Es ist eine düstere Zukunft, in die einen der sehnlich erwartete First-Person-Shooter "Wolfenstein 2: The New Colossus" katapultiert. Hitler hat den zweiten Weltkrieg gewonnen, die USA ist jetzt Nazi-Land, auf den Straßen shakern und streiten SS-Offiziere mit Ku-Klux-Klan-Kapuzenträgern.
Doch es gibt Hoffnung. Und diese Hoffnung ist 1,91 Meter groß, 111 Kilo schwer und hört auf den Namen B.J. Blaskowitcz. Der Ex-Soldat organisiert den Widerstand und verteilt kräftig Arschtritte, um den Werbe-Slogan des Spiels Wirklichkeit werden zu lassen: "Make America Nazi-free again!"
Keine Hakenkreuze und Hitler-Bärtchen.
B.J. Blaskowitcz hat allen Grund etwas gegen Nazis zu haben: Denn er selbst ist Jude. Zumindest in der internationalen Version, denn in der deutschen Version von Wolfenstein 2 ist alles ein wenig anders.
Zunächst fallen einem nur alberne Nebensächlichkeiten auf: Es gibt keine Hakenkreuze, der greise, inkontinente Hitler heißt nicht mehr Hitler sondern "Herr Heiler" und dann trägt "Herr Heiler" im deutschen Wolfenstein nicht mal ein Hitler-Bärtchen. Und die Biografie von B.J. Blaskowitcz stellt hier nun plötzlich ganz anders dar - und da wird es dann ernst:
"William Joseph Blazkowicz. Aufgewachsen in Mesquite, Texas. Kind eines Verkäufers und einer Polin. Seine Mutter wurde von seinem Vater entlarvt. Sie starb in Gefangenschaft in New Mexico."
Juden werden "Verräter", jiddisch wird hochdeutsch
In der englischen Version stirbt Blazkowicz ‘ Mutter nämlich als Jüdin in einem nationalsozialistischen Vernichtungslager, in der deutschen Version als Polin in irgendeiner x-beliebigen Form von "Gefangenschaft". Die Juden in der deutschen Version sind auch keine Juden mehr, sondern werden einfach "Verräter" genannt, aus jiddisch wird zudem hochdeutsch.
Man muss es so hart sagen: Ausgerechnet in der deutschen Version entsorgt das Spiel Wolfenstein 2 also die Verbrechen der Nationalsozialisten und marginalisiert alles jüdische. Der Hersteller sagt, man wolle die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht verharmlosen und verweist zudem auf die rechtliche Situation. Und in der Tat ist es so, dass beispielsweise Hakenkreuze in deutschen Computerspielen nicht erlaubt sind, anders als beispielsweise in Filmen.
Eine merkwürdige, unzeitgemäße Regelung
Denn anders als Filme gelten Computerspiele nicht als Kunst und nur in dokumentarischen oder künstliche Zusammenhängen dürfen verfassungsfeindliche Symbole gezeigt werden. Eine merkwürdige, mittlerweile erst recht unzeitgemäße Regelung, gegen die sich aber bisher kein Computerspiele-Hersteller getraut hat vorzugehen. Aber Hakenkreuze hin oder her: Die Macher von Wolfenstein 2: The New Colossus sind in der deutsche Version mindestens 88 Meter über das Ziel hinausgeschossen.
Es ist nun ein Anti-Nazi-Spiel, in dem nicht nur Hitlers Bärtchen wegretuschiert wurde, sondern auch die Opfer der nationalsozialistischen Ideologie. Ausgerechnet hier, ausgerechnet hier in Deutschland. Und das ist ein echter Skandal. Und B.J. Blaskowitcz würde das wohl auch nicht gefallen.