Wenn es nach Hermann Parzinger geht, soll das Humboldt-Forum nicht weniger sein als ein Schlüssel zur Welt. Aber damit dieser Schlüssel auch passt, müssen auf die vollmundige Ankündigung einer engen internationalen Zusammenarbeit auch Taten folgen. So der Tenor unter den afrikanischen Experten. George Abungu, der ehemalige Direktor der Nationalmuseen in Kenia und Berater des Humboldt-Forums spricht aus, was viele seiner Kollegen denken.
"Wir dürfen nicht vergessen, wie diese Exponate aus Afrika nach Berlin gelangt sind. Das Leid, das damit verbunden ist, muss anerkannt werden. Aber wir müssen uns auch fragen, wie dieses Kulturerbe heute die modernen Gesellschaften abbilden kann. So, dass es nicht wieder die alten, kolonialen Vorurteile und Strukturen verstärkt: Eine Welt, in der nur einige eine Stimme oder einen Namen haben, viele andere jedoch nicht."
Den afrikanischen Museumsmachern, Künstlern und Kuratoren, die aus allen Teilen des Kontinents ins Goethe-Institut nach Johannesburg gereist waren, schwebt die Idee eines post-ethnografischen Museums vor, in dem die historischen Objekte im Kaleidoskop der Gegenwart beleuchtet werden. In dem nicht nur Platz für historische, gesellschaftliche und kulturelle Bezüge ist, sondern auch für vielfältige Identitäten, betont Marilyn Douala Manga Bell, Gründerin des zeitgenössischen Kulturzentrums "doual'art" in Kamerun.
"Jeder von uns ist Teil der Welt. Wir bestehen aus verschiedenen Schichten von Bildung, von Information, von kultureller Herkunft. Das alles verschmilzt zu einer Identität. Es ist sehr wichtig, dass das Museum uns in dieser Komplexität widerspiegelt. Als Schlüssel zu unseren Wurzeln und als Wegweiser für die Zukunft. Ich hoffe, dass das Humboldt-Forum seinem Namen als Forum wirklich gerecht wird und den Dialog über den Mix der Kulturen zulässt."
Zeitgenössische Künstler und Kuratoren aus aller Welt könnten hierbei eine zentrale Rolle spielen. Die afrikanischen Experten nehmen Hermann Parzinger beim Wort, wenn er sagt, Europa sei längst nicht mehr das Weltdeutungszentrum der Welt. Was die Umsetzung betrifft sind viele jedoch skeptisch. So fragt der südafrikanische Kurator Vusi Mchunu bei der Podiumsdiskussion ganz direkt:
"Haben Sie den Mut, sich in ihren Programmen und Präsentationen auch den schwierigen Themen zu stellen? Etwa dem Leid der Herero unter der deutschen Kolonialmacht im damaligen Deutsch-Südwestafrika oder der Maji-Maji in Tansania?"
Aufarbeitung der Vergangenheit
An dieser Stelle sprang Neil McGregor seinem Kollegen zur Seite – als Brite könne er bezeugen, dass kein Volk seine Vergangenheit so konsequent aufarbeite wie die Deutschen, betonte er. Worte, die angesichts der blinden Flecken der deutschen Kolonialvergangenheit in Afrika fast ein Affront seien, kritisiert Memory Biwa, Historikern aus Namibia und Aktivistin der "No Humboldt 21"-Initiative.
"Das Humboldt-Forum wirft viele Fragen auf, die noch nicht ausreichend aufgearbeitet wurden. Fragen nach der Herkunft und dem rechtmäßigen Besitz der Exponate, welche Position wir als Afrikaner ihnen gegenüber einnehmen und warum das neue Museum in Berlin gebaut wird und nicht hier."
Vielen Afrikanern wird der Weg nach Berlin und damit auch zu einem Teil ihres eigenen Kulturerbes versperrt bleiben. Die afrikanischen Museumsexperten haben daher auch Wanderausstellungen angeregt. Ein Vorschlag, der bei Hermann Parzinger auf offene Ohren stößt.
"Letztendlich, das kulturelle Erbe gehört allen Menschen. Und die, die heute die Kultureinrichtungen leiten, die die Verantwortung haben, haben die Verantwortung dafür, dass die Dinge erforscht werden, dass sie gut verwahrt werden, dass sie jedermann zugänglich sind und dass man das Wissen über diese Dinge vermittelt. Und dazu gehört auch der Austausch von Objekten."
Es scheint, als seien einige der Anregungen des Dialogs im Johannesburger Goethe Institut tatsächlich auf fruchtbaren Boden gefallen. Wie viele der Ideen dann tatsächlich auch umgesetzt werden, ist eine ganz andere Frage. Aber bei aller Skepsis hoffen die afrikanischen Experten zum Abschluss ihres Workshops, dass das Humboldt-Forum mehr sein wird als nur ein Blick durchs Schlüsselloch.