Die wichtigsten Werke dieser Sammlung entstanden um 1970, sie bezeugen, wie damals noch einmal völlig neu verhandelt wurde, was überhaupt als Kunst zu gelten habe. Über die traditionellen Gattungen von Malerei und Skulptur sollte sich diese jedenfalls nicht mehr definieren – und schon gar nicht über das Genie. Statt dessen fanden die Künstler für jede ihrer Setzungen eine eigene Form.
Der Japaner On Kawara schickte über Monate hinweg jeden Tag eine Postkarte aus New York an die Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer – und vermerkte jeweils, zu welcher Uhrzeit er aufgestanden war. 120 Karten füllen den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juli 1969 komplett aus – ein Musterbeispiel konzeptueller Kunst. Richard Long zog es in die Natur, dort lief er solange auf einer geraden Linie über eine Wiese hin und zurück, bis daraus eine Zeichnung auf dem Rasen entstand; ein Foto überliefert solche Land Art. Diese trug der Brite in den Galerieraum, indem er den Boden mit Steinen, Weidenstöcken und Reisig bedeckte.
Kunst, die nicht von Können kommt
Auch Sol LeWitt wies alle künstlerische Könnerschaft von Kunst von sich, indem er seine Assistenten damit beauftragte, die von ihm erdachten Wandzeichnungen zu realisieren. Fred Sandback wiederum spannte Schnüre straff in den Raum, zerteilte diesen damit und verzichtete auf jegliches plastisches Volumen. So auch Carl Andre mit seinen flachen Bodenplatten, die ausdrücklich betreten werden wollen – was allerdings nicht alle Besucher als Kunst erkannten, als sie 1967 auf eben solchen Metallplatten in der Galerie Konrad Fischer standen, direkt hinter der heutigen Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen.
Der Galerist, der für all diese Neuerungen einen genialen sechsten Sinn hatte, war ein durchaus beachteter Maler gewesen, bevor er das Fach wechselte. Seine Intuition war – besonders in den frühen Jahren – untrüglich, und um eine von ihm erkannte künstlerische Qualität machte er keine großen Worte.
Galerist mit dem sechsten Sinn
"Er hat immer in zwei Sätzen das zusammengefasst, was zu sagen war, und mehr theoretisiert oder etwas anderes hat er auch nicht gerne gemacht über Kunst. Es war eine klare Aussage, immer: Gut so! Oder auch anders ein bisschen differenzierter in die Tiefe gehend, aber ein Satz war genug für alle."
So Berta Fischer, ihrerseits Künstlerin und seit dem Tod der Eltern Inhaberin der Galerie. Nachdem Konrad Fischer 1996 gestorben war, führte seine Ehefrau Dorothee die Galerie knapp zwanzig Jahre erfolgreich weiter und konnte noch vor ihrem Tod 2015 den Verkauf ihrer mehr als 200 Werke an die Kunstsammlung unter Dach und Fach bringen. Als Geschenk hat sie dem Museum das umfangreiche Archiv der Galerie vermacht. Dessen Bedeutung beschreibt die Kuratorin Anette Kruszynski:
"Uns ist bei der Sichtung des Archivs aufgefallen, dass wir bei vielen Zeichnungen, Anweisungen beispielsweise von Bruce Nauman dachten, warum rahmen wir die nicht und hängen sie an die Wand? Umgekehrt haben wir Zeichnungen jetzt in der Sammlung von Bruce Nauman, wo wir sagen: Das ist doch der Entwurf für die Einladungskarte, wieso ist das nicht im Archiv? Und dieser klassische Unterschied, dass man sagt, das, was in der Vitrine liegt, das was an der Wand hängt, ist Kunst – das kann hier nicht mehr gelten."
Glücksfall für das Rheinland
Was das Galeristen-Ehepaar Fischer für sich selbst erwarb – oft auch nach Verkäufen zurückkaufte –, bezeugt beispielhaft den Aufbruch der Kunst in den 1960er-Jahren. Damals wurde definiert, was heute zeitgenössische Kunst genannt wird. Mag die Galerie auch mit vielen später hinzugekommenen Künstlern wie Paloma Varga Weisz, Thomas Schütte oder Gregor Schneider richtig gelegen haben, so liegt die Bedeutung der Sammlung Fischer eindeutig in den Avantgarden von Minimal und Concept Art. Besonders diese Teile der Sammlung werden in der Düsseldorfer Ausstellung vorbildlich präsentiert. Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen schließt mit dem Erwerb eine beträchtliche Lücke in ihren Beständen. Es ist ein Glücksfall für das Rheinland, dass dieses Konvolut der Region erhalten bleibt.