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Woopen: Pränataldiagnostik verändert das Eltern-Kind-Verhältnis

Ein Bluttest macht es möglich, Trisomie 21 bereits im Mutterleib zu erkennen. Weitere Bluttests zur vorgeburtlichen Diagnose von genetischen Krankheiten sollen folgen. Der Deutsche Ethikrat will hierzu bis Jahresende eine Stellungnahme erarbeten, man halte solche Tests aber für ethisch problematisch, sagt die Vorsitzende Christiane Woopen.

Christiane Woopen im Gespräch mit Christoph Schmitz | 05.07.2012
    Christoph Schmitz: Den Informationen des menschlichen Lebens, seinem Bauplan, kommt man immer besser und schneller auf die Schliche, auch wenn dieses Menschenleben noch gar nicht geboren wurde. Die genetische Pränataldiagnostik – sie macht bislang eine riskante Fruchtwasseruntersuchung oder eine Gewebeprobe des Mutterkuchens nötig, Fehlgeburten können die Folge sein.

    Kürzlich entzifferten Forscher das Genomen eines Embryos nur aus dem Blut der Mutter und dem Speichel des Vaters. Eine zweite US-amerikanische Forschergruppe stellte jetzt einen Versuch vor, für den das Mutterblut allein reicht, um zahlreiche Erbkrankheiten des ungeborenen Lebens zu ermitteln. In Deutschland kommt demnächst ein Test auf den Markt, um Trisomie 21 zu erkennen, das Down-Syndrom.

    Medizinethische Fragen werfen diese Verfahren zuhauf auf. Expertin auf dem Gebiet der Medizinethik ist die Kölner Professorin Christiane Woopen, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Welche Gefahren sehen Sie in den Schnelltests, um bei Ungeborenen genetisch bedingte Krankheiten und Behinderungen aufzuspüren, habe ich Christiane Woopen gefragt.

    Christiane Woopen: Wir müssen jetzt mehrere unterschiedliche Verfahren unterscheiden. Das eine, was ja im Moment eingeführt wird, ist der Test ausschließlich auf Trisomie 21, also auf das Down-Syndrom. Wenn man das so gezielt untersucht und in den Blick nimmt, dann ist das für diejenigen, die davon betroffen sind, und auch die Eltern der Kinder mit Down-Syndrom eine erhebliche Stigmatisierung, denn über 90 Prozent der Schwangerschaften, bei denen ein Down-Syndrom festgestellt wird, werden abgebrochen. Nur ganz selten stellt sich die Frage, ob ein Leben mit dem Kind möglich ist und die Eltern sich darauf vorbereiten wollen nach der Diagnose.
    Da sehe ich ein Problem, das wir unbedingt anpacken müssen, und ein weiteres Problem sehe ich in der Verbindung mit weiteren Untersuchungen, denn Trisomie 21 sagt ja nicht von vornherein, was mit dem Kind sein wird. Wir brauchen also darüber hinausgehende Untersuchungen des Herzens und des Magen-Darm-Traktes, zum Beispiel über Ultraschalluntersuchungen, um festzustellen, was diese Diagnose für das konkrete Kind genau bedeutet, und erst dann kann überlegt werden, wie man mit dieser Situation umgeht.

    Schmitz: Haben Sie nicht den Eindruck, dass der, ich sage jetzt mal, Selektionsdruck die Frühabtreibung behinderter Menschen durch solche ambulanten Schnelltests, die ja wie Schwangerschaftstests auf den Markt kommen könnten, in Zukunft stark erhöht?

    Woopen: Ja die Einführung eines solchen Tests ist schon eine Botschaft. Nun ist es aber nicht ganz so niedrigschwellig, weil die Paare diesen Test selber bezahlen müssen – wenn ich richtig informiert bin, wird der um die 1200 Euro kosten und auch nicht von den Kassen übernommen werden. Insofern wird nicht jedes Elternpaar diesen Test nun auch automatisch in Anspruch nehmen. Aber die Verfügbarkeit solcher niedrigschwelliger Testverfahren zu einem frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft führt zu einem geänderten Verhalten der Inanspruchnahme solcher Mutterschaftsuntersuchungen.

    Schmitz: Glauben Sie in dem Zusammenhang vielleicht auch, dass im Zuge fortschreitender diagnostischer Möglichkeiten bei krankem und behindertem vorgeburtlichem Menschenleben zunehmend grundsätzliche Menschenrechte relativiert werden?

    Woopen: Ich glaube nicht, dass Menschenrechte relativiert werden, aber wir werden vor grundsätzliche Fragen gestellt und die Bundesregierung hat den Deutschen Ethikrat ja damit beauftragt, eine Stellungnahme zur Zukunft der genetischen Diagnostik zu verfassen, der ist im Moment dabei, das zu bearbeiten, insofern kann ich jetzt auch noch keine endgültigen Positionen des Ethikrates benennen. Wir werden vor die ganz grundsätzliche Frage gestellt, inwiefern Eltern tatsächlich Zugriffsrechte auf ihr Kind haben und auf Informationen über ihr Kind – zum Beispiel über die Gesamtgenomsequenzierung. Das betrifft jetzt nicht diesen Test ausschließlich auf Trisomie 21, sondern die Tests, die das gesamte Genom des Kindes aus dem mütterlichen Blut diagnostizieren, entziffern können, und hier stellt sich die Frage, wie das Eltern-Kind-Verhältnis eigentlich grundsätzlich aussieht.

    Schmitz: Sie sagten es gerade, dass der Ethikrat, dessen Vorsitz Sie innehaben, bis Jahresende eine Stellungnahme zur vorgeburtlichen Diagnose von genetischen Krankheiten erarbeitet. Ein Ergebnis gibt es nicht, aber zeichnet sich eine Tendenz ab?

    Woopen: Nein. Das wäre zu früh, dazu jetzt etwas zu sagen. Sie können ja den bisherigen Stellungnahmen des Ethikrates entnehmen, dass in diesen Fragen Lebensanfang, Lebensende auch immer ein breites Spektrum an Meinungen vertreten ist, so wie es in der Gesellschaft ja auch der Fall ist. Für den Ethikrat ist es wichtig, Konsensbereiche zu identifizieren und zu sagen, Lösungen zu entwickeln, wo wir sagen, hier geben wir Empfehlungen zum Umgang mit solchen Verfahren, die für die Gesellschaft zuträglich sind, die auf der einen Seite die Bedürfnisse und Interessen der Eltern berücksichtigen und auf der anderen Seite aber auch die Bedürfnisse, Rechte und Interessen der Ungeborenen.

    Schmitz: Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe, hält den Test heute für diskriminierend und auch für illegal. Was sagen Sie?

    Woopen: Er ist in der Weise, wie wir ihn am Anfang ja schon besprochen haben, durchaus diskriminierend, weil er dieses eine spezielle Merkmal in den Blick nimmt. Für illegal halte ich ihn nicht.

    Schmitz: Nun könnte man mit solchen Verfahren frühzeitig Krankheiten des ungeborenen Kindes feststellen und gleich nach der Geburt mit der Behandlung beginnen. Es gibt also durchaus auch Vorteile.

    Woopen: Ja der Vorteil von Tests, wenn das Kind danach therapiert werden kann, liegt natürlich auf der Hand. Das ist aber bei der Trisomie 21 normalerweise nicht der Fall. Der Vorteil des Präna-Testes liegt darin, dass man Fruchtwasseruntersuchungen vermeidet, das heißt solche Untersuchungen, die für das Ungeborene mit einem Fehlgeburtsrisiko einhergehen und natürlich auch für die betroffene Schwangere, sodass man einige eingriffsbedingte Fehlgeburten durch diesen Test sicherlich vermeiden kann.

    Schmitz: …, sagt Christiane Woopen, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, zu medizinethischen Fragen bei den neuen Methoden genetischer Pränataldiagnostik.


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