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Neuer Verband "World Boxing"
Kampf um die Zukunft bei Olympia

Im Boxen firmiert sich ein neuer Weltverband, der den drohenden Verlust der olympischen Anerkennung abwenden möchte. "World Boxing" muss nun darauf hoffen, dass sich viele Nationalverbände anschließen - und vor allem auf die Anerkennung des IOC.

Von Piet Kreuzer | 22.04.2023
Kubas Andy Cruz (l.) gegen den US-Amerikaner Keyshawn Davis beim olympischen Box-Wettbewerb in Tokio
Tokio 2020 als letzter Auftritt bei Olympia? Boxen kämpft um die Anerkennung als olympische Sportart (picture alliance / dpa)
Seit 2019 ist der Box-Weltverband IBA vom Internationalen Olympischen Komitee wegen schlechter Verbandsführung, intransparenten Finanzen und Korruption im Kampfrichterwesen suspendiert. Bisher konnte die IBA die geforderten Reformen nicht umsetzen. Im Gegenteil: Unter dem russischen Präsidenten Umar Kremlev folgte eine Provokation auf die andere.
Jetzt wollen führende Box-Funktionäre aus verschiedenen Ländern die Notbremse ziehen und haben mit World Boxing einen neuen Verband ins Leben gerufen. Am Freitag (21.04.2023) wurden die Informations- und Bewerbungspakete für World Boxing an die nationalen Verbände verschickt.

"World Boxing"-Initiator van der Vorst: "Stehen vor größtem Albtraum"

"Wir glauben, dass wir vor dem größten Albtraum stehen, den man als Sport, als Sportfunktionär erleben kann: dem Verlust der olympischen Anerkennung", sagt Boris van der Vorst, einer der Initiatoren des neuen Boxverbands World Boxing. "Wir wollen nicht, dass das passiert. Das ist der Grund, warum führende Persönlichkeiten des Boxsports wie ich darauf drängen, dass wir beginnen, World Boxing zu etablieren, um eine olympische Zukunft für unseren Sport zu sichern."
Im Mai soll entschieden werden, welche nationalen Boxverbände als Teil von World Boxing anerkannt werden, im November in Frankfurt der Gründungskongress stattfinden. Soweit die Theorie. In der Praxis bleiben aber noch viele Fragen offen.

Weltverband IBA weiter vom IOC suspendiert

Denn noch ist die IBA der vom IOC anerkannte Box-Weltverband. Auch wenn sie derzeit suspendiert, und die olympische Anerkennung außer Kraft gesetzt ist. Und derzeit sieht es nicht nach einer Einigung zwischen IBA und dem Internationalen Olympischen Komitee aus. Das IOC kündigte im März weitere Untersuchungen der Aktivitäten der IBA an.
Für den Fall, dass bei den Untersuchungen immer noch Verstöße festgestellt werden, will das IOC "einen umfassenden Bericht über die Praktiken und Aktivitäten der IBA auf der Grundlage aller verfügbaren Erkenntnisse - einschließlich und ohne Einschränkung der Expertenberichte und der Antwort der IBA - erstellen, der auf einer der nächsten Sitzungen der IOC-Exekutive vorgelegt wird", kündigte IOC-Sprecher Mark Adams an.
Aber der Box-Weltverband scheint nicht ernsthaft an einer Einigung interessiert zu sein. Stattdessen wird das IOC weiter attackiert. So erklärte die IBA plötzlich die Weltmeisterschaft in Taschkent zur Olympia-Qualifikation für Paris. Dabei liegt die Verantwortung für die Olympia-Quali aufgrund der Suspendierung beim IOC. Die hatte verschiedene kontinentale Qualifikations-Turniere, wie zum Beispiel die European Games, ausgeschrieben.
"Ich denke, es ist unverständlich, dass sie versuchen, das IOC zu provozieren. Sie leben in einem Paralleluniversum mit ihren eigenen Regeln und eigenen Ideen. Wir haben versucht, einen sinnvollen Dialog zu führen, um sie in die richtige Richtung zu lenken. Aber das hat nicht geklappt", meint Boris van der Vorst, Präsident des Niederländischen Boxverbands. "Wir müssen dafür kämpfen, dass der Boxsport Teil der Olympischen Spiele bleibt. Dabei geht es nicht nur um die olympischen Träume unserer Boxer, sondern auch um den Status unseres Sports oder um die Verteidigung von Fördergeldern der Regierung. Für viele andere Dinge ist es wichtig, an den European Games, den Asian Games, den Commonwealth Games und den Olympischen Spielen teilzunehmen. Ich denke also, dass der Sport tot sein wird, wenn wir unsere olympische Anerkennung verlieren." 
Als letzte Möglichkeit sieht der Niederländer einen neuen Verband. Mit ihm haben unter anderem Funktionäre aus Deutschland, Großbritannien und den USA World Boxing gelauncht. Jetzt startet der Gründungsprozess, beschreibt US-Boxchef Mike McAtee: "Wir wurden von zahlreichen nationalen Verbänden kontaktiert, die sich für einen Beitritt zu World Boxing interessieren, und wir werden ein Informationspaket mit allen Informationen über World Boxing verschicken, wie sie die Mitgliedschaft beantragen können, und wir werden Anfang Mai damit anfangen, Bewerbungen entgegenzunehmen."

Neuer Verband hofft auf Anerkennung durch das IOC

Doch wie viele Länder folgen diesem Aufruf? An den Spielen in Tokio haben Sportler aus etwa 80 Nationen teilgenommen, die auch mit Geldern vom IOC gefördert wurden. Reicht das? Wie viele der 204-Mitgliedsverbände werden aber letztendlich wechseln? McAtee ist zuversichtlich: "Wir bezeichnen sie gerne als die schweigende Mehrheit der nationalen Verbände, die sich für eine gute Verbandsführung, eine Kontrolle durch Dritte und finanzielle Transparenz einsetzen."
Aber für einen Status als vom Internationalen Olympischen Komitee anerkannter Verband ist nicht nur die Zahl der Verbände wichtig, sondern auch eine globale Repräsentanz. Ziel ist laut dem Niederländer van der Vorst eine provisorische Anerkennung. Für Olympia in Paris organisiert das IOC die Wettkämpfe und die Qualifikationen. Für Los Angeles 2028, wo Boxen noch nicht Teil des Programms ist, hoffen die World Boxing-Vertreter wieder eine Rolle zu spielen. Außerdem: "Die vorläufige Anerkennung ist sehr wichtig, denn das könnte der Anfang sein, um die olympischen Mittel wieder zu bekommen. Es ist also sehr wichtig, denn das IOC ist seit langem der zuverlässigste Partner und Sponsor für den olympischen Boxsport. Das ist jetzt das Wichtigste, was wir realisieren müssen."

Säbelrasseln der IBA

Die IBA reagiert auf die neue Konkurrenz mit Säbelrasseln, etwa Generalsektretär Georgen Yerolimpos: "Für diejenigen, die an der Gründung der abtrünnigen internationalen Boxorganisation beteiligt waren, und die Nationen, die behaupten, ihr anzugehören, besteht kein Zweifel daran, dass die IBA sich das Recht vorbehält, von jeder Person, die die Aktivitäten und den Ruf der IBA schädigt und/oder versucht, den Ausschluss der IBA aus der olympischen Familie zu erreichen, Schadenersatz zu fordern. Nicht nur das: Den "abtrünnigen" Funktionären und Verbänden droht der Ausschluss aus der IBA.