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Wolfgang Oelsner vs. Yvonne Niekrenz
Brauchen wir einen Karnevals-Knigge?

Karneval steht für die Umkehrung der Verhältnisse. Wie sieht es dieses Jahr, nach der #MeToo-Debatte aus? Die Geschlechterverhältnisse werden nur für einen Tag umgedreht, meint die Soziologin Yvonne Niekrenz. "Karnevalsphilosoph" Wolfgang Oelsner hält dagegen: Karneval war immer ein Fest der Sehnsüchte.

Wolfgang Oelsner und Yvonne Niekrenz im Gespräch mit Karin Fischer |
    Vier kostümierte Frauen fotografieren sich mit einem Selfie-Stick an Weiberfastnacht 2018 vor dem Kölner Dom
    Weiberfastnacht in Köln (dpa / Oliver Berg)
    Im Karneval dominieren die alten Rollenbilder, selbst im Straßenkarneval herrschen die klassischen Geschlechterrollen vor, argumentiert Yvonne Niekrenz vom Institut für Soziologie und Demographie der Universität Rostock. Wenn an Weiberfastnacht die Rollen vertauscht werden, bedienten sich die Frauen nur der männlichen Verhaltensmuster.
    "Karneval ist natürlich ein Fest der Verkehrung und der Außeralltäglichkeit. Aber im Karneval finden sich sexistische Strukturen und Sexismus ist im Karneval genauso präsent wie im Alltag auch. Mir ist allerdings sehr daran gelegen, Sexismus von sexueller Gewalt und sexuellen Übergriffen zu unterscheiden. Der Karneval feiert zwar die Befreiung aus dem Alltag. Wenn aber an Altweiber die Frauen das Regiment übernehmen, dann ist das zeitlich begrenzt und auch nur inszeniert. Allerdings ist das spielerische Erproben, zum Beispiel bei der Befreiung von Geschlechtsrollen, auch eine Chance."
    Karneval als Vergrößerungsglas
    Zunächst einmal, sagt Wolfgang Oelsner, bleibe bei unseren menschlichen Sehnsüchten alles beim Alten, und dazu gehöre eben der Flirt und das Geschlechtliche auch. Oelsner ist Pädagoge und Jugendlichenpsychologe und hat viele Bücher über den Karneval geschrieben, zum Beispiel als "Fest der Sehnsüchte".
    "Der Karneval bietet zweierlei. Er bietet einerseits die Chance zum Rollentausch, dass man das, was heute ist, morgen aushebeln darf an den tollen Tagen. Aber der Karneval bietet, und das wird oft verkannt, auch die Optimierung dessen, was ohnehin ist. Karneval ist insofern ein Vergrößerungsglas, in dem das, was ohnehin ist, besonders deutlich ist."