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Wolfgang Kubicki
"Wenn Merkel verstanden hat, wird sie ihre Politik korrigieren"

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki sieht in dem "dramatisch guten" Abschneiden der rechtspopulistischen AfD ein Warnsignal für die Bundespolitik. Dies sei ein Beleg dafür, dass die Menschen der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik nicht vertrauten, sagte er im DLF.

Wolfgang Kubicki im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki
    Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki fordert Bundeskanzlerin Merkel zum Einlenken auf. (dpa / picture-alliance / Soeren Stache)
    "Wenn die Bundeskanzlerin den gestrigen Wahlabend richtig verstanden hat, wird sie ihre Politik korrigieren", sagte FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki im DLF. Bei dem Erfolg der AfD handele es sich um eine deutliche Protestwahl. Sie nehme die Sorgen und Ängste der Bürger auf, ohne etwas zu ändern. Deutschland müsse in der Flüchtlingsproblematik zu geordneten Verhältnissen zurückkehren. Eine gemeinsame europäische Haltung sei dringender denn je.
    Der FDP-Politiker begrüßte zugleich das Abschneiden seiner Partei in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Mit Blick auf die schwierige Koalitionsbildung in den Bundesländern betonte Kubicki, heute sei nicht der Tag der Entscheidungen. Die Liberalen seien zur Regierungsverantwortung bereit, strebten diese aber nicht um jeden Preis an.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Und auch jetzt gehen wir noch mal direkt weiter um 8:20 Uhr, wollen auf die Liberalen schauen. Denn wenn jetzt viel die Rede war und natürlich den ganzen Morgen und den ganzen gestrigen Abend die Rede war vom Erfolg der AfD, dann gehört eigentlich auch dazu, dass als klarer Sieger sich auch die Liberalen sehen. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz setzen sie den Positivtrend der jüngeren Vergangenheit fort, nach dem Ausscheiden 2013 aus dem Bundestag. Jetzt wollen wir zeigen, dass weiter mit ihnen zu rechnen ist (in den beiden Ländern auch mit Erfolg). In Sachsen-Anhalt bleiben sie allerdings draußen, und darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP und der Fraktionsvorsitzende seiner Partei im Landtag von Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki. Guten Morgen.
    Wolfgang Kubicki: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: "Frank Sitter ist ein geiler Typ!" Zitat Kubicki. So haben Sie Ihre Rede über den FDP-Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt Anfang März beendet. Ist die FDP jetzt trotz oder wegen ihrer Werbung nicht in den Landtag gekommen?
    Kubicki: Ja, das ist ein Wermutstropfen, der mich persönlich auch sehr schmerzt. Denn man muss sehen: Die FDP in Sachsen-Anhalt hat 5,5 Prozent der Erststimmen erhalten, aber nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen. Vielleicht muss man doch den Menschen das Wahlsystem noch etwas intensiver erklären. Aber auch dort haben wir zugelegt. Es ist sehr bedauerlich, dass wir es nicht geschafft haben, aber es ist wie gesagt nur ein Wehrmutstropfen bei einer sonst sehr freudigen Begebenheit.
    Schulz: Ihr Parteichef Christian Lindner, der hat sich positioniert in der Flüchtlingsfrage, die natürlich eines der wichtigsten Themen war bei diesen Wahlen, mit großer Skepsis gegenüber dem Kurs der Kanzlerin. Er hat gesagt, Deutschland müsse die Politik der grenzenlosen Aufnahmebereitschaft korrigieren. Wo steht Christian Lindner da, zwischen CSU und AfD?
    Kubicki: Er steht jedenfalls voll auf dem Boden unserer Programmatik, weil das, was er sagt, ja nichts anderes ist, als dass wir die Rechtsstaatlichkeit zurückbringen müssen. Wir müssen uns an Verträge und Gesetze wieder halten, um geordnete Verhältnisse zu bekommen, und die Tatsache, dass die AfD in allen Ländern so dramatisch gut abgeschnitten hat, ist ja ein Beleg dafür, dass viele Menschen das Gefühl haben, dass die Aussage der Kanzlerin, wir schaffen das, nicht unterlegt ist mit einer weiteren Erklärung, was es denn bedeuten soll, was wir schaffen wollen und wie es denn geschafft werden soll. In der Tat: Wir brauchen wieder eine Rückkehr zu einer gemeinsamen europäischen Haltung. Das ist dringender denn je. Und wenn die Kanzlerin den gestrigen Abend richtig verstanden hat, dann wird sie ihre Politik auch korrigieren.
    "Eine deutliche Protestwahl"
    Schulz: Das habe ich jetzt inhaltlich durchaus gar nicht falsch verstanden, dass Sie finden, dass die AfD da den Finger in die Wunde legt?
    Kubicki: Ja. Sie nimmt Sorgen und Ängste auf, nicht um sie zu bewältigen, sondern um die Menschen damit weiter zu beeindrucken. Es war gestern, was die AfD angeht, eine deutliche Protestwahl, wenn wir sehen, wie viele Wählerinnen und Wähler von der CDU zur AfD gewandert sind. Wenn wir sehen, dass sie mit Ressentiments Werbung gemacht hat, dann ist die Tatsache, dass sie zweistellig geworden ist in allen Landesparlamenten, dass sie in Sachsen-Anhalt sogar die zweitstärkste Partei geworden ist, ein Warnsignal. Und wenn die Politik in Berlin darauf nicht reagiert, wird der Erfolg der AfD so anhalten.
    Schulz: Aber habe ich da was falsch verstanden? Ist die FDP zu einer Koalition mit der AfD bereit?
    Kubicki: Um keinen Preis! Man kann das schon sehen an den Wählerwanderungen. Wir sind das genaue Gegenteil der AfD. Wir sind eine europafreundliche Partei, die eine weitere Integration innerhalb Europas will. Wir sind nicht homophob, wir sind auch nicht fremdenfeindlich. Aber wir müssen schlicht und ergreifend reagieren auf das, was die Menschen in Deutschland bewegt. Ich freue mich darüber, dass die Wahlbeteiligung so exorbitant angestiegen ist gegenüber der letzten Wahl, aber das ist ein Hinweis darauf, dass Menschen zur Wahl gegangen sind, die sich bisher von der etablierten Politik abgewandt hatten, die wollen, dass sich was verändert, und wenn Politik darauf nicht reagiert, dann wird der Unmut weiter wachsen.
    Schulz: Und wenn wir jetzt diese neuen Konstellationen haben mit der AfD - wir haben in zwei Ländern die Situation, dass eine Große Koalition nicht möglich ist mangels Masse -, wie und wo wird sich die FDP da positionieren?
    Kubicki: Zunächst einmal empfehle ich allen Beteiligten, in aller Ruhe und Gelassenheit die Ergebnisse zu analysieren, etwas Atempause sich zu gönnen, statt sofort hektisch zu reagieren. Und dann werden wir sehen, welche Konstellationen möglich sind, wo man politisch inhaltlich zusammenarbeiten kann. Aber das ist nicht heute der Tag, das werden wir in den nächsten Tagen und Wochen entscheiden müssen. Es wird schwierige Gespräche geben zwischen allen Beteiligten. Aber Christian Lindner hat zurecht gesagt, wir sind nicht die Partei, die sich vor Verantwortung drückt, aber wir sind auch nicht die Partei, die um jeden Preis in Regierungen strebt.
    Schulz: Damit sind wir zwanglos bei dem Stichwort Deutschland-Koalition, für die der CDU-Spitzenkandidat Wolf ja werben will in Baden-Württemberg. Hat die FDP da was zu gewinnen?
    Kubicki: Zunächst einmal entscheiden das ja bei uns die Landesverbände in eigener Hoheit und es ist ja vorher auch von unseren Parteifreunden in Baden-Württemberg erklärt, dass das eine Konstellation ist, die man sich vorstellen kann. Aber noch einmal: Ich empfehle allen Beteiligten, mich jetzt selbst eingeschlossen, erst mal durchzuatmen und in aller Ruhe und Gelassenheit die Situation zu analysieren und dann Entscheidungen zu treffen. Winfried Kretschmann hat in Baden-Württemberg ein herausragend gutes Ergebnis erreicht, auch das muss man zur Kenntnis nehmen, genauso wie Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz ein herausragend gutes Ergebnis erreicht hat. Aber ich glaube nicht, dass der heutige Tag derjenige ist, wo wir über Koalitionen spekulieren sollten.
    Schulz: Der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, hier im Deutschlandfunk in den "Informationen am Morgen". Auch Ihnen herzlichen Dank.
    Kubicki: Danke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.