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Wolfgang Schäuble und der Waffenhändler Schreiber

Heinlein: Am Telefon begrüße ich jetzt die stellvertretende CDU-Vorsitzende Annette Schawan. Guten Morgen.

12.01.2000
    Schawan: Guten Morgen.

    Heinlein: Frau Schawan, eine Frage ist bis heute offen: Warum hat Wolfgang Schäuble so lange mit der Bekanntgabe der Parteispende des Waffenhändlers Schreiber gewartet? Haben Sie eine Erklärung?

    Schawan: Wolfgang Schäuble hat dazu gestern in der Pressekonferenz selbst etwas gesagt. Es sollte einen Abschlussbericht geben und keine Vorabinformationen. Wolfgang Schäuble selbst hat immer gesagt: ‚Salamitaktik ist in solch einer Situation nicht gut, also kommt alles ans Ende in den Schlussbericht'. Er hat sich dann entschieden - aus Gründen, die er gestern besprochen hat in der Pressekonferenz -, jetzt diese Geschichte vorzuziehen. Aber man sieht ja, wie einzelne Informationen in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Insofern spricht einiges eigentlich für einen Schlussbericht.

    Heinlein: Warum hat denn Wolfgang Schäuble im Bundestag und in verschiedenen Interviews zuvor seine Kontakte mit Karl-Heinz Schreiber geleugnet?

    Schawan: Auch dazu hat Schäuble gestern Stellung genommen, und ich denke, es macht jetzt wenig Sinn, wenn jeder von uns unentwegt überlegt, warum welche Aussage gemacht wurde. Er hat es gestern erklärt, er hat dazu gesagt, was er zu sagen hat. Und deshalb - finde ich - kann man diese Informationen, die er gegeben hat, als ein Stück Aufklärung ansehen. Es ist auch schon ein bißchen eigentümlich, dass in dem Moment, wo jemand sagt: ‚Jetzt, wo ich weiß, was mit dieser Spende passiert ist, jetzt gehe ich an die Öffentlichkeit und leiste meinen Beitrag zur Aufklärung', wird über den Zeitpunkt spekuliert und diskutiert und nicht über die Tatsache, dass er eine wichtige Information gegeben hat.

    Heinlein: Aber Frau Schawan, die Frage bleibt: Warum hat sich Ihr Parteivorsitzen-der in den Medien erklärt und nicht zuerst die Partei informiert?

    Schawan: Dazu hat er gestern ja manches gesagt. Er hat es dem CDU-Vorstand gesagt, er hat es allerdings in einer Form gesagt, die von niemandem als diese Botschaft aufgenommen wurde. Das ist ein Thema, über das wir innerparteilich sprechen werden. Ich habe das gestern ja auch gesagt: Bei uns geht es nicht nur um finanzielle Aufklärung, das ist das eine, das Vorrangige. Bei uns geht es darum, dass wir uns jetzt nicht unentwegt mit uns selbst beschäftigen, sondern Sachpolitik leisten und erfolgreich Wahlkampf machen. Und es geht darum, dass wir uns daran gewöhnen müssen, in den Gremien und insgesamt eine Gesprächskultur miteinander zu pflegen und eine Form der gemeinsamen Wahrnehmung von Verantwortung, die nicht erlaubt, dass wichtige Dinge in Gremien gesagt werden, von denen niemand begreift, dass sie wichtig sind.

    Heinlein: Also muss über die Dialogfähigkeit innerhalb Ihrer Partei, über die Gesprächskultur, neu nachgedacht werden?

    Schawan: So kann man das sagen. Auch das gehört jetzt dazu, aber vor allem gehört dazu, dass wir neben Aufklärung und Gesprächskultur und verantwortlicher und vernünftiger Form gemeinsamer Führung jetzt in Sachen Sachpolitik unsere Impulse setzen. Menschen begreifen nicht, wenn wir uns ausschließlich mit uns selbst beschäftigen und jetzt übernervös und kopflos werden.

    Heinlein: Wie beurteilen Sie denn das bisherige Krisenmanagement durch Wolfgang Schäuble? Sie haben von ‚Salamitaktik' gesprochen. Wie lang ist denn noch diese Salami, von der uns jeden Tag ein neues Scheibchen aufgetischt wird?

    Schawan: Ich habe nicht von ‚Salamitaktik' gesprochen, sondern ich habe auf Ihre Frage im Zusammenhang mit der Zeitpunkt der Veröffentlichung Wolfgang Schäuble immer wieder gesagt hat: ‚Keine Salamitaktik - es gibt einen Fragebogen - alle geben ihre Informationen im Fragebogen bekannt. Die Wirtschaftsprüfer haben damit alle Daten, und wenn die Wirtschaftsprüfer fertig sind, dann kommt der Bericht'.

    Heinlein: Rechnen Sie denn noch mit weiteren Enthüllungen?

    Schawan: Wenn man in einem Prozess der Aufklärung steht, und da ich nicht die Fragebögen gelesen habe, gehe ich davon aus, dass es auch Ergebnisse geben kann, die ich noch nicht kenne. Und es ist doch völlig klar: Wenn ein Wirtschaftsprüfer arbeitet und mir gesagt wird: ‚Der arbeitet und irgendwann gibt es einen Bericht', dann muss ich nicht jeden Tag frage, ob ich schon alles weiß.

    Heinlein: Muss Wolfgang Schäuble als Parteivorsitzender die politische Verantwortung für die schleppende Aufklärung der Parteispendenaffäre übernehmen?

    Schawan: Wir haben - in meinen Augen - keine schleppende Aufklärung, sondern es sind in der zweiten Dezemberhälfte Fragebögen an alle verschickt worden, die - wie es so schön heißt - etwas wissen können. Die Wirtschaftsprüfer arbeiten, es geht um einen Zeitraum von mehreren Jahren. Das kann man nicht in zwei oder drei Tagen machen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Wirtschaftsprüfer oder die, die an der Prüfung sind, irgend etwas verschleppen. Alles, was wir an Hinweisen haben, ist, dass es nicht leicht ist, alles zusammenzubekommen, dass wir aber den Ehrgeiz haben, nicht zuviel Stückwerk vorzulegen, sondern wirklich einen Abschlussbericht, der dem Anspruch der Aufklärung gerecht wird. Und insofern finde ich es nicht richtig, dass jetzt schon gesagt wird, das Ganze passiert schleppend. Das ist nicht richtig. Wir haben bereits vor Weihnachten einen Zwischenbericht vorgelegt, und wir haben gesagt: Mit dem Schlussbericht wird es dauern, weil es um mehrere Jahre der Aufklärung geht.

    Heinlein: Glauben Sie, Frau Schawan, dass Wolfgang Schäuble beim nächsten Parteitag noch für den Parteivorsitz kandidieren wird?

    Schawan: Das muss man Wolfgang Schäuble fragen. Aber ich finde, dass es für uns jetzt überhaupt nicht hilfreich ist, uns unentwegt mit Personen und mit Schuldzuweisungen zu beschäftigen und den Eindruck zu erwecken, als sei die Weitergabe dieser Spende an die Schatzmeisterei etwas Rechtswidriges. Das ist weder rechtlich noch moralisch problematisch. Wir brauchen keine Personaldebatten, so schwierig die Geschichte ist, sondern weil wir in einer schwierigen Lage sind, brauchen wir jetzt Klarheit, wir brauchen Offenheit - aber auch Nüchternheit. Wir müssen Fakten von Gefühlen trennen.

    Heinlein: Hält Ihre Partei, Frau Schawan, auch weiterhin an Wolfgang Schäuble fest, weil es keine personellen Alternativen gibt?

    Schawan: Also, das ist ja insofern Quatsch, als es immer Menschen gibt, die Verantwortung übernehmen können. Nein, die CDU hält daran fest - und wir alle haben gestern gesagt: Wir wollen Keine Personaldebatte, weil Wolfgang Schäuble nicht nur enorme Verdienste in der Partei hat und ein erfolgreicher Parteivorsitzender ist . . .

    Heinlein: . . . wer käme denn für den Parteivorsitzenden in Frage? Können Sie Namen nennen? . . .

    Schawan: . . . nein, ich nenne überhaupt keine Namen, weil ich keinen anderen Parteivorsitzenden will. Aber wenn Sie sagen: ‚Ihr sagt das ja nur, weil Ihr keinen habt' - dann sage ich: Nein, Wolfgang Schäuble ist nicht nur ein erfolgreicher Parteivorsitzender, er hat auch für dieses Land sehr viel getan, da gilt das Gleiche wie bei Helmut Kohl. Personaldebatten sind für uns nicht hilfreich, sondern in Situationen, in denen es schwierig ist, muss man zusammenstehen und gemeinsam die Probleme lösen und nicht Personaldebatten führen.

    Heinlein: Noch einmal zum Schluss, Frau Schawan, ist es eine richtige Entscheidung der CDU in Schleswig Holstein, auf eine Unterstützung durch Helmut Kohl zu verzichten?

    Schawan: Nach den Schilderungen von Volker Rühe gab es überhaupt keine Debatten für dafür oder dagegen, sondern es gab Planungen für dezentrale Veranstaltungen und es gab darüber Gespräche zwischen ihm und Helmut Kohl. Und von daher - finde ich -: Auch das gehört schon in diese Debatten hinein, dass jetzt genau überprüft wird, wer wann wo auftritt. Das sind Entscheidungen vor Ort, und auch darüber sollten wir nicht unentwegt öffentlich spekulieren. Ob wir es mit oder ohne Kohl machen: Es gibt keinen Grund, ständig Helmut Kohl zu thematisieren außerhalb der Probleme, die wir haben. Wir sind eine große Volkspartei mit - in diesem Fall - zwei Personen, zwei Führungsleuten - einem Altbundeskanzler und einem Parteivorsitzenden -, die nicht irgendwelche Parteifunktionäre sind, sondern die für dieses Land ungewöhnlich viel geleistet haben. Und deshalb können die Leute von uns erwarten, dass wir Probleme lösen, dass wir Fragen beantworten, aber dass wir uns nicht in eine kopflos nervöse Personaldebatte im Blick auf den einen oder anderen hineinbegeben.

    Heinlein: Die stellvertretende CDU-Parteivorsitzende Annette Schawan heute morgen im Deutschlandfunk. Frau Schawan, ich bedanke mich für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Schawan: Bitteschön.

    Link: (Die CDU-Parteispendenaffäre aus der Sicht von Bernhard Vogel (11.1.2000)==>/cgi-bin/es/neu-interview/513.html)