Kaum ein Thema wird so kontrovers diskutiert wie der Islam. Terroranschläge von Islamisten und antisemitische Ausfälle von einzelnen Muslimen haben dazu beigetragen, dass der Islam selten ein schlechteres Image hatte. Nicht nur Muslime kritisieren, dass auch die Politik den Islam als Feindbild aufgebaut habe und Muslime deshalb zunehmend diskriminiert und ausgegrenzt werden. Mehr als 1.000 Übergriffe auf Muslime wurden allein im vergangenen Jahr erfasst. Die Diffamierung geht inzwischen soweit, dass einige Parallelen zum Antisemitismus ziehen. Muslime seien die "neuen Juden", hört man immer wieder.
Aber darf man Antisemitismus und Islamfeindlichkeit miteinander vergleichen - oder verharmlost man damit das historisch singuläre Menschheitsverbrechen von Auschwitz? Können solche Vergleiche weiterhelfen? Hat die deutsche Gesellschaft einen blinden Fleck, wenn es um antimuslimischen Rassismus geht?
Wolfgang Benz, Zeithistoriker:
"Wissenschaft lebt vom Vergleich. Wenn wir Phänomene wie den Antisemitismus und Islamfeindlichkeit vergleichen, bekommen wir Antworten auf die Frage: Warum grenzt die diskriminierende Mehrheit ganz beliebige Minderheiten aus - und zwar immer mit denselben Mitteln und Methoden? Selbstverständlich wäre es monströs und überzogen zu sagen, den Muslimen stünde ein zweiter Holocaust bevor. Allerdings sieht man im historischen Vergleich, dass Juden damals zum Teil mit den gleichen Methoden diffamiert wurden wie Muslime heute. Was damals der 'Rassebegriff' im Antisemitismus war, ist heute der 'Kulturbegriff' im antimuslimischen Rassismus."
Dervis Hizarci, Vorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus:
"Mit Vergleichen muss man vorsichtig sein, weil der Eindruck entstehen kann, es würden unterschiedliche Sachen in einen Topf geschmissen, gleichgesetzt und relativiert. Wer Islamfeindlichkeit heute mit Antisemitismus damals vergleicht, läuft Gefahr, dass sich Menschen zu schnell in die 'Nazi-Ecke' gedrängt fühlen oder dass Betroffene die Singularität des Holocausts in Frage gestellt sehen. Ob die Diffamierung von Muslimen der Diffamierung von Juden gleicht, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass Diskriminierung gesamtgesellschaftlich besprochen wird."