis von Menschen, das Zuhause

Die Forderung nach 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau sei richtig, kommentiert Panajotis Gavrilis. Wenn der Staat 100 Milliarden Euro für Waffen und Bundeswehr ausgebe, sei die Hälfte für bezahlbare Wohnungen nicht zu viel verlangt.

Ein Kommentar von Panajotis Gavrilis |
Wohnungsbau, Neubau von viergeschossige Mehrfamilien-Wohnhäusern
Es gibt nicht genug Wohnungen und mit zugewanderten Menschen spitzt sich die Lage zu, kommentiert Panajotis Gavrilis. Wichtig sei dabei, dass Menschengruppen nicht gegeneinander ausgespielt werden. (picture alliance / Rupert Oberhäuser / Rupert Oberhäuser)
Die Zahlen sind alarmierend. Es fehlen 700.000 bezahlbare Wohnungen. Es sind Berechnungen einer weiteren Studie, die belegt, was längst bekannt ist: Viele, die über ein mittleres oder vor allem über ein geringes Einkommen verfügen, können sich Wohnen nicht leisten. Es gibt nicht genug Wohnungen und mit zugewanderten Menschen spitzt sich die Lage zu. Wichtig ist dabei, dass Menschengruppen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Geflüchtete sind nicht Schuld

Hier Geborene gegen Hierhergekommene, hier Aufgewachsene gegen Geflüchtete, Deutsche gegen Ukrainerinnen oder Menschen aus Syrien oder Afghanistan. Geflüchtete können nichts für das politische Versagen in der Wohn- und Baupolitik der vergangenen Jahre.

Die Forderung des Bündnisses, 50 Milliarden für den Sozialen Wohnungsbau bereitzustellen ist richtig. Wenn der Staat 100 Milliarden für Waffen und die Bundeswehr ausgibt, dann ist die Hälfte für bezahlbare Wohnungen wahrlich nicht zu viel verlangt. Es geht hier immerhin um das Grundbedürfnis von Menschen, um das Zuhause.

Ampel verschleppt Lösungen

Und die Ampel-Regierung ist gerade dabei, die Probleme nicht schnellstmöglich zu lösen, sondern weiter zu verschleppen. Die Regierung zögert weiter, bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben umzusetzen. Darunter der Plan, dass Mieten in angespannten Märkten künftig weniger stark steigen dürfen. Oder die vereinbarte neue Wohngemeinnützigkeit. Sie soll kommen. Wann und wie genau - unklar. Zudem könnte die Regierung das kommunale Vorkaufsrecht für Grundstücke endlich rechtssicher machen, damit Kommunen es gegen Investoren einsetzen können.

Erhöhung der Fördersumme für Sozialwohnungen?

Vor allem die FDP blockiert und steht nicht auf der Seite der Mietenden. Grüne und SPD können sich dabei nicht durchsetzen. Immerhin: Beim Thema mehr Geld hat Bundesbauministerin Klara Geywitz eine Erhöhung der Fördersumme für Sozialwohnungen ins Spiel gebracht. Das müsste sie aber erst einmal mit dem FDP-Finanzminister Christian Lindner klären, was schwierig genug sein dürfte.

Bausektor gehört zu den größten CO2-Verursachern

Klar ist, Geld allein wird die Probleme nicht lösen. Baukosten explodieren, es fehlen Fachkräfte, Handwerker sind schwer zu kriegen. Bauen muss effizienter und digitaler werden, ohne dabei Umweltschutz- und Klimaschutz-Standards aufzuweichen. Dabei ist neu zu bauen die eine, den Bestand klimagerecht zu sanieren, die andere Herausforderung. Klar ist: Der Bausektor gehört zu den größten CO2-Verursachern in Deutschland. Wer neu baut, versiegelt Flächen. Gebäude in die Höhe auszubauen, muss dabei verstärkt in den Fokus geraten.

Zeitenwende für bezahlbares Wohnen nötig

Ob dabei der bald beginnende Ausbau des Kanzleramtes für fast 800 Millionen Euro tatsächlich notwendig ist, darf bezweifelt werden. Olaf Scholz könnte das Projekt auf Eis legen und das Geld nicht für Büros in der Machtzentrale ausgeben, sondern etwa für sozialgebundenen Wohnraum. Eine Zeitenwende ist dringend nötig. Nicht für Waffen, sondern für bezahlbare Wohnungen.
Panajotis Gavrilis, Deutschlandradio Hauptstadtstudio
Panajotis Gavrilis, Jahrgang 1987, hat Journalistik mit dem Schwerpunkt Wirtschaft/Politik in Bremen und Istanbul studiert. Er volontierte 2014 beim Deutschlandradio, war danach als freier Korrespondent in Griechenland, ehe er als Redakteur in der Hintergrundabteilung beim Deutschlandfunk Kultur tätig war. Seit 2018 arbeitet er als freier Korrespondent im Hauptstadtstudio von Deutschlandradio.